Kuhmilch ist ernährungstechnisch mittlerweile umstritten – zurecht?
Dieser Artikel wurde am 19. August 2016 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Meine Freundin hat ihre Ernährung umgestellt und trinkt unter anderem nun keine Kuhmilch mehr. Es geht ihr gesundheitlich toll, und ich habe schon oft solche Erfahrungen gehört. Seit ein paar Jahren gerät die Kuhmilch immer mehr in den Fokus der Verbraucher und wird teilweise sogar als ungesund betitelt. Was ist da dran? Das hat mich jetzt interessiert, und daher habe ich ein bisschen recherchiert. Es gibt unglaublich viel Literatur über Milch, sowohl positive, als auch negative.

Kuhmilch für Babies

Fakt ist: Kühe lassen sich relativ leicht in “Milchmaschinen” verwandeln. Solange sie gemolken werden, geben sie auch Milch. Das ist eigentlich wie beim Menschen – so lang die Mutter stillt (oder abpumpt), wird Milch produziert. Für Menschenbabies ist Kuhmilch allerdings gänzlich ungeeignet, soweit sind sich alle einig. Die Zusammensetzung ist einfach auf die Bedürfnisse von Kälbern abgestimmt, und nicht auf die von Menschenbabies. Und eigentlich auch nicht auf die von Erwachsenen Menschen. (Es ist ja allgemein bekannt, dass wir die einzige Spezies sind, die die Muttermilch einer anderen Spezies trinkt.) Fazit #1: Babies sollten keine Kuhmilch trinken!

Die Sache mit dem Kalzium

Milch wird immer für den hohen Kalziumgehalt beworben, aber wieviel ist wirklich drin? Und wieviel davon kann wirklich vom Körper verwendet werden? Für die Kalziumaufnahme in die Knochen ist nämlich zusätzlich auch Vitamin D nötig. Das wird teilweise vom Körper selbst gebildet (Stichwort Sonne), ist also in diesem Fall kein Problem. Was schon eher problematisch ist: neben Kalzium ist in Kuhmilch viel Phosphor, welches automatisch die Aufnahmekapazitäten für Kalzium senkt (manchen verarbeiteten Milchprodukten wie Schmelzkäse wird sogar noch zusätzlich Phosphor zugesetzt). Es kommt also nicht einzig auf den Kalziumgehalt des Lebensmittels an (der bei Rohmilch tatsächlich hoch ist), sondern auf die gesamte Zusammensetzung. Die ist bei roher Vollmilch am besten, und wird durch die Verarbeitung durch den Menschen verändert – fettfreie, laktosefreie “Milch” hat wenig mit der ursprünglichen Kuhmilch zu tun, und ist daher aus gesundheitlicher Sicht auch völlig anders zu bewerten.

Zurück zum Kalzium: Milchkühe trinken keine Kuhmilch und ernähren sich rein pflanzlich. Somit müssten eigentlich in den Pflanzen genügend Kalzium enthalten sein. Vegetarier und Veganer leiden auch so gut wie nie unter Kalziummangel, es gibt nämlich viele Lebensmittel, die gut verwertbares Kalzium enthalten: grüne Gemüsesorten (Spinat, Wirsing, Brokkoli), diverse Nüsse und Samen (Sesam, Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne) und Vollkornprodukte sowie Hülsenfrüchte (Linsen, Bohnen).

Fazit #2: Milch wegen des Kalziums zu trinken ist sicher nicht notwendig.

Kuhmilch und die Gesundheit

Es werden viele Krankheiten mit Kuhmilch in Verbindung gebracht, allerdings auch viele positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Hier ein paar Beispiele:

Kuhmilch soll gegen Osteoporose helfen. Widersprüchlich ist allerdings, dass in Ländern, in denen wenig bis keine Kuhmilch getrunken wird, die Osteoporoserate geringer ist. Phosphor regt nämlich die Nebenschilddrüse an, deren Hormone bewirken, dass Kalzium aus den Knochen gelöst wird – was Osteoporose begünstigt. Enthält ein Milchprodukt also besonders viel Phosphor (ist also stark verarbeitet), kann es das Gegenteil dessen bewirken, dass man damit erreichen will.

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Weiters sind in Kuhmilch hohe Mengen an Wachstumshormonen, die dafür sorgen, dass das Kalb schnell wächst. Nun muss ein erwachsener Mensch allerdings nicht mehr wachsen. Die Hormone wissen das allerdings nicht, und wenden sich einfach anderen Zellen zu, zum Beispiel Krebszellen. Es ist mittlerweile nachgewiesen, dass ein hoher Milchkonsum mit einem erhöhten Krebsrisiko einher geht. Offen bleibt allerdings, ob die Milch an sich krebserregend ist (eher unwahrscheinlich), oder nur das Krebswachstum beschleunigt. Fraglich ist auch immer, welche Art von Milch in den Studien verwendet wurde – also Rohmilch (selten) oder schon verarbeitete Milch.

Es gibt noch viele weitere Auswirkungen im Körper, über die diskutiert werden kann, auf alle genauer einzugehen würde aber den Rahmen sprengen: Milch erhöht den Insulinspiegel (interessant vor allem bei Diabetes), wirkt säuernd und verschleimend. Was mittlerweile bewiesen ist: bei Akne sollte auf Kuhmilch verzichtet werden um die Symptome zu lindern.

Meiner Meinung nach kann man wie immer weder schwarz noch weiß sehen – es kommt immer auf den Kontext an, also auf das Gesamtbild – in diesem Fall: was der jeweilige Mensch sonst isst und trinkt, wie viel Bewegung der macht, ob er raucht etc.

Laktose und der Mensch

Auch in unserer Muttermilch ist Laktose enthalten, daher vertragen Kinder bis zum Alter von 4 Jahren Milchprodukte meist besser. Nach dem vierten Lebensjahr regulieren die Gene die Enzyme, die für die Verdauung des Milchzuckers notwendig sind einfach nach unten – von der Natur ist es anscheinend nicht vorgesehen, nach diesem Alter noch Milch zu trinken. Kuhmilch wird vom Menschen seit etwa 10.000 Jahren konsumiert, und ein Teil der Weltbevölkerung hat sich daran gewöhnt, Laktose zu verdauen. Es gibt dabei allerdings ein Nord-Süd-Gefälle, wobei wir Österreicher im Mittelfeld liegen (15-25% der Menschen vertragen bei uns keine Milch). Man kann hierzu also keine pauschale Aussage treffen, die Laktoseverträglichkeit ist sehr individuell.

Fazit

Was heißt das nun? Milch scheint ja nun sowohl Vor- als auch Nachteile für den Körper zu haben. Wie immer würde ich sagen: die Dosis macht das Gift! Es kommt wie so oft auf den Gesamtkontext an – eine ausgewogene Ernährung, die auch Milchprodukte inkludiert, führt dem Körper alle notwendigen Stoffe zu und kann ihn so ausgeglichen arbeiten lassen. Ist die Ernährung eher einseitig, also zum Beispiel mit vielen Milchprodukten, verarbeiteten Produkten und Zucker, können sich sehr wohl nachteilige Effekte für den Körper einstellen. Wie ein Körper auf Milch reagiert ist zudem auch sehr individuell – manche fühlen sich sehr wohl, andere merken, dass es ihnen ohne Milchprodukte einfach besser geht. 

Quellen:
http://www.zentrum-der-gesundheit.de/kuhmilch.html
http://www.richtigessenvonanfangan.at/fileadmin/Redakteure_REVAN/user_upload/Empfehlungen_zum_Kuhmilchkonsum_im_ersten_Lebensjahr_FINAL.pdf
http://www.noz.de/deutschland-welt/gut-zu-wissen/artikel/580629/kuhmilch-ist-kein-nahrungsmittel-fur-den-menschen#gallery&0&0&580629
http://www.marksdailyapple.com/10-common-arguments-against-dairy-consumption-explored/#axzz4D4Jlc8oG
https://www.ugb.de/calciummangel/calciumbedarf-calciummangel-calciumpraeparate/
http://www.zentrum-der-gesundheit.de/milch-ungesund-ia.html

Bilder/Fotograf: 
Bady Qb, https://unsplash.com/photos/WKIJ_ozmXNI
Angelina Litvin, https://unsplash.com/photos/v5GI9rol_WY

ulli goeblUlrike Göbl, MA

Die nebenberufliche Fitness- und Ernährungstrainerin beschäftigt sich schon seit ihrer Jugend mit gesunder Ernährung und alternativen Lebensweisen. 2010 begann die begeisterte Hobbyköchin ihren Foodblog „Fit & Glücklich“. Dort vereint sie ihre Liebe zu gutem Essen und Sport mit dem Versuch, die Balance im Leben zu finden. Seit 2012 vernetzt sie mit einer Kollegin auch noch die Österreichischen Foodblogger auf einer eigenen Plattform und hat 2015 auch ein Kochbuch  zum Thema “Clean Eating” geschrieben.

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