Ist Genome Editing richtige Gentechnik oder nur gezielte Mutation?
Dieser Artikel wurde am 20. April 2018 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Gentechnisch veränderte Lebensmittel will keiner essen. Doch viele unserer heutigen Obst- und Gemüsesorten sind durch Züchtung entstanden, bei der verschiedene Sorten miteinander gekreuzt werden. Im Grunde auch eine genetische Veränderung. Heute sind die Methoden der Gentechnik schon weit versierter als noch vor vielen Jahren und das sogenannte Genome Editing ist sehr beliebt. Was es damit genau auf sich hat und wie (bzw. ob) wir solch veränderte Produkte erkennen können verrät der heutige Artikel.

Was ist Genome Editing?

Beim Genome Editing werden DNA Bausteine mit Hilfe einer Sonde in bestehende DNA eingebaut oder entnommen. So können zum Beispiel Pflanzen gezüchtet werden, die ertragreicher und widerstandsfähiger gegen Schädlinge und Krankheiten sind. Grundsätzlich klappt das aber in nahezu allen lebenden Zellen und Organismen, also auch Tieren und Menschen. Im Detail funktioniert das so: eine winzige, elektronische Sonde bewegt sich durch das Erbgut der Zellen, ein Bauplan ist mit im Gepäck. Hat sie die gewünschte Stelle gefunden schneidet sie den DNA Strang durch, an dem die Bauteile des Erbguts (die DNA Moleküle) aufgereiht sind. In der Zelle wird dadurch Alarm ausgelöst und Reparaturtrupps geschickt. Die Sonde tut so, als wolle sie mithelfen und schmuggelt dabei einfach einen neuen DNA Baustein ein. Dieser wird mit eingebaut und schon ist die DNA verändert.

Verglichen mit bisherigen Methoden der Gentechnik lässt sich so das Erbgut relativ einfach bearbeiten. Solche Systeme nennen sich Sonde-Schere-Systeme und gibt es bereits seit vielen Jahren. Anfangs mussten sie für jeden Eingriff neu entwickelt werden, seit 2012 gibt es das Verfahren CRISPR/Cas9. Es basiert auf einem Mechanismus, mit dem sich das Immunsystem von Bakterien gegen die Infektion mit Viren verteidigt. Das Umschreiben der Gene funktioniert dabei so einfach, dass in den USA Internetfirmen bereits Do-it-yourself-Baukästen anbieten, mit denen das Erbgut von Organismen, zum Beispiel E.coli-Darmbakterien, verändert werden kann. Einfache Versionen gibt es ab 150 USD. In Österreich sind solche gentechnischen Veränderungen nur in dafür genehmigten Laboren zulässig – noch. 

Das Problem am Genome Editing

Kritiker warnen, dass diese Genveränderung zu unerwünschten Nebeneffekten führen kann und fordern daher ein strengeres Zulassungsverfahren. Das Genom ist hochkomplex, wodurch es bei vielen Laborversuchen zu sehr starken Nebenwirkungen kommt und Langzeitfolgen sind unbekannt. Weltweit wird bereits an den Pflanzen von morgen gearbeitet, zum Beispiel Mehltau-resistente Gerste oder trockenresistenten Mais und Sojabohnen mit veränderter Fettsäurezusammensetzung. Ungewollte Veränderungen sind dabei noch sehr häufig. Die Sonden können an Stellen andocken, die dem Zielort sehr ähnlich sind und dort die DNA verändern (“Off-Target”) – mit unbekannten Folgen. Doch auch am richtigen Ort kann die Schere (die eigentlich ein bestimmtes Protein ist) falsch schneiden oder eine unbeabsichtigte Erbgutänderung hervorrufen. Hinzu kommt, dass Gene immer mehrere Funktionen steuern und so kann auch ein planmäßig geändertes Gen unerwartete Effekte hervorrufen. In der Folge können Pflanzen beispielsweise mehr Allergene produzieren oder sich rascher in der Umwelt ausbreiten.

Bei der klassischen Gentechnik ist es vom Zufall abhängig, an welcher Stelle im Genom einer Pflanze das neue, zusätzliche Gen integriert wird. Dabei sagt einem schon der Hausverstand, dass es hier zu “unbeabsichtigten Nebenwirkungen” kommen kann. Daher müssen gentechnisch veränderte Pflanzen in fast allen Ländern der Welt ein Zulassungsverfahren durchlaufen.

Kennzeichnungspflicht

Die Technologie entwickelt sich also rasant weiter, während die Gesetzgebung noch etwas hinterher hinkt. Anwender von CRISPR würden das aufwendige Zulassungsverfahren natürlich gerne vermeiden und ihre Pflanzen ohne Kennzeichnung auf den Markt bringen. Sie befürchten zurecht, dass bei einem Hinweis auf gentechnische Verfahren viele Verbraucher die daraus hergestellten Lebensmittel nicht kaufen würden. Sie argumentieren außerdem, dass viele genetische Veränderungen nichts anderes als Mutationen seien, wie sie auch in der Natur vorkommen – nur in diesem Fall eben gezielte.

In den USA entscheiden die Behörden im Einzelfall, ob es sich um einen gentechnisch veränderten Organismus handelt oder einfach eine neue Züchtung, und sehen das bisher sehr locker. So dürfen mit Hilfe von CRISPR hergestellte Zuchtpilze, die nach dem Anschneiden nicht braun werden, ohne Zulassung verkauft werden. Da die minimalen genetischen Veränderungen ohne den Einbau artfremder Gene auskommen und theoretisch auch, wenn auch weitaus aufwendiger und kostspieliger, mit herkömmlichen Zuchtmethoden erreicht werden könnten, entschied das US-Landwirtschaftsministerium, sie wie konventionelle Pflanzen einzustufen. Seit drei Jahren darf auch herbizidresistenter Raps angebaut und als gentechnikfrei verkauft werden. Solche Produkte können unbemerkt auf den europäischen Markt gelangen, da sich viele mit Gen-Scheren herbeigeführte Änderungen im fertigen Produkt nicht nachweisen lassen – es besteht ja im Grunde kein Unterschied zu einer natürlichen Mutation.

Neuseeland hat anders entschieden als die USA: dort werden Pflanzen, die durch Genome Editing entstanden sind genau wie alle anderen gentechnisch veränderten Pflanzen behandelt. In Europa ist die Sache noch offen: der Europäische Gerichtshof will Mitte des Jahres entscheiden, ob genom-editierte Pflanzen unter die strikten Vorschriften der Gentechnik-Gesetze fallen oder wie die Mutationszüchtung von diesen ausgenommen werden. 

Egal wie die EU entscheidet: Es wird wohl erst die Zeit zeigen, welche Folgen diese Eingriffe durch den Menschen in die Natur langfristig haben. 

 

Quellen:
Schrot&Korn Printausgabe, 01/2018
http://www.transgen.de/forschung/2564.crispr-genome-editing-pflanzen.html
https://derstandard.at/2000059253067/Wie-Genome-Editing-die-Landwirtschaft-veraendert

Ulrike Göbl, MA

Die nebenberufliche Fitness- und Ernährungstrainerin beschäftigt sich schon seit ihrer Jugend mit gesunder Ernährung und alternativen Lebensweisen. 2010 begann die begeisterte Hobbyköchin ihren Foodblog „Fit & Glücklich“. Dort vereint sie ihre Liebe zu gutem Essen und Sport mit dem Versuch, die Balance im Leben zu finden. 2015 hat sie auch ein Kochbuch zum Thema „Clean Eating“ geschrieben.