Dieser Artikel wurde am 12. August 2011 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!Der Bedarf an Klimatisierung von Büroräumen wächst ebenso schnell wie die Nachfrage nach Lösungen zur Kühlung von…
Dieser Artikel wurde am 12. August 2011 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Der Bedarf an Klimatisierung von Büroräumen wächst ebenso schnell wie die Nachfrage nach Lösungen zur Kühlung von technischen Geräten. Ganz besonders im Sommer. Erst seit wenigen Jahren gibt es in Wien ein Angebot (leider nur für gewerbliche Großkunden) dazu: Fernkälte.

In der Fernwärmezentrale Spittelau entsteht, wie man weiß, durch Verbrennung von Müll Wärme. Mittels Kraft-Wärme-Kopplung und Dampfturbinen produziert die Fernwärme Wien zudem ihren eigenen Strom. Und in den Räumen unterhalb des sichtbaren Bürokomplexes, in der Kältezentrale, entsteht sozusagen das Gegenteil von Fernwärme – Fernkälte.

Umweltfreundliche Kühlung

Die Kälteerzeugung in Spittelau spart den überwiegenden Anteil, 70%, der Primärenergie. Da der gesamte Strombedarf aus eigener Erzeugung stammt und die Anlage praktisch autark läuft, ist Kühlung mit Fernkälte ein Beitrag zum Umweltschutz. Keine Treibhausgase, weniger Lärm und äußerst geringer Wartungsaufwand, das sind gute Argumente für einen Fernkälte-Anschluss. Im Vergleich zu konventionellen Klimaanlagen spart Fernkälte pro Megawattstunde Kälte 240 Kilogramm CO2 ein – das entspricht einer CO2-Reduktion von rund 70 Prozent.

Vier getrennte Wasserkreisläufe spielen bei der Fernkälte zusammen.
Zentraler Kreislauf ist das aufbereitete Kühlwasser, das zwischen Fernkälte und Kunden zirkuliert. Es verlässt die Fernkälte Wien mit 3 bis 4 Grad Celsius und kehrt mit knapp über 12 Grad Celsius zurück.

Die Antriebsenergie für die Turbokompressoren in Form von Strom und die Absorptions-Kältemaschinen in Form vom Heißwasser kommt aus der Fernwärme, wie Alexander Wallisch von der Fernkälte Wien erklärt. Wasser aus dem Donaukanal übernimmt – sozusagen gratis – die Vorkühlung des Kühlwassers. Und dann gibt es noch einen eigenen Kreislauf für den Kälteprozess.

Das Prinzip der Absorption

Absorptionskältemaschinen arbeiten mit einem Zweistoffsystem, in dem eine Flüssigkeit eine andere absorbiert und wieder von ihr getrennt wird. Der absorbierte Stoff hat die Funktion des Kältemittels, während der andere Stoff als Lösungsmittel bezeichnet. Die Stoffe werden in einem Kocher oder Austreiber voneinander getrennt, indem die Lösung erhitzt wird. Das Kältemittel verdampft aufgrund der geringeren Verdampfungstemperatur zuerst.

Dann wird das Kältemittel in einem Verflüssiger abgekühlt und somit verflüssigt. Durch ein Regelventil wird das Kältemittel auf den, der gewünschten Temperatur entsprechenden, Verdampfungsdruck entspannt.
Wenn das Kältemittel verdampft, nimmt es Wärme aus seiner Umgebung – im konkreten Fall aus dem zu kühlenden Wasser – auf. Hier entsteht der Nutzeffekt, wir erhalten die gewünschte Abkühlung.
Der Kältemitteldampf wird nun in den Absorber geleitet.

Das Lösungsmittel wird durch ein Ventil auf den Absorberdruck entspannt, abgekühlt und dem Absorber zugeführt. Dardurch ist es in der Lage, den Kältemitteldampf im Absorber aufzunehmen. Eine Lösungsmittelpumpe führt nun die angereicherte Lösung zurück zum Austreiber.
Damit ist der Kreislauf geschlossen.

Kälte fürs AKH

AKH Wien HaupteingangDer größte Abnehmer der Fernkälte Wien ist das Allgemeine Krankenhaus. Entlang der Stadtbahnbögen läuft das 4 Grad kalte Wasser unterirdisch in einer isolierten Rohrleitung bis nach Michelbeuern.

Früher hat das AKH diesen Teil des Kältebedarfs mit eigenen Turbokompressoren und Absorptionskältemaschinen selbst gedeckt. In der hauseigenen Kältezentrale unter dem Gebäudekomplex wird ein Spitzenbedarf von stolzen 42 Megawatt generiert. Das bedeutete allerdings immensen Stromverbrauch und eine Belastung für die Umwelt.

Als zertifizierter Klimabündnisbetrieb schlug das Krankenhaus sofort zu, als von Wien Energie das Angebot der Fernkälte geschaffen wurde. Zu diesem Zeitpunkt hätte im AKH einer der Absorber ausgetauscht werden müssen. Der dadurch frei gewordene Platz wurde für einen Wärmetauscher genutzt, in dem das Wasser der Fernkälte zum Einsatz gelangt. DI Jörg Simonitsch, interimistischer technischer Direktor im AKH, hat energieleben.at durch die Kältezentrale des Krankenhauses geführt.

In der Spitzenzeit des Kältebedarfs – also von März bis Ende Oktober – stellt die Fernwärmezentrale einen der Transportkreisläufe entlang der U6 zwischen Spittelau und Michelbeuern von heiß auf kalt um.
Die Fernkälte deckt dann den vollständigen Grundbedarf des AKH von 12 bis 14 MW Leistung aus der Anlage in Spittelau. Wenn Hitzewellen, Gewitter oder andere äußere Einflüsse für zusätzlichen Kühlungsbedarf sorgen, springen die hauseigenen Geräte bei.

Was die Isolierung der Leitung kann, zeigt der unmittelbare Vergleich zwischen der Fernkältezentrale und dem Wärmetauscher im AKH: Das rund 4 Grad kalte Wasser kommt nach seiner Reise entlang der U-Bahn-Linie 6 immer noch mit rund 4 Grad Celsius beim Kunden an.

Klimatisierung und Gerätekühlung

Im Wärmetauscher kühlt das Wasser der Fernkälte Wien einen hauseigenen Kreislauf mit reinem, aufbereitetem Wasser von 13 auf 6 Grad ab. Pumpen befördern das 6 Grad kalte Wasser durch die Wartungsschächte in die Bettentürme und mehrere Nebengebäude. In verschiedenen weiteren Wärmetauschern kühlt es dort die Luft für die Klimatisierung ab, das Kühlwasser kehrt mit rund 13 Grad zurück in einen Rücklaufsammler in der Kältezentrale – und wird im Wärmetauscher erneut abgekühlt.

Für die Kühlung wichtiger Geräte im Haus gibt es einen weiteren Kältekreislauf. Der kommt mit 18 Grad in die Kältezentrale, wird auf 14 Grad abgekühlt und kühlt Rechenzentren und medizinische Großgeräte.

Das Wasser der Fernkälte erwärmt sich im Wärmetauscher auf 12 Grad Celsius und kehrt mit dieser Temperatur durch die Leitung entlang der Stadtbahnbögen zurück zur Fernkälte Wien – wo auch dieser Kreislauf von Neuem beginnt.