Boris Salak Großparkplätze
Boris Salak Großparkplätze
Studie erforschte Potenzial zur Energiegewinnung.
Dieser Artikel wurde am 3. November 2017 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Wie gut lassen sich Großparkplätze für die Energiegewinnung nutzen? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Forschungsprojekt „Analyse des Photovoltaikpotenzials auf Großparkplätzen“ an der Boku Wien zwischen Juli 2015 und Juni 2017. Das Projekt wurde mit dem Wirtschaftskammerpreis 2015 ausgezeichnet. Projektleiter Dr. Boris Salak spricht im Interview über die Ergebnisse der Studie, über den Nutzen von Großparkplätzen und über die Idee hinter dem Projekt.

Wie entstand die Idee zum Forschungsprojekt?

Die Idee entstand aus der Beobachtung, dass man einerseits im Rahmen der Energiewende auf der Suche nach geeigneten Standorten für erneuerbare Energieinfrastrukturen ist, diese idealerweise in der Nähe zum Konsumenten, also urban, liegen und dennoch eine hohe sozio-politische Akzeptanz aufweisen sollen. Andererseits schreitet die Bodenversiegelung in Österreich seit vielen Jahren scheinbar ungebremst voran. Durch das gedankliche Zusammenfügen dieser Komponenten stellte sich die Frage, warum es nicht mehr Photovoltaikanlagen auf bereits versiegelten Flächen, wie eben jenen von Großparkplätzen gibt.

Welchen Nutzen haben Solaranlagen auf Großparkplätzen?

Neben der niederschwelligen Parkplatznutzung könnte die Funktion der erneuerbaren Energieerzeugung sowohl zu einer Nutzungsaufwertung durch eine effizientere Flächennutzung von vorhandenen Großparkplätzen führen. Die multifunktionale Nutzung könnte einen Betrag zum Energiewandel und zur aufkommenden Elektromobilität leisten. Somit könnte an jenen Orten Erneuerbare Energie produziert werden, die durch den mobilen Individualverkehr bereits in Anspruch genommen wurden und sich für andere zusätzliche Nutzungsformen nur bedingt eignen. Dadurch entstünde eine konfliktarme Nutzung, die überdies hinaus noch weitere potenzielle Synergieeffekte ermöglicht, wie Einsparungen in der Wartung der Flächen z.B. in den Wintermonaten (weniger Schneeräumung), Schutz der Fahrzeuge vor Witterungseinflüssen wie Hitze, Niederschlag, Eis etc. und neuen Dienstleistungen (z.B. Lademöglichkeiten für E-Autos etc.).

Wer war an der Studie beteiligt?

Maßgeblich an der Idee beteiligt waren neben meiner Person, Prof. Andreas Muhar und Dr. Thomas Schauppenlehner, sowie im Rahmen der Projektumsetzung Mag. Christoph Graf vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU). Eine Weiterentwicklung der ersten Gedanken hin zu einem wissenschaftlichen Projektantrag wäre ohne Unterstützung des Instituts nicht möglich gewesen. Die Weiterentwicklung und Kommunikation des Projekts wird zusätzlich von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) unterstützt.

Wird das Projekt nach Ablauf weitergeführt oder betrachten Sie die Forschung zu diesem Thema als abgeschlossen?

Photovoltaikanlagen im ländlichen Raum, also Freiflächenanlagen, sind bereits gut erforscht. Auch im städtischen Raum gibt es Studien über PV-Anlagen auf Gebäuden. Doch der Wissensstand über Potenziale von Photovoltaikanlagen in urbanen Freiräumen, und hier speziell auf Großparkplätzen, war bis zu dieser Studie unbekannt. Die Forschung zu Potenzialen von Photovoltaikanlagen steht insbesondere bezogen auf urbane Freiflächen noch an ihrem Anfang. Mit unserer Studie konnte erstmals eine Potenzialabschätzung errechnet werden, die zukünftig eine Einordnung des Energiepotenzials auf Großparkplätzen und eine Berücksichtigung für weitere Planungen erlaubt. Das errechnete Potenzial soll zur Bewusstseinsbildung bei politischen EntscheidungsträgerInnen, bei Verantwortlichen der Photovoltaikindustrie und letztlich der Bevölkerung beitragen.

In welche Richtung sollten die Forschungsarbeiten weitergehen?

Ein nächster Schritt wäre die Integration sozialwissenschaftlicher Fragen, da man aktuell nicht sagen kann, wie sich die lokale Bevölkerung Energieparkplätze in ihrer Wohn-, Arbeits- und Freizeitumgebung vorstellt und bzw. mit welchen Herausforderungen künftige Realisierungsprojekte konfrontiert werden könnten. Weiters sollte untersucht werden, inwieweit sich andere städtischen Freiräume energetisch eignen und entsprechende Entwicklungsleitfäden zur Hebung des Potenzials erarbeitet werden. Auch könnte in einem darauffolgenden Schritt eine ökonomische Verifizierung des solaren Erwartungspotenzials erfolgen. Hiermit könnte man ermitteln welche der Großparkplätze sich unter welchen Bedingungen besser zur Bewirtschaftung eignen, als andere.

Wie wurde die Studie durchgeführt?

Die Studie wurde österreichweit und fallstudienbasiert durchgeführt. Die Berechnung berücksichtigt neben der Gesamtheit des physikalischen Energieangebots, also der Reduktion der Strahlung um atmosphärische, physikalische und räumliche Parameter, wie Gebäude, auch die Leistungsfähigkeit der PV-Zelle (20 %) und die durchschnittliche mit Photovoltaik genutzte Fläche auf bereits bestehenden Energieparkplätzen (49 %). Für jeden einzelnen Parkplatz (> 15.000) wurde über einen Zeitraum von etwa 10 Jahren halbstündlich Energiepotenziale errechnet. Die Ergebnisse wurden unter verschiedenen Gesichtspunkten zusammengefasst (z.B. Jahresmittelwert) und zeigen sowohl lokale als auch nationale Potenziale.

Welche inhaltlichen Erkenntnisse haben Sie sich von dem Projekt erwartet, inwieweit wurden diese erfüllt?

Wir haben erwartet, dass es ein beachtliches, bislang unberücksichtigtes Photovoltaikpotenzial auf Österreichs Großparkplätzen gibt. Das hat sich insofern bestätigt, als dass mit der erzeugten Energie ein Äquivalent von ca. 1,4 Mio. Elektrofahrzeugen und somit ca. 20 % aller KfZ in Österreich versorgt werden könnte. Weiters war nicht klar, wie das Potenzial in Österreichs größtem Ballungsraum Wien ist, da die Stadt bereits eine hohe Besiedlungsdichte aufweist. Hier zeigt sich, dass in Wien viele große Parkplätze vorhanden sind und diese durch die umgebende Infrastruktur weniger verschattet werden als der Durchschnitt, was aus energetischer Sicht positiv zu bewerten ist. Letztendlich war unklar, ob Großparkplätze tatsächlich mit einigen wenigen Unternehmensbranchen in Verbindung gebracht werden können, weshalb wir sowohl Branchen in großer Anzahl, als auch in großer Nähe zu Großparkplätzen untersucht haben. Das Ergebnis zeigt, dass die Wahrnehmung mit den berechneten Daten übereinstimmt. Jene Unternehmen, wo beide Aspekte zutreffen, sind unter anderen Unternehmen der Branchen des Einzelhandels mit Lebensmittel, des Elektrohandels und des Handels mit Automobilen.

Welches Potenzial haben Großparkplätze im Zusammenhang mit der Gewinnung von Solarstrom?

Unsere Berechnungen zeigen, dass auf Österreichs Großparkplätzen insgesamt 4,2 TWh Energie erzeugt werden könnte. Eine Realisierung von Energieparkplätzen in Österreich käme beinahe einer Verfünffachung der aktuellen Photovoltaikproduktion von 0,9 TWh in Österreich gleich. Mit der auf den Großparkplätzen gewonnenen Photovoltaikenergie könnten rechnerisch 1,39 Millionen Elektroautos bzw. ein Fünftel aller in Österreich betriebenen KfZ mit einer jährlichen Laufleistung von 15.000 km versorgt werden.

Wo gäbe es konkrete Anwendungsmöglichkeiten?

Umsetzungsmöglichkeiten gibt es viele, denn in Österreich gibt es weit mehr als 15.000 Großparkplätze und es entstehen laufend neue. Parkplätze könnten zukünftig zu Energieparkplätze umgewandelt werden  und so aktiv zur Energiewende beitragen. Prinzipiell eignet sich jeder Parkplatz zur Energiegewinnung mit Photovoltaik. Aktuell sehe ich die Herausforderung der Realisierung allerdings nicht in der bloßen Entwicklung von Parkplatzüberdachungen, die gibt es nämlich bereits, sondern viel eher in der Gestaltung und Adaption dieser Anlagen an gesellschaftliche und ökologische Anforderungen.

Wo würden die Herausforderungen bei der Umsetzung liegen?

Hier muss die Forschung noch einen Schritt weiter gehen und das komplexe System Stadt/Parkplatz/Energie/Umwelt tiefergehend erforschen. Man hat aktuell keine Informationen darüber, wie sich Menschen Energieparkplätze vorstellen. Welche Materialien können zur Anwendung kommen? Welche Aspekte müssen zur Vermeidung von sogenannten „Angsträumen“ berücksichtigt werden? Welche Synergien können sinnvoll genutzt werden? Welche Dienstleistungen sollten angeboten werden? Hier gibt es noch viele Aspekte die man näher betrachten muss.

Gibt  es bereits Ansätze in diese Richtung?

Einen ersten Schritt in diese Richtung macht das Projekt Syn[En]ergy, in dem neben der Ermittlung städtischer Freiflächen zur Photovoltaiknutzung auch soziale, ökologische, landschaftsarchitektonische, städtebauliche, technische und ökonomische Aspekte berücksichtigt werden. Weiters zeigt unsere Studie einen deutlichen Zusammenhang zwischen Parkplätzen mit einem solaren Erwartungspotenzial und Unternehmen aus den Branchen des Einzelhandels mit Lebensmitteln, des Elektrohandels und auch des Handels mit Automobilen. Um das Potenzial zu heben und die Bedürfnisse der Branchen zu adressieren, wäre es zum Beispiel sinnvoll, Kontakte zu jenen Unternehmensbranchen auf- und auszubauen, die im Besitz von Großparkplätzen sind und gemeinsam Schritte zur Realisierung zu entwickeln.

Wie geht’s jetzt mit den Ergebnissen weiter?

Es gibt bereits gute Kontakte zu mehreren Unternehmen, die an den Ergebnissen interessiert sind. Doch der Stand des Wissens sollte noch deutlich ausgebaut werden, bevor solche Projekte in großer Anzahl realisiert werden. Neben rechtlichen Unsicherheiten bestehen noch viele weitere offene Punkte. Diese betreffen z.B. soziale Aspekte, wie die Veränderung der wahrgenommenen Landschaftsqualität, Gestaltungspräferenzen, ökonomische Möglichkeiten etc. die letztlich zusammen Auswirkungen auf die soziale Akzeptanz der Bevölkerung, der Gemeinden und der Betreiber haben. Um diesen Herausforderungen zu begegnen könnten beispielsweise in bestehenden Förderprogrammen Mittel für die Erforschung dieser Aspekte bereitgestellt werden oder aber auch neue Förderprogramme entwickelt werden, die speziell auf diese Bedürfnisse eingehen.

 

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Quelle: Energieleben Redaktion

Foto: Boris Salak

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