Dieser Artikel wurde am 15. April 2012 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!Unabhängig von Entwicklungshilfe, Subventionen oder technologischer Hilfe beweist das Beispiel des Songhai-Zentrums, dass Afrika endlich vom Tropf…
Dieser Artikel wurde am 15. April 2012 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Unabhängig von Entwicklungshilfe, Subventionen oder technologischer Hilfe beweist das Beispiel des Songhai-Zentrums, dass Afrika endlich vom Tropf der zerstörerischen Hilfen der global-Player genommen werden muss. Afrika will leben und kann es besser allein. http://afrika.arte.tv/blog/?p=2203

 

Natürlicher Kreislauf ohne Abfall

Das alte Königreich Songhai, das sich etwas südlich des Sahelzone im Wesentlichen über Mali und Benin erstreckt, mit heute noch etwa 750.000 Nachkommen, beweist in jeder Hinsicht, wie falsch die meisten Informationen über Afrika sind, die in den Medien des Nordens verbreitet werden. Zuerst einmal sind alle Landesgrenzen, die zuletzt nach dem ersten Weltkrieg am grünen Tisch willkürlich durch Kulturlandschaften, Stammesgebiete und Weidegebiete der Nomaden gezogen wurden mehr als überflüssig, meistens eher Anlass für Streit und blutige Kriege. Mit ihnen hatten lediglich die Kolonialherren ihre Claims zum Ausschlachten der Ressourcen abgesteckt. Für die Afrikaner sind diese Grenzen mit ihren noch aus der Kolonialzeit stammenden Verwaltungseinheiten blanker Unsinn. Die Songhai sind, wie die meisten afrikanischen Völker über viele – in diesem Fall sieben –  Staaten verteilt.

Seit über zehn Jahren zeigen die Projekte der Songhai der Welt: Wir können uns allein ernähren, wenn ihr uns in Ruhe lasst – und wir können es besser, als ihr.

Allein mit den jeweils am Ort vorgefundenen Ressourcen entwickelte das Bio-Agrarprojekt Verfahren und geschlossene Kreisläufe, mit denen nicht nur erstaunliche Erträge erzielt werden, sondern eine Botschaft an die ganze Welt gehen kann. Niemand braucht eine globale Lebensmittelindustrie, eine industrielle Landwirtschaft, schon gar nicht Afrika. Mit Fantasie und Herz, sowie einer Gemeinschaft mitdenkender Bürger kann all das erzeugt werden, was die Menschen brauchen. Von der benötigten Energie, über ein üppiges Nahrungsangebot bis zu allen Gütern des täglichen Gebrauchs bietet die Mitwelt alle Ressourcen – und das dauerhaft, wenn man sie nicht zerstört, sondern pflegt.

 

Denken mit Kopf und Herz, wie die Mitwelt fühlen

Andernorts werden Störenfriede wie Fliegen bekämpft. Die Songhai bauten ihnen ein „Sheraton“-Hotel und lassen sie für sich arbeiten, in einer wundervollen Symbiose. Die Fliegen lassen sofort Mensch und Vieh in Ruhe und stürzen sich auf die in ihrem „Hotel“ ausgebreiteten Abfälle. Diese verwerten sie zu Dünger, zu fermentierbarer Biomasse und liefern nebenbei Tonnenweise eiweißhaltige, nahrhafte Maden. Diese werden an die Fische verfüttert, die zu erstaunlicher Größe wachsen.

Die Überreste des Fliegenmahls gelangen in einen unterirdischen Fermenter und erzeugen Biogas. Dieses wird zum Kochen und zum Antrieb für einen alten Ottomotor genutzt, der Strom – und Wärme – erzeugt. Der flüssige Fermentationsrest ist der beste Dünger für die großen Felder, auf denen Gemüse, Obst und auch Reis angebaut werden. Allein auf den Reisfeldern ist der Ertrag – bei drei Ernten im Jahr – zwanzigmal höher, als üblicherweise.

Schweine, Hühner und die Fischzucht bringen Erträge, die bisher nicht einmal in Europa denkbar waren. Und alles ohne Chemie, ohne Mastboxen, Legebatterien und all die Schrecken, die heutzutage die industrielle Landwirtschaft zu brauchen vorgibt. Selbst viele Bio-Landwirte können von den Songhai noch lernen, wie vollständige Kreisläufe und optimierte Erträge vereint werden können. Selbst alle Geräte, Werkzeuge und Hilfsmittel werden von den Songhai selbst hergestellt oder aus alten Beständen, sozusagen aus dem Kolonialschrott zusammengebastelt.

 

Afrika war der Rohstofflieferant für den Reichtum des Westens

Bisher ist dieser Kontinent voller lebensfroher Menschen die von den Industriestaaten skrupellos, mit beispielloser Brutalität und Arroganz ausgebeutet wurden. Diese Schuld werden diese Staaten niemals begleichen können. Ihre bisherige Entwicklungshilfe gehört nach wie vor zu dieser Ausbeutung, denn sie hat in Wahrheit immer der eigenen Industrie – oder den Banken – gedient, niemals jedoch wirklich denen, denen es dienen sollte, den Afrikanern.

Völlig ohne Wut oder einen direkten Vorwurf berichten die Songhai stolz davon, dass sie nun nicht mehr Lieferanten für den Norden sein können, sondern nun ihr „Heimspiel“ machen. Sie sorgen nun für sich selbst und möchten dabei „in Ruhe gelassen“ werden. Jede Hilfe von außen wäre Unsinn und würde nur wieder die gefundene Harmonie stören.

Wenn dieses Beispiel Schule macht und sich über den ganzen Kontinent verbreitet, werden die alten Grenzen wirklich überflüssig oder müssen dann gemäß den wirklichen Bedürfnissen der Völker gezogen werden. Einen Nutzen sehen die Songhai jedenfalls nicht darin.

„Jeder Afrikaner kann an jedem Ort für sich sorgen“ ist die Kernaussage, „und das ohne Mutter Erde zu stören oder gar zu zerstören“. Der Nachhaltigkeitsgedanke, den die Staaten im Norden seit Jahrzehnten zu finden suchen und zu Tode diskutieren wird hier längst gelebt. Das Gebaren der Konzern- und bankengläubigen Europäer, hier insbesondere der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, wird nur mit einem Kopfschütteln kommentiert.

 

Ist Afrika wirklich so arm und der Norden so reich?

In ihrem Buch: „why nations fail“ behaupten zwei amerikanische Wissenschaftler herausgefunden zu haben, warum der – sogenannte – Reichtum auf der Welt nun einmal so verteilt ist. http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,824393,00.html

Natürlich ist der Standard für Reichtum dabei der der Industriestaaten. Gemeint ist ein eher technoider Wohlstand, der wenig menschliches an sich hat und seit langem den Menschen eher schadet, sie krank macht, als ein nachahmenswertes Paradies zu sein. Das Paradies ist laut der christlichen Bibel – und dem Koran – der Zeitraum vor dem Beginn des Ackerbaues, vor dem sesshaft werden der Menschen. Zu diesem Zeitpunkt, vor etwa 7000 Jahren, begannen die Menschen nämlich, sich von der Mitwelt auszugrenzen, ihr jeweiliges eigenes kleines Paradies mit Mauern zu umgeben. Nun waren sie nicht mehr der Erde untertan, sondern begannen sich die Erde untertan zu machen. Dieser Sündenfall führte in der Tat zu der Vertreibung aus dem Paradies, unter der wir Menschen – und die Erde – nach wie vor leiden.

Es ist also nicht unbedingt der Zugang zu technischem Fortschritt und der westlichen Art der „Bildung“, der Schlüssel zu Reichtum ist. Es ist vielmehr das Verständnis der Mitwelt, die Offenheit für einen konstruktiven Diskurs mit dem Ort, der am Ende bestimmt, wie man miteinander kooperiert, um gemeinsam – also Mensch und Natur – nachhaltig existieren zu können.

Diese Offenheit, die Fähigkeit auch „der Natur zuhören zu können“ haben die westlichen Menschen verlernt, sich zum Beherrscher erhoben, mit einer beispiellosen Hybris. Immer wieder hatte die Natur, die Mitwelt ihnen bewiesen, wie sehr sie irren, hat angeblich unsinkbare Schiffe, wie die Titanic, einfach sinken lassen, mit Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüchen oder Stürmen immer wieder die Gärten der Menschen, ihre künstlichen Paradiese zerstört.

Möglicherweise verhält es sich mit der Verteilung des Reichtums also genau anders herum. Der industrialisierte Westen ist bettelarm, alle Völker, die noch ein Ohr für die Mitwelt haben hingegen sind unermesslich reich.

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