Sie versprachen uns das Blaue vom Himmel: Alle deutschen Autohersteller hatten sich gegenüber der Politik verpflichtet, bis zum Jahr 2008 Autos zu bauen, die im Schnitt weniger als 140 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Doch im Herbst 2009 sind wir noch immer bei 165 Gramm – das ist leider das Graue vom Himmel. Deshalb kaufen immer mehr umweltbewusste Deutsche japanische Autos wie das Hybrid-Modell „Prius“ von Toyota.
Dabei hatte Volkswagen schon 2002 das Ein-Liter-Auto vorgestellt, es dann aber ins Museum gestellt anstatt auf den Weltmarkt. Erst jetzt heißt es in Wolfsburg: Das Auto, das nur noch einen Liter Sprit auf 100 Kilometern verbraucht, kommt 2013 in Serie. Auf der jüngsten Internationalen Automobilausstel lung, der IAA in Frankfurt, haben auch andere Autobauer wieder einmal Besserung gelobt: Alle wollen jetzt kleinere und sparsamere Modelle bauen und alle setzen auf alternative Antriebssysteme: auf Elektroautos, Hybridautos, Wasserstoffautos.
Das Auto der Zukunft soll leise sein, nicht mehr stinken oder brummen und auch kein Benzin mehr verbrennen. Es soll nur noch fahren. Wunderbar! Die Energieversorger sagen sogar: Millionen Elektroautos könnten, wenn sie nachts keine Fahr-, sondern nur noch „Stehzeuge“ sind, sogar als Speicher für Sonnen- und Windstrom dienen. Heißt das etwa: Das alte Auto-Land ist abgebrannt? Auf in die schöne, neue Autowelt!
„Die Zukunft gehört dem Elektro-Auto“, tönten VW-Chef Martin Winterkorn und Daimler-Boss Dieter Zetsche soeben übereinstimmend auf der IAA. Und General Motors verabschiedet sich in Werbespots sentimental vom fossilen Zeitalter: „Liebes Öl, wir hatten jahrelang eine tolle Beziehung, aber jetzt glauben wir, dass es für uns beide besser wäre, wenn wir uns nicht mehr so oft sähen.“ Kommt tatsächlich der große Ölwechsel? Fest steht: Die gesamte Autoindustrie steht weltweit am Scheideweg, es erwartet uns eine Kulturrevolution! Ein alter Benzinmotor verpestet mit einem Liter Benzin 10.000 Liter Luft – eine der Ursachen des Klimawandels, den wir stoppen müssen, wenn unsere Kinder und Enkel auf dieser Erde noch ein schönes Leben haben sollen. Ein Benzinmotor verbrennt in einer Stunde, woran die Natur Millionen Jahre gearbeitet hat. Wir brauchen also völlig neue und innovative Antriebe. Umfragen belegen, dass sich inzwischen 70 Prozent der deutschen Autofahrer mehr für die Umweltverträglichkeit als für höhere PS-Zahlen ihres Wagens interessieren. So waren kleine Autos der Haupttrend der IAA. Dabei könnten wir schon lange intelligentere Mobilität organisieren.
Werner von Siemens fuhr 1882 in Berlin das erste Elektroauto der Welt. Vor 100 Jahren waren auf New Yorks Straßen mehr E-Mobile unterwegs als Benziner. Und Hybridautos, die in Japan und in den USA schon Kult-Status haben, wurden 1972 an der Hochschule Aachen entwickelt. Aber kein deutscher Autobauer brachte sie auf den Markt. In der Batterie-Technologie, dem Pferdefuß des Elektroautos, sind uns die Chinesen um beinahe zehn Jahre voraus. Doch das Auto allein bietet uns auch keine ausreichende Perspektive für künftige Mobilität und Städteplanung. Ein so dichtbevölkertes Land wie Deutschland benötigt attraktive öffentliche Verkehrssysteme, um mehr Lebensqualität zu erreichen. Sonst kommen wir nicht heraus aus der Staugesellschaft, sondern ersticken in ihr.
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