Wie also könnte moderne Verkehrsplanung in einer zukünftigen humanen Stadt aussehen? Ich will das in zwei Zukunftsszenarien aufzeigen. Im Jahr 2015 wird der motorisierte Individualverkehr zurückgehen und der öffentliche Verkehr ausgebaut werden. Fahrradfahrer und Fußgänger werden bei der Ver kehrsplanung bevorzugt behandelt. Es gibt in ganz Deutschland keine Kommunalpolitikerin und keinen Kommunalpolitiker, die nicht noch heute mit dem Umsetzen dieses Verkehrskonzeptes 2015 beginnen könnten! In Münster und Freiburg, in Karlsruhe und Oberstdorf, in Bremen und Solingen, in Heidelberg und Berlin, in Rostock und auf Rügen, in Homburg/Saar und Bielefeld sind diese Vorschläge in einigen Details schon realisiert – aber nirgendwo komplett.
In Tokio decken öffentliche Verkehrsmitte 90 Prozent des Gesamtverkehrs ab. Warum sollte das nicht auch in Deutschland möglich sein? Wenn ich in Japan Vorträge halte und von Tokio nach Kyoto reisen muss, wähle ich selbstverständlich den schnellen, bequemen Hochgeschwindigkeitszug „Shinkansen“ – wie fast alle Japaner. Ich spare dabei Zeit, Geld und Nerven und schone zudem die Umwelt. Immer weniger Japaner nutzen im Inland noch das Flugzeug. Im verkehrspolitisch rückständigen Deutschland ist es umgekehrt: Es wird im Inland immer mehr geflogen, obwohl es immer weniger Sinn macht. Die Praxis zeigt: Mobilität mit weniger Autos und Flugzeugen wäre schon heute möglich, würde die Politik die Weichen richtig stellen, etwa durch eine Flugbenzinsteuer. Darüber wird seit 30 Jahren diskutiert – aber nichts passiert, weil Politiker angesichts der großen Auto-Lobby zu feige sind.
Wie können wir langfristig ohne Autos einkaufen, zur Arbeit fahren, Güter transportieren, Urlaub und Freizeit gestalten? Ich kann mir vorstellen, dass eine Politik der kurzen Wege bis zum Jahr 2030 dafür sorgt, dass viel Arbeit zu Hause erledigt wird, die Arbeitszeit auf weniger Tage verteilt ist, dass Arbeitsplatz und Wohnplatz näher zusammenrücken und Deutschland und Österreich mit einem dichten Netz schienengebundener Verkehrsmittel überzogen ist – ähnlich dem Straßensystem von heute. Wenn die Arbeitswege kürzer werden, können wir unseren Arbeitsplatz zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Dienst- und Geschäftsreisen sind dann mit der Bahn attraktiver als mit dem Auto. Es könnte unrentabel sein, ein Auto zu unterhalten. Die Stadt ohne Autos wird wieder ein sozialer Raum für alle – auch für Kinder, Alte und Behinderte. Der Einzelhandel organisiert Bring-Dienste und die Bahn einen pünktlichen Gepäckdienst. Wir verbringen in 20 Jahren wieder mehr Freizeit zuhause, denn Straßen und Plätze sind wieder offen für sportliche, kulturelle und festliche Veranstaltungen. Wir werden weniger als heute in die Ferne fliegen wollen, wenn unser Umland wieder mehr erleb- und erfahrbar wird. In unseren Städten liegt die Tram wieder im Trend.
In vielen Großstädten gibt es zehnmal mehr Autos als Kinderwagen. Ich wünsche unseren Enkeln, dass sie die Straße wieder als Ort der Lernerfahrung und die Großstadt wieder als Heimat erleben, in der Fremdes sich miteinander verbindet: Jung und Alt, Freund und Gegner, Arm und Reich, Deutsche und Ausländer. Bei den hier skizzierten alternativen Verkehrsszenarien geht es um weniger Energie, eine bessere Umwelt und um neue zukunftssichere Arbeitsplätze. Das hat nichts mit Verzicht oder Askese zu tun, wie uns viele eingefleischte Öko-Anhänger predigen, sondern mit mehr Lebensqualität, mehr Freiheit, mehr Sicherheit, mehr Gesundheit und mehr Lebensfreude für alle. Es zeigt sich: Autofahren ist heilbar!
© Franz Alt | www.sonnenseite.com
Foto: fotolia.com
Comments are closed.