Dieser Artikel wurde am 27. Mai 2012 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!Dank Machiavelli sind viele Begriffe mit falschen Bedeutungen besetzt, hat kleinbürgerliches Halbwissen die Welt mit Bannworten besetzt.…
Dieser Artikel wurde am 27. Mai 2012 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Dank Machiavelli sind viele Begriffe mit falschen Bedeutungen besetzt, hat kleinbürgerliches Halbwissen die Welt mit Bannworten besetzt. Längst jedoch hat sich das etabliert, was der Bürger so fürchtete.

 

Eine Genossenschaft ist gelebte Anarchie

 

„Anarchia“, die Herrschaftslosigkeit meint keinesfalls das Chaos und Sodom und Gomorra, sondern lediglich die Abwesenheit des – absolutistischen – Herrn. „Anomie“ wäre die Abwesenheit von Regeln, Sitte und Moral. Eigentlich sollte also eine Demokratie gelebte Anarchie sein. Seit Machiavelli und seiner Lehre vom guten König (Fürsten) glaubt der Bürger, das Demokratie ihm Teilnahme an der Herrschaft erlaubt. Weit gefehlt. Die freie Wahl des Herrschers stand zuerst ohnehin nur ausgewählten Großbürgern, in den USA immer noch nur eingetragenen, zugelassenen Wählern und in der Schweiz erst seit einem Jahrzehnt wenigstens auch allen Frauen zu. Nach wie vor können in den Demokratien nur Parteien gewählt werden, von denen es auch möglichst wenige in das Parlament schaffen. Diese vertreten jedoch nicht den Wähler, den Bürger, sondern jeweils bestimmte Gruppen, die darum buhlen, das Volk beherrschen zu dürfen. Hier ist Betrug, Täuschung und Verstellung nicht nur erlaubt, sondern scheinbar auch gewünscht. Man verspricht den Menschen Brot und Spiele und liefert am Ende Krieg, alternativlos. Bisher entpuppt sich jede Demokratie als Fortsetzung der Monarchie, nur mit einem scheinbar frei gewählten König.

In allen archaischen Gesellschaften bleibt jedes Mitglied stets gleich und frei. Wie in der heutigen Genossenschaft hat jeder Genosse gleiches Gewicht, egal wie hoch sein – zum Beispiel finanzieller – Beitrag ist. Es fehlt die Herrschaft, jedoch nicht das Gesetz. Genau das ist der Sinn der Anarchie.

Archaik ist auch nur in den Augen des kleingeistigen Spießers die gruselnde Herrschaft der Gewalt. „Archaikos“ ist der jedoch „anfänglich“, der Beginn, laut Christentum das Paradies. So wie jede Natürlichkeit als Schmutz bezeichnet wird, verschanzt man sich auch gern hinter all den Lügen der „demokratischen“ Politik, in einer so verlogenen Welt, dass man den Kollaps auch nicht spürt. Glauben regiert nun über Wissen und der Bürger folgt dem Fetisch in den Abgrund.

 

Manche Menschen verharren aus Angst vor der Natur in ihren Gärten

 

Mit der Verstädterung der Landschaften und der Vertreibung der letzten Höfe aus dem Zentrum des Dorfs hatte das künstliche System über die letzten Reste bäuerlicher Landwirtschaft gesiegt. Landwirte müssen sich heute entschuldigen, wenn sie am Sonntag auf ihre Felder fahren, wenn in der Erntezeit auch nachts der Lärm der Maschinen die Idylle stört. Vielerorts ist das Dorf so sauber in Folie verpackt, wie die Lebensmittel im Supermarktregal. Erst langsam entdecken immer mehr  Menschen, dass die Verpackung betrügt. Je sauberer der Anschein ist, desto mehr Schmutz in Form von chemischem Naturersatz steckt dahinter. Das ganze Trugbild der hochglänzenden Prospekte, der Lügengebilde der Werbespots wird nach und nach entlarvt. Dabei verlieren auch die Parteien an Glanz, verlieren ihre Hüllen, die genau diese Lügen mitgetragen haben, genau diese Kunstlandschaften versprachen. Noch harren viele Menschen in ihrer Traumwelt und hoffen, dass ein guter König ihnen eine neue verschafft, dass das Unglück an ihnen vorbeigeht.

Hinter all den Fassaden jedoch ist die heile Welt in Teilen auf Generationen zerstört, die Natur durch künstliche Landschaften, Plantagen, Tagebauwüsten oder Abraumhalden verdrängt. Der Bürger, der die Macht gewählten Vertretern und von ihm finanzierten Konzernen übertrug, fühlt sich nicht schuldig. Das ist ein Problem der Demokratie.

Die Anarchie verteilt die Macht, das Risiko und die Verantwortung unteilbar auf Alle. Vor dieser Verantwortung fürchtet sich der ängstliche Kleinbürger, vor der Macht der Menschen der Fürst. Beide scheinen diesen Weg zurück zu der archaischen Gleichheit allen Lebens nach Kräften zu blockieren. Der Bürger will nicht schuldig sein, an dem, was er selbst angerichtet hat, der Fürst nicht auf die Macht verzichten, die Schuld auf andere schieben zu können.

 

Nachhaltigkeit ist Anarchie

 

Nur mit einer archaischen Wahrnehmung der Realität des Lebens auf Augenhöhe mit allen Wesen kann Nachhaltigkeit entstehen. Jede Chance eine Alleinherrschaft zu erreichen korrumpiert ein Wesen, umso mehr, je mehr es denken kann. Achtsamkeit, Respekt und Würde sind archaische und anarchische Qualitäten, die nur wenige Völker noch kennen, die auf Augenhöhe, als gleiche Partner in ihrer Mitwelt leben. In dem Augenblick, als der Mensch auf die Idee kam, dass er der Herrscher dieser Welt sein könne, hat er Nachhaltigkeit verlassen. Die Anarchie war zur Demokratie geworden, die Wahlberechtigten wählten ihre Herrscher, die schließlich diese Herrschaft mit absolutistischer Macht etablierten. Selbst die ersten Fürsten, Häuptlinge (Herzöge, weil sie auf dem Kriegszug vor den anderen „herzogen“) Könige, ja Päpste wurden – und werden – gewählt. Erst mit der Einführung einer Religion, die eine Regentschaft durch Geburt legitimierte, entstand der vererbbare Adel. Dass jedoch wache Menschen sich einen Herrscher wählen, der sie sodann brutal beherrscht, ist ein Zeichen – noch – fehlender Intelligenz. Nach wie vor sind es die „Kleinbürger“, die auch in 1933 glaubten, ein Paradies zu wählen, die bestimmen, welcher König sie regiert. Mit ihrer Stimme geschieht dies in viel zu langen Abständen und mit ihrem Geld, das sie als Steuern oder Einlage bei einer Bank ihren Fürsten anvertrauen ohne jede Kontrolle.

Auf genau diese Weise sind zahlreiche Kulturen sehenden Auges, aber trotzdem blind ins Verderben gefahren. Nur einige anarchische Kulturen haben zehntausende Jahre harmonisch mit der Mitwelt existiert, nachhaltig gewirtschaftet und gelebt. So die San in Südafrika und die Aborigines in Australien. Diese Harmonie endete jäh mit dem Eintreffen der Eroberer, dem homo economicus. Dieser fühlt sich – von einer Mehrheit der Wahlberechtigten – legitimiert, alles, was ihn nicht gewählt hat trotzdem zu unterwerfen.

 

Nachhaltigkeit ist archaisch

 

Nach der archaischen, der alten Zeit kam die Neuzeit, die aus dem Kreislauf der Natur einen „geraden“ Weg machte, die vom Ort der Gleichheit mit der Welt fort schritt. Dieser Fortschritt braucht angeblich auch ein stetes Wachstum, was wiederum nicht Nachhaltig sein kann. Zwar scheint auch unser Universum stetig zu wachsen, jedoch soll es auch hier ein Ende geben, das Ende an dem es wieder schrumpft. Wohin der Fortschritt führen, wie lange denn das Wachstum anhalten soll hat bisher niemand beantwortet. Die gesamte Evolution wird als Fortschritt begriffen, die Entwicklung der Welt als Wachstum gedeutet. Dass es sich lediglich um eine stetige Veränderung, eine sich immer weiter aufeinander einstellende Anpassung allen Lebens aneinander und an die sich auch stetig verändernden Umstände der gesamten Welt – einschließlich des Sonnensystems, der ganzen Milchstraße und dem Rest des Universums – handelt, was nicht unbedingt Wachstum oder sich entfernen bedeuten muss ist der große Irrtum.

Das Nachdenken – möglichst aller Menschen – über Nachhaltigkeit verlangt zuerst ein Verlassen aller bisherigen Wege, ja Sackgassen. Es verlangt ein Infrage stellen aller bisherigen Denkweisen, die uns ja genau dahin geführt haben, wo wir jetzt stehen, vor dem Abgrund. Es bedarf nicht der schnellen Entschlüsse, auf Basis der falschen Methoden. Es braucht jetzt ein achtsames Zuhören, ein respektvolles Hinsehen und wahrnehmen der Würde allen Seins. Der gewählte, aber nur auf seinen eigenen Vorteil, den Erhalt der verliehenen Macht bedachte Führer ist nicht der richtige Partner auf dem Weg aus der Krise. Es braucht jetzt das Wort, die Ideen, die Gefühle aller Menschen, ständig und nicht im Turnus der Wahlen (siehe auch das Buch von David Graeber: „Schulden“).

Zurück auf Anfang heißt die Devise, zurück auf die „Arche“ – den Wortstamm von „archaisch“ und „Anarchie“. Wie oft hat die Menschheit dies schon gedacht, doch nie wieder wirklich getan.