Dieser Artikel wurde am 26. Januar 2012 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!Das Interdisziplinäre Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der Universität Göttingen (IZNE) stellte in einer Fachtagung am 24. und…
Dieser Artikel wurde am 26. Januar 2012 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Das Interdisziplinäre Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der Universität Göttingen (IZNE) stellte in einer Fachtagung am 24. und 25. Januar den Stand der nachhaltigen Entwicklung im Bereich der Bioenergienutzung vor. Das IZNE war Initiator und Begleiter des Projekts: „Bioenergiedorf Jühnde“.
(http://www.izne.uni-goettingen.de/; http://www.bioenergiedorf.de/con/cms/front_content.php?idcat=13)

Die Potenziale der Bioenergie sind lange nicht ausgeschöpft

Bisher werden lediglich 17% des Stromes, 9,5% der Wärme und 5,8% der Kraftstoffe in Deutschland aus erneuerbaren Energien gewonnen. Davon entfallen 32% beim Strom und immerhin 92% bei der Wärme sowie natürlich 100% bei den Treibstoffen auf die Biomasse. Das ist insgesamt – leider – immer noch weniger als ein Anfang, aber in der Wahrnehmung vieler Menschen bereits zu viel. Die meisten Bürger unterstützen zwar inzwischen die Energiewende, lehnen es aber vehement ab, in ihrem Ort Windräder oder Biogasanlagen errichten zu lassen. Die Biomasse ist längst in ein Spannungsfeld geraten, das von der Diskussion: „Teller oder Tank“ beherrscht wird.
Diese Probleme zu vermeiden war einer der Anlässe der Gründung des IZNE in 1998. Wissenschaftler aus den Fachbereichen Geowissenschaften, Soziologie, Psychologie, Medizin und Agrarwissenschaften schlossen sich zusammen, entwickelten einen Forderungskatalog für eine wirklich nachhaltige Entwicklung und demonstrierten diese zuerst mit dem erfolgreich abgeschlossenen Projekt eines Bioenergiedorfes. Das Dorf Jühnde bei Niedersachsen erzeugt nun seit sechs Jahren zu 100% die benötigte Wärme und 250% des Strombedarfs aus Biomasse. Die Anlage wird von den Bürgern genossenschaftlich betrieben und der Anbau der Energiepflanzen erfolgt nachhaltig, ökologisch. Der Anteil der Anbauflächen für die Biogaserzeugung liegt unter 20 Prozent der gesamten Ackerflächen, wobei allerdings die Brach- und Stillegungsflächen einbezogen sind.
Deutschlandweit liegt der Anteil der Anbauflächen für Energiepflanzen noch unter 10 Prozent.

Wie bringt man die Erkenntnisse an die Menschen?

Das die Fachleute, sowohl an den Hochschulen als auch in den Ministerien im Detail wissen, welche Wege möglich sind, dass eine vollständige Energiewende bereits seit Jahrzehnten möglich ist, hat sich bisher noch nicht in die Öffentlichkeit durchgesetzt. Mit lang angelegten Studien wird in allen Bereichen daran gearbeitet, bereits angewandte Verfahren zu verbessern, Probleme aufzuzeigen und auszumerzen. Man hat manchmal den Eindruck, dass auch diese Wissenschaftler der Realität „der Märkte“ hinterherlaufen, genau wie die Politiker.
Es werden Verfahren entwickelt, wie den Menschen die Chancen, die besonders in der Bioenergie liegen nahezubringen und verschiedene Modelle sehr schnell auf ihre Wirtschaftlichkeit durchzurechnen sind. Die Wissenschaftler suchen dann Multiplikatoren, die diese Erkenntnisse in die Öffentlichkeit bringen. Die Zeiträume für diese Art des Transports des Wissens liegen im Bereich von Dekaden. Das ist für das Klima, die Wirtschaft, die Gesundheit, ja die längst überfällige Nachhaltigkeit entschieden zu lang.
Die Medien – insbesondere die Massenmedien – müssten längst in ständigen Themenrubriken dieses Wissen und Beispiele gelungener Umsetzungen publizieren und Erkenntnisse diskutieren. Stattdessen wird allenfalls sporadisch und leider nur in Fachpresse und „Bildungsfernsehen“ (3Sat, ARTE) berichtet. Nachhaltigkeit, ja das Überleben der Menschheit, die Zukunft unserer Kinder hat nun mal keine Lobby.

Der Wildwuchs des Marktes zerstört mehr, als er zum Ziel führt

15 Millionen Klein-Brennstellen (Holzöfen, Pellet- und Kaminöfen) in Deutschland verpesten die Luft und vergeuden Millionen Tonnen wertvoller Energie. In mehreren Studien zeigen die Forscher, in welchen Mengen organische und anorganische Emissionen durch unsachgemäße Handhabung und viel zu uneffiziente Verbrennung in die Luft gelangen. Erst in 2015 wird eine neue Kleinanlagen-Feuerungsverordnung verlangen, dass auch der Kaminofen, der Kachelofen und die Pelletheizung die Richtwerte einhalten, die für Großfeuerungsanlagen seit langem verbindlich sind. Das wird allerdings dazu führen, dass die Mehrzahl all der schönen Energievernichter stillgelegt werden muss. Es drohen sonst Verhältnisse, wie im London des 19ten Jahrhunderts.
Das Geld, das Holz, die Bereitschaft zu handeln muss also unbedingt und umgehend gebündelt werden. Statt Geld und Energie in jedem Wohnzimmer aus dem Schornstein zu jagen, müssen moderne Heizkraftwerke entstehen, die immer Wärme und Strom gleichzeitig aus der Biomasse erzeugen und damit die Häuser sodann nachhaltig versorgen. In solchen Anlagen erfolgt die Verbrennung schon fast Rückstandsfrei, hoch effizient, nachhaltig.
Ähnlich verhält es sich im Bereich der Biogaserzeugung. Über 5000 Anlagen in Deutschland fressen primär Mais, vernichten bis zu 60% der Energie und fahren nicht selten in die Insolvenz. Besonders hier werden Millionen Euro vernichtet und letztlich auch Ackerboden, Grundwasser und besonders die Bereitschaft der Bevölkerung zerstört, sich mit dem Thema ernsthaft zu befassen.

Am Ende bleibt ein schaler Geschmack, dass die Wende gar nicht gewollt ist

Seit 40 Jahren ist allen Menschen bekannt, dass die fossilen Rohstoffe endlich sind. Der Verbrauch der letzten Reserven stieg seitdem trotzdem. Seit über 100 Jahren – im Bereich Biogas seit 3000 Jahren – sind alternative Lösungen bekannt, erprobt, umsetzbar. Ebenso lange fließt allerdings ein gigantischer Kapitalstrom an die bekannten Stellen, zu den Energiekonzernen. Wären alle Investitionen nicht in die Ölindustrie, die Kernkraft oder die Agrar- und Lebensmittelindustrie sowie die Chemieindustrie geflossen, sondern in eine nachhaltige Entwicklung müssten sich all die klugen Köpfe jetzt nicht mit der Beseitigung der Schäden dieses Irrsinns befassen. Der Schmerz dieser Erkenntnis wird dann auch gern unterdrückt, verdrängt. Das ist eine ganz normale psychische Reaktion, denn wer will schon mit dem Wissen über eine derartige Dummheit und mit dieser Verantwortung leben?
http://www.bioenergie.uni-goettingen.de/index.php?id=117