Staumauern sind passé. Mit der Strom-Boje hat das österreichische Unternehmen Aqua Libre die Möglichkeit geschaffen, im frei fließenden Wasser Strom zu produzieren. Ich habe ausführlich mit dem Erfinder gesprochen.
Dieser Artikel wurde am 19. April 2013 veröffentlicht
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Vor kurzem habe ich in einem Artikel über Strömungskraftwerke die Strom-Boje von Aqua Libre auf energieleben.at vorgestellt. Nun habe ich mich mit den Entwicklern getroffen, um Näheres zu erfahren zum Kraftwerk selbst, zu seiner Entwicklung und den Personen dahinter. Ich habe mit Fritz Mondl, dem Erfinder und Chefentwickler der Strom-Boje, sowie einem seiner Partner, Richard Mayerhofer gesprochen.

Fritz Mondl (links), Richard Mayerhofer (rechts) vor dem Diffusor der Strom-Boje 3 © Martin Skopal

Martin Skopal: Ich möchte damit beginnen, Sie zu fragen, was die Strom-Boje ist und wie die Idee dahinter entstanden ist?

Fritz Mondl: Die Idee kann nur dann passieren, wenn man sich oft auf der Donau aufhält. Ich bin Wassersportler, und weiß, welche Kraft die Donau hat, weil wir nicht so wie die normalen Paddler mit der Strömung fahren, sondern weil wir gegen die Strömung gerudert sind. Die Idee ist gekommen anlässlich eines Projektes in Hainburg, zu dem es dann nicht gekommen ist; aber die Strom-Boje ist übrig geblieben. Die ist passiert, weil mir dort eine rote Boje gezeigt hat, dass es da eine ordentliche Strömung hat, und es wäre eine Idee, hab’ ich mir gedacht, ein Gebäude, das dort entstehen hätte sollen, mit dieser Energie zu versorgen. Die Idee war gut, aus dem Projekt ist aber nichts geworden. Daher habe ich mich mit aller Kraft um die Strom-Boje kümmern können. Ich habe mich dann bei österreichischen Kleinwasserkraftproduzenten erkundigt, und bin nicht gut angekommen. Die haben gesagt, in der Donau ist kein Gefälle. Die rechnen wieder nur mit Wassermenge und Fallhöhe und daher: Was soll da schon rauskommen?

Martin Skopal: Das heißt, alles, was über das klassische Staukraftwerk hinausgeht – das ist ja die Berechnungsmethode für einen Stau – wurde anfangs nicht akzeptiert?

Fritz Mondl: Nein, die haben die Formel gar nicht gekannt. Es gibt eine Formel für die freie Strömung, aber da sind wir selbst erst später draufgekommen. Die hat sich ein deutscher Ingenieur oder Professor überlegt. Es war im Nachhinein gut, dass diese Kraftwerksbauer nicht mitgetan haben, weil damit die Sache irgendwann einmal zum Sterben verurteilt gewesen wäre. Aktuell ist dann die Geschichte zwei Jahre später geworden, wie ich Leute aus der Windkraft getroffen habe, zwei österreichische Unternehmen, Planer, und die haben gesagt, ok, wir machen eine Firma, wir zahlen was ein, und wir schauen, dass wir Förderungen bekommen, und dann machen wir einmal eine erste Strom-Boje. Das haben wir getan, und so bin ich zum Herrn Mayerhofer gekommen, wegen eines Details, das ich aus Kunststoff machen hätte wollen, und es hat sich herausgestellt, dass man das am besten als Ganzes aus Kunststoff machen sollte.

Richard Mayerhofer: Er ist gekommen, hat ein kleines Modell gehabt, und hat gesagt, er braucht oben eine Markierung, dass man das sieht im Fluss. Wie er nach vier Stunden aus der Tür rausgegangen ist, war das ganze Ding aus Kunststoff.

Die Strom-Boje im Wasser @ Aqua Libre

Martin Skopal: Die Strom-Boje ist jetzt noch im Entwicklungsstadium?

Fritz Mondl: Die ist fertig.

Martin Skopal: Und wartet auf die Genehmigung?

Fritz Mondl: Richtig. Die Strom-Boje ist fertig und ist in jedem Detail völlig neu. Ursprünglich war die Idee, möglichst viele bestehende Teile zukaufen zu können, der Kosten wegen. Diese Idee ist nach zwei Jahren Misserfolgen fallengelassen worden, weil es nichts gibt, das unseren Ansprüchen erstens und andererseits den Erfordernissen der Wirtschaftlichkeit genügt hätte.

Richard Mayerhofer: Da geht es nicht nur um das Gehäuse, da geht es auch um den Generator, um den Rotor, da gehts um die Kette, um die Elektrik und um die Elektronik und die Steuerung der Anlage. Es waren überhaupt keine Komponenten verfügbar, die man hätte nehmen können und dort einsetzen.

Der Rotor @ Aqua Libre

Fritz Mondl: Wir haben es zuerst einmal probiert, und das ist fürchterlich mit der Strom-Boje 1 in die Hose gegangen. Die hat zwar – gottseidank – so funktioniert, wie ich mir das gedacht habe, dass sie sich im Wasser verhalten wird, das hat von Anfang an gepasst, sonst wäre das Projekt gleich wieder tot gewesen. Was nicht gepasst hat: es ist keine Leistung rausgekommen. Verursacht haben das die Sachen, die eingebaut waren. Eine deutsche Firma hat uns ein Aggregat zur Verfügung gestellt: das hat zu unserem Entsetzen nicht Strom geliefert, sondern Strom aus dem Netz gezogen.

Richard Mayerhofer: Der Wirkungsgrad war so schlecht, dass wir gar keinen Strom produziert haben. Erst bei sehr starker Strömung ist bei Normalwasserständen der erste Strom geflossen.

Martin Skopal: Ab da hieß es: “Jetzt wird wirklich alles selbst gemacht und wir kümmern uns um jeden Schritt, um jedes Detail.”

Fritz Mondl: Das ist normalerweise der Punkt, wo die Leute aufgeben. Es kommt nichts raus, also sagen wir, es war nichts. Wir haben 100.000€ vertan, Lehrgeld gezahlt und aus. Tatsächlich war es aber so, dass meine Partner gesagt haben, ok wir anerkennen, dass dieses Aggregat, das wir zugekauft haben, nicht funktioniert, und dass vor allem mit den Leuten dort es nicht geht. Das waren zwar auf ihrem Gebiet Koryphäen, aber die haben für dieses Problem kein Verständis aufgebracht. Die sind völlig in die Irre gelaufen und waren nicht von ihren Ideen loszubringen, und daher haben wir gesagt, ok, die bringen wir einmal an, und wir schauen, dass wir ohne die weiter kommen.

Martin Skopal: Das nächste Modell wurde dann neu entwickelt?

Fritz Mondl: Die Strom-Boje 2 haben wir gebaut nach unseren Erkenntnissen und haben an der zwei Jahre intensiv an der Optimierung gearbeitet. Die Basis war dann schon ok. Der Generator hat hingehaut, bei den Rotoren haben wir uns gespielt. Das entscheidende für den Ertrag kommt vom Diffusor. Wie der Diffusor aussehen muss, da haben wir uns im Strömungskanal gespielt. Da sind wir auch durch Zufall auf die richtige Lösung gekommen. Zufällig – es war halt eine der Ideen die richtige. Die Optimierungen, die Verbesserung bis zum heutigen Maximum haben wir in der Donau vorgenommen. Da können wir uns herzlich bedanken beim Herrn Mayerhofer von Bilek & Schüll und bei Herrn Jursitzky von BEB. Wir haben all meine Ideen, die manchesmal Schnaps, manchesmal gut waren, in der Natur probiert, und zwar völlig unbürokratisch. Ich hab gezeichnet, sie haben’s gemacht, wir haben es eingehängt und dann letztlich sind wir zu diesem wirklich ausgezeichneten Ergebnis gekommen.

Richard Mayerhofer: Man kann sagen, eigentlich könnte man nur einen Propeller reinhängen. Das Besondere an unserem Ding ist aber der Diffusor. Wir haben, wenn wir nur den Propeller einhängen, nur ein Viertel der Leistung gegenüber mit dem Diffusor. Das muss man sich einmal vorstellen. Das heißt, ohne den wäre die Sache überhaupt nicht wirtschaftlich betreibbar.

Die Strom-Boje während des Transports @ Aqua Libre

Fritz Mondl: Das Schöne ist, dass die Kostenrelation zwischen der geringen Leistung ohne Diffusor und der starken Leistung mit dem Diffusor sehr sehr günstig ist. Der Diffusor ist in der Produktion relativ billig im Vergleich zu dem, was er bringt. Wenn man sich vorstellt, dass die Aufhängung, der Generator, der Rechen nehmen wir an 150.000€ kosten, wahrscheinlich sogar mehr, ist der Diffusor der Teil, der die Leistung vervierfacht, aber nur 30–40% Mehrkosten verursacht. Das muss man machen.

Richard Mayerhofer: Um dort hin zu kommen, haben wir mehr als 30 verschiedene Varianten probiert, um das Optimale herauszuarbeiten. Wir haben auch im Strömungskanal Versuche gemacht, aber die Wirklichkeit sieht man erst in der Flussströmung. Die ist anders als in der Theorie, im Labor. Darum ist es auch so aufwändig. Das Ding hat anderthalb Meter Durchmesser gehabt.

Fritz Mondl: Es ist am Wasser immer alles anders, als im Strömungskanal. Im Strömungskanal da steht das Wasser und man fährt mit dem Objekt durch das Wasser. Das stehende Wasser ist völlig ohne Turbulenzen, während in der Donau ist es unruhig, die Donau atmet. Da musst du auf eine gute Leistung zu kommen. Es war unser Vorteil, dass wir von Anfang an unser Schiff gehabt haben. Wir haben es gleich als aller erstes gebaut zur ersten Strom-Boje. Mit Hilfe dieses Schiffs – es hat insgesamt schon über 200 Ausfahrten – haben wir das auch zu vertretbaren Kosten zusammengebracht.

Das Schiff beim Einsetzen der Strom-Boje 3 @ Aqua Libre

Martin Skopal: Wie hoch ist die Leistung der Strom-Boje, des aktuellen Testmodells?

Fritz Mondl: 70kW Nennleistung. Das ist es, was sie im Idealfall leistet. Sie könnte wahrscheinlich mehr leisten, aber dieses obere Kapperl bei höheren Wasserständen nehmen wir weg. Die Bedingungen sind ohnehin nur 2 Tage im Jahr so. Ein Mehr als die 70kW würde 1% an der Jahresleistung, vielleicht 2% bringen, aber die Kosten würden sich verdoppeln.

Richard Mayerhofer: Aber wir können sagen, aufgrund des Diffusors ist es möglich, in jeder Stunde des Jahres Strom zu produzieren, egal, welcher Wasserstand gerade herrscht.

Martin Skopal: Ein Problem fast aller Erneuerbaren ist, dass sie nicht grundlastfähig sind, und dass das daraus resultierende Problem der Speicherbarkeit des Stroms, wie gehe ich mit den Stromspitzen ist, ein Enormes ist.

Richard Mayerhofer: Wir sind auch diesbezüglich nicht das Gelbe vom Ei, aber sind wesentlich besser als die anderen. Wir haben natürlich auch Schwankungen.

Fritz Mondl: Aber die sind berechenbar.

Richard Mayerhofer: Die Strom-Boje 3 hat Leistungen zwischen 15kW und 70kW, aber nie unter 15kW. Wir haben sehr wohl eine Grundlast.

Fritz Mondl: Und vor allem, das rennt 8750 Stunden im Jahr. Die restlichen 10 Stunden lassen wir uns offen für die Wartung.

Richard Mayerhofer: Und gegenüber dem Staukraftwerk haben wir den Vorteil, dass wir bei Hochwasser durchfahren, ein Kraftwerk stellt ab. Wir fahren mit voller Leistung.

Die Strom-Boje vor dem Absenken in die Donau @ Aqua Libre

Martin Skopal: Das gilt für alle Hochwässer?

Fritz Mondl: Wir können zwar nicht mehr als die 70kW liefern, aber es kann uns nichts passieren, weil wir ab einem gewissen Pegelstand untertauchen, da wo es anfängt, gefährlich zu werden.

Martin Skopal: Gefahr heißt ist im Falle eines Hochwasser Treibholz?

Fritz Mondl: Ja. Sachen, die für die Turbine gefährlich werden, berühren wir nicht, wir bleiben auf einem bestimmten Niveau stehen, und der Pegel steigt dann über die Strom-Boje. Bei einem normalen Hochwasser gibt es eine kleine Wellenbewegung an der Oberfläche, bei einem großen ist nichts mehr zu sehen. Da bin ich einmal rausgekommen, 2011, bei 8,5m Pegel, und ich habe mir gedacht, jetzt ist die Strom-Boje weg. Aber ich hab den Schaltkasten gehört surren, also muss es rennen, aber sie war nicht mehr zu sehen. Da sind wir zu 100% landschaftsschonend, bei Hochwasser.

Martin Skopal: Außer dem Schaltkasten war nichts zu hören?

Fritz Mondl: Man hört nichts, nicht mal die Fische hören was. Der Generator läuft geräuchlos, eventuell dass der Rotor ein bisserl was sagt. Die Behörde hat uns vorgeschrieben, wir müssen Lärmmessungen machen. Es ging um die Scheuchwirkung auf Fische, weil wir in einer anderen Untersuchung nachweisen konnten, dass keine Fische die Strom-Boje durchschwimmen. Jetzt haben die Fischer sofort gesagt, AHA!, das ist der Beweis dafür, dass die Strom-Boje eine Scheuchwirkung haben muss, weil sonst würden die ja durchschwimmen. Tatsächlich haben wir Lärmmessungen gemacht rund um die Strom-Boje, und die Strom-Boje selbst übertönt nur hinten, wo ein paar Turbulenzen sind, das Grundgeräusch des Kieses auf dem Boden.

Martin Skopal: Was wären geeignete Flüsse für die Strom-Boje? Könnte man auch argumentieren, dass man durch den Einsatz der Strom-Boje Staukraftwerksprojekte ersetzen könnte?

Fritz Mondl: Jetzt haben wir die große Strom-Boje 3, die für die Donau konzipiert ist, und abschnittsweise für den Inn, eingehängt, weil dort die Wassertiefe ausreichend ist. Wir brauchen 3m. Das wesentlich größere Potential gibt es aber auf allen anderen Strecken, die normalerweise nicht ganz 3m Wassertiefe haben, die man aber so herrichten kann – die Flüsse, ohne Stau und sogar die Ökologie verbessernd, das traue ich mir sagen – dass die Strom-Boje dort Strom erzeugt. Ich denke auch, dass zum Beispiel die Traun unter bestimmten Voraussetzungen geeignet sein müsste. Vom Durchfluss auf jeden Fall, von der Wassertiefe noch nicht. Da gibt’s eine Idee: ich möchte gerne auf der einen Seite das Wasser tiefer machen, aber nicht eintiefen – mit einem Leitwerk, ein Blockwurf, mit dem man die Strömung konzentriert – und auf der anderen Seite verflachen. Dann gibt es eine Hälfte des Flusses, die weniger Wasser führt, die wäre im Normalfall ideal geeignet für Fische. Wenn Sie sich die Traun anschauen, und den Inn, die sind alle begradigt, das heißt, das Wasser pfeift da durch. Würde man das nach meiner Idee umbauen, wäre das eine Art Renaturierung. Das wäre die Idee, auch bei kleinen Flüssen die Strom-Boje wirtschaftlich einsetzen zu können, und gleichzeitig zwei Fliegen mit einem Schlag zu schlagen, eine Ökologisierung zu erreichen und die jetzt unnatürlich hohe Fließgeschwindigkeit, die durch Begradigungen erreicht wurde, streckenweise zu bremsen.

Martin Skopal: Gibt es für die Vermarktung die Idee, Kraftwerke mittels Bürgerbeteiligung zu finanzieren? Das ist im Moment ja grade am Photovoltaik-Sektor aktuell.

Richard Mayerhofer: Bei den heutigen Zinssätzen, die die Bank bezahlt, ist das natürlich eine gute Möglichkeit. Bei der Windkraft wird das auch schon erfolgreich gemacht. Wir warten nur darauf, bis die erste Serie erfolgreich läuft, eine große Ausschreibung soll dann folgen. Nur: da sind wir wieder von der Behörde abhängig.

Fritz Mondl: Seit gestern gibt es eine Konkretisierung der Bewilligung. Man hat uns in Aussicht gestellt, bis zum Sommer alle Genehmigungen zu haben. Es gibt zwei konkrete Projekte in der Wachau. Die werden wir einmal ausführen und sobald die eingehängt sind und zur Zurfriedenheit funktionieren und wir wissen, welche Probleme aufgetaucht sind und zu lösen waren, dann gibt es das OK für die längst in der Pipeline stehenden Auftraggeber. Die wollen natürlich schon tun, wir bremsen und bremsen, weil wir nicht das Risiko eingehen wollen. Die Kinderkrankheiten wollen wir da, vor der Haustüre, ausmerzen.

Martin Skopal: Es gibt nationale und internationale Interessenten, die nur darauf warten, dass die Produktion beginnt?

Richard Mayerhofer: Die sind nicht nur in Europa, das fängt in Brasilien an und geht bis Papua-Neuguinea. Man muss auch sagen, in der Dritten Welt, in Brasilien, wäre das wesentlich wirtschaftlicher noch als bei uns, dort würden wir vorwiegend gegen Dieselaggregate auftreten.

Fritz Mondl: Je näher der Ort zum Äquator kommt, desto geringer werden die Winde, die Sonne ist etwas verlässlicher, aber liefert nur am Tag. Wasser, und damit die Strom-Boje ist rund um den Äquator am einfachsten. Die Leute aus Papua-Neuguinea, haben erzählt, sie haben eine Jahresniederschlagsmenge von 6m. Zum Vergleich, wir haben 300mm. Sie haben 20 Mal so viel Wasser wie wir. Sie haben auch kein Hochwasser in dem Sinn, es ist immer hoch. Bei denen haben Flüsse, die so lang sind wie die Donau, nicht 1800 Kubikmeter, sondern 5000 oder 7000 Kubikmeter Wasserführung.

Martin Skopal: Dort könnte man gleich mehrere Strom-Bojen nebeneinander einhängen?

Richard Mayerhofer: Es gibt auch kaum Schifffahrt, somit steht der gesamte Fluss zur Verfügung.

Fritz Mondl: Schade, dass ich schon 66 bin, jetzt fängt das Leben, ganz nach Udo Jürgens, erst richtig an.