Die Komplexität unserer gesamten Gesellschaften, besonders auch des “Bauens” stört den freien Blick auf das Wesentliche und überfordert alle Beteiligten. Das einfache “Bauchgefühl”, oder der “human level” ist das eigentliche Kriterium, das alle Entscheidungen – und Betrachtungen – leiten sollte.
Dieser Artikel wurde am 26. Februar 2015 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Professor em. Christopher Alexander (Universität Berkley) führte schon Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts den „human level“ als Maßstab für ein Bauen für Mensch und Mitwelt ein. Das sogenannte „Bauchgefühl“ kennt jeder Mensch. Dieses zeigt ihm, ob eine harmonische Stimmung entsteht, zwischen der gebauten Umwelt und seinem Gefühl von Heimat, oder „Beheimatung“. Wie für alle nachhaltigen Entwicklungen sind zu beachten: Achtsamkeit, Respekt und Würde, sowohl für die Menschen, als auch die Mitwelt.

Auch Architekten sind nur Sklaven des Systems

Dass Christopher Alexander sich für die Planung und Realisierung der Eishin Universität in Tokio mehr als 10 Jahre Zeit nehmen konnte, allein um mit Studenten und Lehrern „die Gebäude aus dem Gelände wachsen zu lassen“ ist ein außerordentlicher Vorgang und war nur möglich, weil alle Beteiligten es genauso machen wollten. Der Widerstand der Investoren und des Generalunternehmers waren entsprechend massiv. Ohne diesen gemeinsamen Willen aller Beteiligten ist der Architekt in der Regel einem völlig irrsinnigen Zeit- und Kostenplan unterworfen, was dann natürlich immer wieder zu grotesken Situationen führt, wie bei der Hamburger Elbphilharmonie oder dem Berliner Großflughafen. Das System überfordert Planer und ausführende Baufirmen und erzeugt am Ende ein Chaos, welches letztendlich die – gänzlich unbeteiligten – Bürger bezahlen müssen. Diese sind jedoch, seitdem der freie Markt gänzlich von der Leine gelassen wurde absolut entmündigt und enteignet.
Damit ist natürlich auch jede Diskussion, jede wirklich umfassende Überlegung zu Sinn und Unsinn dieses Treibens unmöglich geworden. Die Architekten, die krampfhaft in dem Egoismussystem ihre Rolle suchen, formale Debatten führen, die mit ihrer eigenen Realität nichts zu tun haben und wie in Trance in der globalen Formensammlung stochern, sind trotz dieser Bemühungen den Gesetzen des Marktes und den Vorgaben der Investoren unterworfen. Neue Stadtviertel, wie am Potsdamer Platz in Berlin, müssen eigentlich unverzüglich gesprengt werden. Hier war nicht Mensch und Stadtraum Maßstab der Gestaltung, sondern allein die Selbstdarstellung – das „Alleinstellungsmerkmal“ – der jeweiligen Auftraggeber. Architekten wurden wieder einmal zu Werbegestaltern degradiert.

Die „normative Kraft des Faktischen“ ist Bullshit

Seit mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung den Menschen eine völlig absurde Idee von „Freiheit“ verkauft wurde, die in Wahrheit nur jeden Einzelnen zu einem hilflosen Sklaven einer grandiosen Geschäftsidee macht, hat das Unheil seinen Lauf genommen. Es ist grundsätzlich völlig unerheblich, ob ein ausgewiesener Diktator einem Staat vorsteht oder eine angeblich „frei“ gewählte Regierung, den Lauf der Dinge bestimmt der Markt, welcher wiederum von einer Handvoll „Mafiapaten“ gelenkt wird. Selbst hochgebildete Akademiker handeln – und denken – blind und „wie auf Droge“ und machen sich zu willenlosen Vollstreckern des Grauens.
Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit und ist ein Grundsatz, den Karl Marx so erkannte, den ihm aber auch jeder „noch normale“ Mensch Asiens, Afrikas oder des – noch unbesetzten – Amerikas hätte diktieren können. Alles Leben, alles Sein in diesem Kosmos ist dem Austausch aller Teile untereinander unterworfen und jeder „Ausbruch“ aus der grundlegenden Gemeinschaft wird mit dem Grauen bestraft, dem die Menschen nun gegenüberstehen. Das Absurde an diesem Umstand ist, dass sie sich in der Tat wie willenlose Narren verhalten, ohne die Einsicht, die selbst eine Ameise als Maxime kennt. Der Zwang, dem sie sich unterwerfen, ist eine Illusion, ein faustischer Pakt, der auch noch ihnen selbst schadet. Von außen betrachtet ein unerhörter Vorgang. In Wahrheit herrscht in allen „zivilisierten, demokratischen Staaten“ ein permanenter Bürgerkrieg, der im Ursprungsland des Irrsinns, den USA, jeden Tag über 80 Menschen das Leben kostet – auf offener Straße erschossen.

Stille Verweigerer unterhöhlen die Macht der Droge – oder Droge der Macht

Zahllose, auch „namhafte“ Architekten entziehen sich den Zwängen des Systems und verzichten damit in der Regel auf „Erfolg“ oder gar ein auskömmliches Einkommen. Wenn sie, wie Alvar Aalto (Finnland), Tadao Ando (Japan) oder Mario Botta (Italien) mit einem gestalterischen Weg der Gegenbewegung zum Internationalen Stil Erfolg haben, ist das ein Zeichen, dass es möglich ist, das Diktat der Rendite zu brechen. Andere, wie Carlo Scarpa in Italien wären fast an den Anfeindungen, insbesondere der „Kollegen“ zerbrochen. Viel wichtiger sind aber die vielen namenlosen „Gestalter“, die im Grunde genau das unterlassen, den Versuch der Umgebung – und den Menschen – eine Gestalt aufzupressen. Sie helfen vielleicht den Menschen sich von den unsinnigen Vorstellungen irgendeiner grandiosen Formensprache zu lösen und einfach nur an ihrem Ort zu schauen und zu erspüren, was hier wie gebaut werden sollte, um die jeweilige Funktion zu erfüllen, ohne die Mitwelt zu stören. Fachleute, die alles benennen müssen, nennen das vielleicht „Traditionelle Architektur“ oder „volkstümlichen Regionalismus“, doch muss man diesen Bullshit ignorieren. Der Ort, die Funktion und die jeweiligen Menschen, als Bewohner oder Nutzer bestimmen die Form. Das Material liegt oder wächst am Ort oder in der „Region“, fertig. Damit sind auch alle Anforderungen des Klimas an das Gebäude bestimmt. Jeder Ausbruch aus der grundsätzlichen Harmonie verursacht bei den Menschen schon durch das Ansehen Schmerzen, im schlimmsten Fall macht sie die Nutzung, das Bewohnen krank, bis hin zum Tod.
An vielen Orten in Europa und den USA wird – im Stillen – noch und wieder richtig gebaut. In den Ländern, in denen die noch lange vorhandenen nachhaltigen Strukturen zerstört wurden, in den alten Kolonien lernen die Menschen – manchmal unter Anleitung europäischer Architekten – ihre Heimat wieder herzustellen. „Das Haus macht keine Faxen“ war ein Ausspruch des Architekten und Schriftstellers Max Frisch. Genau das muss man von jedem Gebäude erwarten. Es muss so erscheinen, als habe es schon immer an diesem Ort gestanden oder als gehörte es eben genau hier hin.
http://community.zeit.de/user/volker-marx/beitrag/2010/11/21/feng-shui-oder-die-krise-der-architektur
www.archplus.net/download/artikel/1661/
http://www.arch.ksu.edu/seamon/Seamon_Alexander_Battle.htm