Es lässt sich nicht mehr übersehen: Das 21. Jahrhundert ist wieder einmal eine Zeit der Umwälzung. Weltweit treibt die Menschen letztlich der Wunsch nach einer nachhaltigen Zukunft um. Doch ist nicht jede Revolution letztlich gescheitert? Kann ein System, wie die menschliche Zivilisation überhaupt aus sich selbst heraus sich vollständig verändern? Oder müssen wir nach über 2.000, ja vielleicht 12.000 Jahren Revolutionsgeschichte nicht letztlich die Frage stellen: Worum geht es eigentlich?
Fast unbemerkt existieren neben „unserer Kultur der Zivilisation“ Kulturen, die immer nachhaltig waren
Seit Menschen den Begriffen und somit ihrer Fähigkeit in Begriffen zu denken, die Herrschaft über ihre Erlebenswelt gegeben haben, versuchen sie, dieses mit der Wirklichkeit, die sich mit diesen Begriffen nicht beschreiben – also denken – lässt, in Einklang zu bringen. Platon hat diesen Vorgang einmal beschrieben, als ob die Menschen in einer Höhle sitzen, mit dem Rücken zum Ausgang und versuchten, anhand der auf der Höhlenwand sichtbaren Schatten, die Wirklichkeit außerhalb der Höhle zu beschreiben. Dieses Verfahren haben die Menschen in den Hochkulturen, zu denen wir auch unsere Zivilisation zählen, verfeinert, ja vielleicht gar pervertiert. Der Erfolg ist heute, dass wir uns offenbar immer weiter von der Wirklichkeit entfernt haben.
Kulturen, die scheinbar „draußen“ geblieben sind, die die Wirklichkeit noch mit anderen Sinnen, als nur dem in Worte gepressten Verstand aufnehmen, haben offenbar ein harmonisches Verhältnis mit der Umgebung (die wir Natur nennen) behalten. Ohne diesen „emotionalen Faktor“ scheinen wir eben nicht in der Lage zu sein, die Wirklichkeit zu erfassen. Wir grenzen diesen sogar aus, weil wir der Sprache, dem Denken in Begriffen die alleinige Herrschaft über unsere Gedanken übertragen haben. Genau das ist aber das Problem, vor dem wir immer wieder stehen und das jede Revolution, jeden Aufstand gegen das „gefühlte“ Unrecht am Ende wieder scheitern lässt. Seit dem Sklavenaufstand um 70 v. Chr., den Bauernkriegen im 14. Jahrhundert und der französischen Revolution wird nun auch der „arabische Frühling“ wieder an diese Grenze stoßen, zu irgendeiner neuen „Diktatur“ führen.
Wir suchen stets den „guten König“, den wir nach einer gewissen Zeit natürlich wieder stürzen müssen, letztlich weil er ja doch wieder ein König ist.
Wissenschaftler diskutieren wieder den Sinn von Revolutionen, mit dem Rücken zum Ausgang der Höhle
Statt endlich einmal ihren Platz im Elfenbeinturm zu verlassen und sich auch ihr eigenes Denken von außen, weit weg von ihren Begriffsungetümen anzusehen, verbohren sich unsere „Denker“ in spitzfindigen Definitionen und Gedankenspielen. Offenbar liegen sie alle, egal aus welcher „Richtung“ ihre Gedankenkonstrukte sich der Wahrheit nähern, vollständig daneben. Die Erkenntnis, dass sie mit ihren Begriffen das Problem und seine Lösung nun einmal nicht beschreiben können, stellt ja gerade sie selbst und ihr System in Frage.
Warum zum Beispiel gehen Revolution (von lat.: „revolutio“ = zurückwälzen, Umdrehung) und Religion (von lat.: „relegere“ = wieder lesen, im Sinne von „sich (zurück)erinnern“) so oft Hand in Hand oder ineinander über? Geht es hier um eine Rückkehr zu einem Zustand, an den wir uns erinnern und gleichzeitig unser aktuelles Leben als so weit entfernt erkennen? Das „Paradies“ heißt in seiner eigentlichen Bedeutung: „die himmlische Steppe“, also der Bereich der Umgebung außerhalb des künstlich angelegten Gartens (Eden). Dieses war bis zur Sesshaftwerdung für Millionen Jahre unser Lebensraum, so wie er es noch heute für einige „Steinzeitkulturen“ ist.
Das Problem ist das System unserer Kultur selbst
Die Einführung der egoistischen Kulturen vor fast 10.000 Jahren war der Beginn der Abkehr von unserer Umgebung, die wir nun Natur nennen und nicht mehr als Teil von uns betrachten. Das war in der Geschichte der Evolution gerade vor einem Augenblick. Diese Trennung verursacht seitdem einen Stau im freien Fluss der „Energie“ innerhalb des Gesamtsystems unserer Welt. Diesen Stau können wir aber nur emotional aufnehmen, spüren ihn immer stärker und bekommen „Stress“. Der Stau macht uns krank und führt immer wieder zu einer manchmal gewaltsamen Entladung, zu einem Dammbruch. Das ist dann eine Revolution.
Noch haben wir aber – innerhalb unserer Gedankensysteme – stets das Problem, dass der gerade gewonnene freie Fluss der Energie, die Chance zur Wiedervereinigung mit der Umgebung aufgefangen wird von einem neuen „Gedankensystem“, im schlimmsten Fall von einer Religion (oder eben einem anderen derartigen (politischen) System). Den Menschen wird ein guter König – von „Gottes Gnaden“ – präsentiert, der verspricht, diesen nun gewonnenen Zustand der Harmonie zu erhalten. In Ägypten gab es allerdings bereits nach zwei Jahren den nächsten Stau, diesmal direkt durch die Religion.
Solange wir nicht alle unsere Höhle der Begriffe, der gedachten Systeme verlassen und uns die Wirklichkeit „von außen“ betrachten, werden wir immer wieder „gegen die Wand laufen“, denn nach der Revolution ist stets vor der – nächsten – Revolution. Wir müssen endlich die wehmütige Erinnerung an die himmlische Steppe, an den „Du-Charakter“ mit der Umgebung in Einklang bringen mit unserer Form des Lebens. Das kann nicht gelingen in einer wissenschaftlichen Diskussion in der Ebene der Begriffe, sondern nur unter Einbeziehung der so verachteten Emotionen, der gefühlten Verbindung mit dem ganzen Rest der Umgebung. Solange das nicht gelingt, hat Nachhaltigkeit keine Chance.
http://taz.de/Debatte-Nachhaltige-Zukunft/!119348/
http://www.zeit.de/2013/27/protestbewegung-tuerkei-brasilien-schwellenlaender-wohlstand