Dieser Artikel wurde am 17. August 2014 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!Bioenergiedörfer werden, nach dem ersten dieser Art – dem Dorf Jühnde in Niedersachsen – Gemeinden genannt, die…
Dieser Artikel wurde am 17. August 2014 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Bioenergiedörfer werden, nach dem ersten dieser Art – dem Dorf Jühnde in Niedersachsen – Gemeinden genannt, die mindestens den eigenen Strombedarf und mindestens die Hälfte der benötigten Wärme aus lokalen regenerativen Quellen erzeugen und das genossenschaftlich.  Ebenfalls zwingend ist, dass Biogas nicht vorwiegend aus Maissilage hergestellt wird. Im Grunde also ist das Bioenergiedorfkonzept der erste Schritt zu einer nachhaltigen Entwicklung, nicht nur auf dem Lande, sondern grundsätzlich, da es auch in Städten.

 

Hauptbedingung ist die Gemeinsamkeit

 

Derartige Konzepte – insbesondere auf dem Lande – lassen sich nur in der Gemeinschaft, in der Regel genossenschaftlich organisiert, umsetzen. Hintergrund ist zum Beispiel die Ökonomie – eigentlich ein Nachhaltigkeitsverhinderer – da die anfängliche Investition sich nur dann rechnet, wenn alle Abnehmer auch an der oder den Anlagen beteiligt sind. Das ist ohnehin die Grundbedingung für Nachhaltigkeit, weil sonst, wenn nämlich externe Investoren – gar die Energiekonzerne – Eigentümer der Anlagen wären, weiterhin Kapital aus dem Ort flösse. In den mehreren Hundert Gemeinden, die die Bedingungen erfüllen, bleibt alles Geld, das für die Energiegewinnung aufgewendet wird, im Ort. Der Erfolg ist, dass die Bürger weniger als die Hälfte als zuvor für ihre Wärme bezahlen und zusätzlich von dem Verkauf des überschüssigen Stroms profitieren. Damit sind die Bedingungen für die Ökonomie und das Soziale erfüllt, da sich auch die mit der Energieerzeugung verbundenen Arbeitsplätze im Ort befinden.

 

Eine weitere Grundvoraussetzung – Ökologie

 

Das – vom IZNE (Interdisziplinäres Zentrum für Nachhaltige Entwicklung) der Universität Göttingen – für das erste Bioenergiedorf Jühnde (seit 2005) im Jahre 1999 erarbeitete Gesamtkonzept sieht einen grundsätzlich ökologischen Anbau der erforderlichen Energiepflanzen vor. Jühnde erhält von einem Biogas-Blockheizkraftwerk die Grundlast der Wärme – und den nebenbei erzeugten elektrischen Strom – und die Spitzenlast im Winter von einem Hackschnitzelheizwerk. Die Hackschnitzel fallen ohnehin jährlich bei der Knick-, Wald- und Straßenbegleitgrünpflege an.

Die Energiepflanzen werden auf Flächen angebaut, die – bisher – nicht für den Anbau von Nahrungsmitteln, dazu gehören auch Viehweiden – genutzt wurden, den damals noch üblichen Stilllegungsflächen, Brachflächen und – seit neuem auch – auf kontaminierten Flächen, die also sonst nicht genutzt werden können. Auf diesen Flächen wird eine Vielzahl von Pflanzen angebaut, bis zu vier gleichzeitig, und das im Zweitkultursystem. Nachdem die „Winterung“ spätestens im Juni geerntet wurde, werden die Sommerfrüchte ausgesät und im Oktober geerntet. Die Ausbeute an Biomasse je Hektar ist damit – je nach Bodenqualität – weitaus größer, als bei den leider üblichen Mais-Monokulturen.

Eine weitere – ökologische – Verbesserung ist der völlige Verzicht auf Chemie und auf das – ohnehin völlig unsinnige – Pflügen der Äcker nach der Ernte. Die Saat wird stets direkt in die Stoppelfelder eingebracht, wodurch nicht nur alle Nährstoffe der Vorpflanzen genutzt werden, sondern auch die sinnlose Erosion, die jährlich Millionen Hektar Ackerland vernichtet, verhindert wird. Auch alle Lebewesen dürfen im Boden verbleiben und diesen helfen zu verbessern. Nach nunmehr fast zehn Jahren Erfahrung attestieren die Wissenschaftler der Unis Kassel – Witzenhausen und Göttingen den Böden eine herausragende Qualität, weitaus besser als zuvor – in herkömmlicher „Zerstörungs-Nutzung“.

 

 

Der nächste Schritt zu Nachhaltigkeit- der Ausbau der Gemeinschaft

 

 

Aus dem zwangsläufig entstehenden Erfolgserlebnis in der Gemeinschaft, dieses Projekt umgesetzt zu haben und die Erkenntnis des ökonomischen und sozialen Nutzens entsteht in diesen Gemeinden ein neues „Wir-Gefühl“. In vielen dieser Dörfer, besonders aber in den Stadtquartieren, gibt es dieses Empfinden seit Jahrzehnten nicht mehr. Ist es aber erst einmal geweckt, entdecken die Menschen, was sie alles vermissen, beziehungsweise, was völlig aus dem Ruder gelaufen ist.

In den Dörfern beginnt dieses mit der Grundversorgung. Zumeist sind die kleinen Lebensmittelläden, Schuster, Schneider, Kolonialwarengeschäfte und oft gar der Gasthof aus dem Ort verschwunden. Besonders alten Bürgern fällt es schwer, regelmäßig zu den neuen „Einkaufszentren“ zu fahren. Also beschließt die neue Genossenschaft – eben die Dorf- bzw. Kiezgemeinschaft – einen Dorfladen einzurichten, der die Grundversorgung sicherstellt. Dazu gehören bald auch eine kleine Apotheke, oder ein Medikamentenlieferservice, ein Dorfcafe, ein Geldautomat der eigenen Volksbank, oftmals auch die Dienste von Schuhreparaturen und Nähservice und schließlich auch eine – zumindest tageweise besetzte – Arzt- und Zahnarztpraxis. Die Gemeinschaften beginnen also – wieder – für sich selbst zu sorgen, ohne, dass andere – womöglich gar Politiker – dieses für sie leisten – oder eben unterlassen zu leisten.

Ganz zwangsläufig beginnt in diesen Gemeinschaften auch ein System der gemeinsamen Fürsorge zu entstehen, zum Beispiel dadurch, dass die älteren Mitbürger wieder „am Leben“ beteiligt werden. Das führt zu ungeahnter Vitalität, zu Mittagstischen in der – oft neu erstandenen Dorfschule – oder ein kompletter Kinderservice (Kindergarten bis zu 24-Stunden geöffnet). Die jungen Bürger kümmern sich also um die älteren Mitbürger und diese geben diese Fürsorge zurück, durch das, was sie beitragen können. Pflegedienste oder gar Altenheime sind hier völlig überflüssig – weil ohnehin auch volkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Unfug.

All diese „Leistungen“, also das eigentlich normale Dorf- oder Kiezleben, erfolgen natürlich kostenfrei. Alle unsinnigen Leistungen Dritter, die sonst aus Steuermitteln oder zusätzlichen Beiträgen finanziert werden müssen, entfallen vollständig. Probleme mit der Überalterung und andere Auswüchse der Egoismusgesellschaft sind in diesen „nachhaltigen Gesellschaften“ nicht mehr bekannt. Dass dieses nicht irgendein unrealistisches Utopia ist, beweisen weltweit bereits eine Milliarde Menschen, also zehn Prozent der Menschheit, die in entsprechenden Gemeinschaften leben. Grund also zu Optimismus für eine lebenswerte Zukunft.

http://www.kommunal-erneuerbar.de/