Wenn in Wien die Lichterketten glitzern, der Duft von Vanillekipferln durch die Küchen zieht und die Stadt in den Feiertagsmodus gleitet, zeigt sich das auch im Stromverbrauch. Doch das Verbrauchsverhalten der Wiener*innen rund um Weihnachten hat sich über die Jahrzehnte deutlich verändert und erzählt viel über gesellschaftliche Entwicklungen, Traditionen und neue Routinen.
Die historische „Ganslspitze“: Als der Stromverbrauch zu Mittag explodierte
In den 1950er- und 1960er-Jahren war der höchste Strombedarf des Jahres ausgerechnet am 24. oder 25. Dezember zu beobachten. Der Grund war so einfach wie köstlich: die Weihnachtsgans.
Zur Mittagszeit liefen unzählige Backrohre gleichzeitig auf Hochtouren und die sogenannte „Ganslspitze“ wurde zum liebevollen Begriff für diesen markanten Ausschlag im Stromverbrauch. Weihnachten war ein Tag intensiver häuslicher Aktivität, und das spiegelte sich direkt im Energiebedarf wider.

Der „Karpfenpegel“: Ein fast vergessenes Kapitel Wiener Haushaltstradition
Noch weiter zurück reicht eine andere, heute fast mythisch anmutende Spitze: der „Karpfenpegel“.
In einer Zeit, die viele nur noch aus Schwarz-Weiß-Fotos kennen, wurde der Weihnachtskarpfen rund eine Woche vor dem Heiligen Abend in der frisch geschrubbten Badewanne gehalten. Das sollte ihm den modrigen Geschmack nehmen und für Kinder war es ein kleines vorweihnachtliches Spektakel.
Für die Wiener Wasserwerke hingegen bedeutete es einen spürbaren Mehrverbrauch: Der regelmäßige Wasserwechsel ließ den Wasserschwund in den Haushalten deutlich ansteigen.
Heute: Der Feiertagseffekt ersetzt die Ganslspitze
Aktuelle Analysen von Wien Energie zeigen ein völlig anderes Bild. Während der Strombedarf im Winter generell steigt, sinkt er zwischen 24. Dezember und 6. Jänner im Schnitt um rund 15 Prozent im Vergleich zu regulären Dezember-Werktagen.
Der Grund:
- Viele Menschen nehmen Urlaub.
- Büros und Geschäfte bleiben geschlossen.
- Ein großer Teil der Wiener*innen verbringt die Feiertage außerhalb der Stadt.
Der höchste Energiebedarf des Jahres liegt daher nicht mehr an den Feiertagen selbst, sondern in den Tagen davor und danach.
Ein Beispiel aus dem Vorjahr:
- 29. Dezember 2024: niedrigster Strombedarf des Monats
- 25. und 26. Dezember: ebenfalls sehr niedrige Werte
- 7. Jänner 2025: erster Arbeitstag – Verbrauch rund 30 Prozent höher
Mit dem Neustart des Alltags erwacht auch der Energiehunger der Stadt.
Und in den Haushalten? Dort bleibt Weihnachten energieintensiv
Während der Gesamtbedarf der Stadt sinkt, steigt der Verbrauch in einzelnen Haushalten deutlich an. Wer Weihnachten zuhause feiert, benötigt im Schnitt rund 50 Prozent mehr Strom als an einem üblichen Dezembertag.
Die Gründe sind vertraut:
- intensives Kochen, Braten und Backen
- festliche Beleuchtung
- längere Nutzungszeiten von Unterhaltungselektronik
- mehr Menschen gleichzeitig zuhause
Die klassische „Ganslspitze“ gibt es also nicht mehr – aber der Feiertagseffekt ist heute breiter, vielfältiger und stärker von gesellschaftlichen Rhythmen geprägt als von einzelnen Traditionen.
Traditionen ändern sich – der Energiebedarf auch
Vom Karpfen in der Badewanne über die Gans im Ofen bis hin zum modernen Feiertagseffekt: Wiens Energieverbrauch rund um Weihnachten erzählt eine kleine Kulturgeschichte der Stadt. Energieverhalten ist immer auch ein Spiegel unseres Lebensstils und der verändert sich stetig.
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