Die Berliner Grüne Woche wird immer mehr von den Lebensmittelkonzernen gestaltet.
Dieser Artikel wurde am 21. Januar 2016 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Die Agrarpolitik ist eines der wichtigsten Felder, das für eine nachhaltige Zukunft bestellt werden muss. Es geht um unsere Ernährung, unmittelbar unser „Leben“ und trotzdem wird dieses Thema absolut stiefmütterlich behandelt. Es gibt ein Recht auf Ernährung und Gesundheit – und beide Rechte werden „mit Füßen getreten“. In jedem Jahr werden doppelt so viele Lebensmittel produziert, wie die aktuelle Erdbevölkerung verzehren kann und trotzdem herrscht nach wie vor Hunger. Landraub, Zerstörung der Böden, Klimawandel, Überfischung der Meere und nicht zuletzt die exponentiell wachsende Zahl der Flüchtlinge, das sind alles Themen für die „Landwirtschaft“, die längst zu einer globalen Nahrungsmittelindustrie geworden ist. Der Maßstab ist seit Jahrzehnten Rendite und nicht „Leben“ – oder Ernähren.

Es geht um unser Leben – im wahrsten Sinne

Kaum ein Bereich ist so mit Emotionen besetzt, wie das der Ernährung. Von radikalem Veganismus bis zur Steinzeitdiät, von Klon- oder Genfleisch bis zu Fleisch von glücklichen Kühen wird vehement gestritten. Fast alle Beteiligten schauen dabei aber leider nicht über ihren Tellerrand hinaus. Unstrittig ist immerhin: „Es geht so nicht weiter“. Unstrittig ist auch: „nirgends wird so viel gelogen und betrogen, wie in der Nahrungsmittelbranche“. „Mit Essen spielt man nicht“, war ein Spruch unserer Elterngeneration, die noch die Not in Europa nach 1945 erlebt hatte. Heute spielen Menschen mit unserem „Essen“ an den Börsen. Geld kann man nicht essen, aber es ist uns wichtiger, als die lebenswichtige Nahrung, also wichtiger als unser Leben?

Eine grundlegende Änderung, eine neue Reformation muss endlich gelingen

Das Problem ist – mal wieder – „strukturell“, wie Jean Ziegler, langjähriger UN-Beauftragter für das Recht auf Ernährung nicht aufhört, zu betonen. Es liegt in der Tat im System und nur, wenn wir es schaffen dieses System grundlegend zu ändern, gibt es eine globale Hoffnung auf Zukunft. Es begann vor 500 Jahren. In Europa fand ein Umbruch statt, der dem Geld die Bedeutung brachte, die uns heute so viele Probleme bereitet. Am Ende des Mittelalters hatte die Adelsmafia mit Unterstützung ihrer Kirche – Päpste aus den Reihen der Mafia, wie die Medici, kauften sich ihr Amt in der Regel – den Bogen so weit überspannt, dass die Menschen sich begannen, gegen die Ausbeutung aufzulehnen. Nach der Entdeckung Amerikas und dem beginnenden Goldrausch – und dem Kolonialismus – hatten plötzlich Bankiers wie die Medicis in Italien und die Fugger in Deutschland die Herrschaft des Adels gebrochen. Dieser brauchte Geld – für die Machtverteilungskriege – und die Banken profitierten vom beginnenden Welthandel, insbesondere der Ausbeutung der neuen Rohstoffquellen. Kirche und Adel mussten diese Darlehen mit Zinsen zurückzahlen und erhöhten den Druck auf ihre Leibeigenen, ihre Bürger. Der Erfolg war in Deutschland ein Aufstand der Bürger, angeführt von den einstmals stolzen Bauern, beginnend im Jahre 1524. Sie forderten eine Berücksichtigung ihrer Interessen im Rahmen der bestehenden Ordnung, aber letztlich eine Entmachtung zumindest des Landadels. In den „Zwölf Artikeln“ forderten sie unter anderem eine Rückgabe des Allgemeinbesitzes wie der Wälder und der Allmendewiesen und Äcker, die Jagd- und Fischereifreiheit und natürlich die Abschaffung der Leibeigenschaft. Dass sie auch die freie Wahl des Gemeindepfarrers, die „lautere und klare“ Verkündigung des Evangeliums und gar die Anerkennung der „Gleichheit vor Gott Aller“ sowie die Abschaffung einer zusätzlichen Kirchensteuer (Kleinzehnt) verlangten, war zu viel des Guten. Als „Sachwalter“ des Papstes beendeten die Fürsten von Sachsen und Hessen 1525 mit einem brutalen Gemetzel diesen „Bauernaufstand“. Der gleichzeitig tätige Reformer der Kirche, Martin Luther, war erfolgreicher, weil er die neuen Medien (Buchdruck) hochprofessionell nutzte und schließlich von einer Mehrheit der zahllosen Landesfürsten getragen wurde. Seine Bücher und Schriften wurden in Rekordauflage gedruckt, weil die Buchdrucker Umsatz brauchten und die Landesfürsten sich von der „zu teuer gewordenen“ römischen Kirche lösen wollten. Es ging letztlich ab nun nur noch ums Geld.

Menschenrecht auf – wirkliche – Ernährung? Ein frommer Wunsch?

Gleichheit vor Gott – ja, aber zuvor auf der Erde – bitte nicht! Wenn Lebensmittel zu einer Ware auf dem „freien Markt“ werden, werden sie sofort zu einem Spekulationsobjekt und meistbietend versteigert. Dass ist nicht nur ethisch Unfug, sondern verletzt ein grundlegendes Menschenrecht. Das gesamte System der Lebensmittelerzeugung und Verteilung muss sofort und nachhaltig geändert werden. Es ist ein unverzeihliches Armutszeugnis für eine „Weltgemeinschaft“, wenn diese es nicht schafft, alle Menschen zu ernähren, obwohl nachweislich ein Überfluss herrscht. Lebensmittel zu vernichten, um die Preise zu stabilisieren oder gar erhöhen zu können, ist eine Straftat.
Dass Politiker, also die Verantwortlichen dieses Recht durchsetzen, was ihre Aufgabe wäre, ist – seit 500 Jahren – nicht zu erwarten, wie das erbärmliche Beispiel des deutschen Landwirtschaftsministers beweist. Inzwischen wird das ganze System aber selbst den Agrarökonomen – so heißen nun die Bauern- unheimlich. Sie merken – endlich – dass sie nur noch Sklaven, also wiederum Leibeigene, nun der Lebensmittelkonzerne sind und nicht mit ihren Konkurrenten (sic!) aus Südamerika, die auf 200.000 Hektar-Farmen jährlich 2 Ernten einfahren mithalten können. Vielerorts setzen sich diese „Unternehmer“ mit normalen Bauern (heißen heute Bio-Bauern oder Öko-Landwirte) zusammen und überlegen, wie sie „die Kuh vom Eis“ bekommen und endlich wieder wirkliche Mittel zum Leben bieten können, mit einem guten Gewissen und für alle Menschen in ihrer Region. Wir Menschen sind nun einmal Bestandteil dieses Planeten und die Landwirte für uns alle die Bindeglieder zwischen dem Boden und uns. Dieser Boden gehört niemandem. Wir nutzen ihn, aber dürfen ihn nicht zerstören. Wir wollen doch nur „leben“, wir Menschen und „alle unsere Verwandten“, also alle belebte und unbelebte Mitwelt.

http://www.sonnenseite.com/de/wirtschaft/gruene-woche-ramschfleisch-und-billigmilch.html
http://www.natur.de/de/20/Kritischer-Trend-zu-Mega-Mastanlagen,1,,1833.html
http://www.bund.net/?5845
http://www.bmel.de/DE/Ministerium/IGW/igw_node.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/gruene-woche-tausende-demonstrieren-gegen-agrarindustrie-a-1072407.html
http://www.taz.de/!5260335/
zur Geschichte der Reformation: http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelgeschichte/index-2015-6.html
https://www.energieleben.at/zurueck-zu-den-wurzeln/
https://www.energieleben.at/90-der-usa-koennten-regional-versorgt-werden/
https://www.energieleben.at/auf-dem-weg-zu-nachhaltiger-wirtschaft-solidaritaet/