Vor über dreißig Jahren wurde die Republik Freies Wendland ausgerufen, als Protest gegen das Atommüllzwischenlager Gorleben. Aus diesem Protest und der Auseinandersetzung mit der konventionellen Erzeugung von Energie war diese Region prädestiniert, neue Wege zu suchen (http://www.bioenergie-region-we.de/).
Es braucht ein anderes Denken um nachhaltig zu leben
In den teilweise fast entvölkerten Dörfern des Wendlandes, dass bis zur Wende 1990 an drei Seiten durch die Grenze zur DDR eingemauert war, ist seit den siebziger Jahren eine andere Kultur entstanden. Aussteiger und Künstler aus der ganzen Republik hatten sich hier angesiedelt, besonders günstig alte Resthöfe erstanden und ein Leben jenseits der industriellen Konsumdiktatur geprobt. Hier wurde schon ökologisch angebaut und alternative Lebensformen gelebt, während im Rest der Republik der extreme Neokapitalismus zur Höchstform auflief. Jedes Jahr im Spätherbst, wenn der Castor wieder einmal nach Gorleben rollt, macht die Region mobil und international von sich reden. Seit den achtziger Jahren wird zusätzlich zwischen Himmelfahrt und Pfingsten die „kulturelle Landpartie“ veranstaltet und lockt Tausende zu einem nun friedlichen Treffen in all den Dörfern, Städtchen und auf den liebe- und phantasievoll restaurierten Höfen. Wer möchte, kann auch seit 1980 einen Pass der Republik Freies Wendland erwerben, als Dokument seiner Haltung, eben anders zu sein (http://www.kulturelle-landpartie.de/). http://www.castor-nix-da.de/diskus/sonst/chronologie.html#2004
Aus dem Wiederstand zum Vorreiter
Inzwischen ist eine weitere Generation an Castorgegnern herangewachsen, die nun schon in einer neuen, alternativen Kultur aufgewachsen ist. Der Protest gegen den Atommüll hat zudem Menschen zusammengebracht, die andernorts Probleme haben, auch nur zusammen zu diskutieren. Hier brechen auch konservative, bürgerliche Wähler ganz bewusst Gesetze und dokumentieren ihre Wut gegenüber einer Regierung, die noch nie den Menschen, sondern allein den Profit im Blick hatte. Wie – leider – immer wachen die Menschen nur dann auf, wenn sie unsanft geweckt werden. Das kleine – aber stetig wachsende – renitente Volk der Wendländer ist nun seit dreißig Jahren hellwach. Hier wird der Zusammenbruch der industriellen Kultur mit einer wirklich erstaunlichen Leichtigkeit – und Humor – zelebriert und schmunzelnd ein neuer, anderer Weg beschritten. Dabei können alle staunenden Gäste sehen, wie einfach und problemlos ein Wechsel aus dem angeblich alternativlosen Weg, den unsere willen- und phantasielosen Regierungen uns aufzwingen wollen in ein nachhaltiges Leben erfolgen kann. Die Subkultur der siebziger Jahre hat hier gezeigt, dass ihre Ideen absolut richtig waren. Die – noch – bürgerlich denkenden Mitbürger, deren Geld inzwischen irgendwo auf dem Weg nach oder von Griechenland oder irgendwelcher mafiöser Projekte verbrannt wurde, die plötzlich Sorge um ihre Energieversorgung, ihre Gesundheit, ja die Zukunft ihrer Kinder haben, müssen zugeben, dass diese Subkultur nun zur Leitkultur wird. Schade um mindestens eine vergeudete Generation.
Mit gutem Beispiel vorangehen
Wahrscheinlich haben alle Menschen auf diesem Planeten schon lange ein ungutes Gefühl im Bauch, können sich aber oft nicht erklären, warum. Sie fühlen, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Leider wird ihnen bisher nicht geholfen, nicht in der Schule, nicht auf der Universität und schon gar nicht in den gängigen Medien. Man muss leider feststellen, dass seit fast 50 Jahren die Menschen zu maximaler Schädigung, Ausbeutung ihres Heimatplaneten erzogen werden. Der Schaden, den sie in dieser kurzen Zeit angerichtet haben, ist für die letzten Millionen Jahre ohne Beispiel. Im Wendland wird versucht – gegen die bestehenden Lehrpläne – ein anderes Bewusstsein zu vermitteln und zu leben. Dass hier oft die bestehenden Gesetze, Verordnungen und Regularien nicht greifen, haben die Behörden, die Polizei akzeptieren gelernt, vielleicht in der Hoffnung, dass sich auf dieser Insel der Schaden begrenzen lässt. Dass sich inzwischen weltweit ähnliche Kolonien entwickeln, dass Ideen und Erkenntnisse dieser alternativen Kultur auch an anderer Stelle wachsen, ließ sich aber nicht vermeiden.
Die Wendland-Akademie für Erneuerbare Energien
Seit 2008 bietet die Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften im Wendland auch einen Master-Studiengang für Erneuerbare Energien an. Hier können in einem online-Studium Interessierte vom Ingenieur bis zum Handwerksmeister, vom Landwirt bis zum Leitenden Angestellten alles über erneuerbare Energien erfahren und einen Master of science Abschluss erhalten (http://www.akademie-ee.de/startseite.html?&L=0).
Zu dem Fernstudium gehören 27 Präsenstage, in der Regel an Wochenenden, die auch mit Besichtigungen der vielen verschiedenen Anlagen in und um Lüchow und Dannenberg bereits Wärme, Strom, Biodiesel und Biogas erzeugen. Die Erzeugung soll hier besonders unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten erfolgen, weshalb auch der Verkehr einbezogen ist. Der im Wendland hergestellte Biodiesel wird schon lange auch exportiert, in die ganze Republik. Biogas wird, sofern es nicht lokal genutzt wird, in das Erdgasnetz eingespeist und kann auch an bereits 2 Tankstellen „getankt“ werden (http://www.biogastankstelle.de/index.php?option=com_content&view=frontpage&Itemid=100001). Bei einem Preis von einem Euro je Kilogramm sparen Biogasnutzer fast die Hälfte je Kilometer und haben bereits nach kurzer Zeit eventuelle Mehrkosten für eine Umrüstung – oder ein Gasauto – hereingeholt. Wiederum ein Beweis, dass nachhaltiger Klimaschutz auch den Menschen wirtschaftlich hilft, sofern Energie nicht mehr importiert wird, sondern lokal erzeugt die gesamte Wertschöpfungskette am Ort belässt.
Das Wendland wird somit zu einer Beispielregion, die beweist, dass die nachhaltige Energiewende letztlich nur erfolgt, wenn die Menschen, also die Bürger die Sache selbst in die Hand nehmen. Von Seiten der Politik kamen und kommen bisher keine wirklich ernsthaften Aktionen, außer den unsinnigen Versuchen, den großen Konzernen einen Weg zu alternativen Energieformen zu ebnen. Da diese bisher – weil die Subventionen noch nicht hoch genug sind – nicht bereit sind, diesen neuen Weg zu gehen und eigentlich nur auf das Scheitern der „offiziellen Energiewende“ warten, um dann ihre alten Atomanlagen wieder in Betrieb nehmen zu können, wird es auch weiterhin Sache der Bürger sein, die Politik und die Konzerne zu übergehen.