Dieser Artikel wurde am 20. Mai 2012 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!Jedes Gesellschaftssystem, insbesondere die Demokratien leben von der Lüge. Absolute Transparenz würde unser Wirtschaftssystem zerstören. Nachhaltigkeit allerdings…
Dieser Artikel wurde am 20. Mai 2012 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Jedes Gesellschaftssystem, insbesondere die Demokratien leben von der Lüge. Absolute Transparenz würde unser Wirtschaftssystem zerstören. Nachhaltigkeit allerdings braucht die Wahrheit, braucht die Wahrnehmung der wirklichen Zusammenhänge.

 

Unser Denken basiert auf fatalen Lebenslügen

 

„Unsere Ressourcen sind unerschöpflich“, „Wachstum bedeutet Fortschritt“, „die westlichen Industriestaaten sind demokratisch“, oder „der Mensch beherrscht die Natur“, all das sind fatale Lügen, die seit mindestens 150 Jahren für die gravierenden Probleme verantwortlich sind, vor denen die Weltgemeinschaft nun steht. Allein die Hybris, mit der der – westliche – Mensch sich aus dem Miteinander mit der restlichen Natur entfernt, sich als Abbild eines allmächtigen Gottes sieht und skrupellos in Abläufe eingreift, die sich in Jahrmillionen stabilisiert haben, basiert auf einer der größten Lügen. Noch in der Natur, ihrer „Mitwelt“ verwurzelte Völker haben dies mit Fassungslosigkeit beobachtet und kommentiert, bis sie von dem Sog der Zivilisation erfasst und vernichtet wurden.

Dass eben die bürgerliche Regierung, die gerade noch – alternativlos – die Laufzeit der deutschen Atommeiler um Generationen verlängert hat, plötzlich ebenfalls alternativlos genau das Gegenteil verordnet, nehmen die Bürger achselzuckend zur Kenntnis. Dass sie schamlos belogen wurden und werden, dass mit ihrer Sicherheit, ihrer Gesundheit, ihrem Leben und der Zukunft ihrer Kinder skrupellos umgegangen wird, nur um persönliche Karrieren zu sichern, sind die Menschen seit hunderten Jahren gewohnt. Seit der angeblichen Energiewende, deren Notwendigkeit wie eine Erleuchtung über die Kanzlerin gekommen sein muss, ist allerdings nicht nur gar nichts passiert, sondern sogar der Fortschritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieerzeugung rückläufig. Eigenartigerweise liegt auch noch kein Abrissantrag für auch nur eines der zwangsweise abgeschalteten Atomkraftwerke vor, alle stillgelegten Meiler stehen sozusagen auf Standby, warten darauf, dass sie wieder ans Netz gehen dürfen. Erstaunlicherweise haben alle bisherigen Maßnahmen der kurzzeitig grün gestreiften Schwarz-Gelben Regierung die nicht einmal besonders hoch gesteckten Ziele des letzten Klimaschutzabkommens nicht erreicht – erstmalig! Im Gegenteil, der CO2-Ausstoß in der Bundesrepublik Deutschland ist sogar gestiegen, der bisherige Musterschüler zum Problemfall geworden. Trotzdem hatte der inzwischen geschasste Umweltminister sich zum Erfinder der Wende zu einer nachhaltigen Energiezukunft gekürt, mit Gesetzen, die schon 10 Jahre vor seinem Amtsantritt in Kraft getreten waren. Das Erneuerbare Energien Gesetz war nun einmal in der Rot-Grünen Zeit entwickelt und verabschiedet worden. Er hat indes den Zug, auf den er sprang, nicht beschleunigt, sondern sogar noch gebremst. Wer anderes erwartet hatte, war einer weiteren Lebenslüge aufgesessen. Bürgerliche Politiker denken nun mal nicht nachhaltig (http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,815252,00.html).

 

„Die Wahrheit ist für die Bürger zu gefährlich, sie können sie nicht verkraften“

 

Wieder eine Lüge. Die Frage ist nur, wie man die Wahrheiten serviert. Dieter Hildebrandt und Roger Wilemsen haben dieses Problem auf satirische, vergnügliche Art in ihrem Programm „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“ – eine Weltgeschichte der Lüge – bearbeitet. Ob eine Gesellschaft, ja schon das Zusammenleben zweier Menschen ganz ohne Lüge, ohne die Formen der Höflichkeit auskommt, sei dahingestellt. Selbst Alt-Minister Norbert Blüm räumte in einer Talkschau bei Markus Lanz am 16.Mai im ZDF ein, dass der raue, ungeschminkte Ton unter den Mitgliedern der Piratenpartei in seiner Partei – der CDU – ebenfalls herrsche, jedoch eher nicht in aller Öffentlichkeit – im Internet – sondern hinter verschlossenen Türen, am Schlimmsten noch in einer Männerrunde. Natürlich würden alle Regierungen sofort jede Achtung, jeden Respekt verlieren, würde absolute Transparenz eingeführt, der Bürger quasi an jedem Gespräch, jeder Absprache, jeder Debatte virtuell teilnehmen können. Das Ringen hinter verschlossenen Türen: „wie bringen wir es den Wählern schonend bei“, wie bringen wir sie dazu, unsere Partei trotzdem zu wählen, würde entfallen. Der unheilvolle Einfluss der Lobbyisten würde plötzlich offenbar. Das ganze Geflecht zwischen der politischen und wirtschaftlichen Mafia, das Geschäft der „Kannibalen“, wie Jean Ziegler es immer wieder geißelt, würde plötzlich offengelegt.

Wenn die europäischen Piratenparteien auf diese Art weiter den etablierten Parteien und ihren Regierungen die Masken entreißen, rauben sie ihnen ihre einzige Waffe – die Wahrheit.

Genau wie die Werbeslogans der Industrie enthalten die der politischen Parteien keinen Funken Wahrheit. Für das zu regierende Volk gab und es gibt es ausschließlich Lügen.

 

Die Lüge ist so alt wie das Leben, die Evolution belohnt den dreistesten Betrüger

 

„Liebling, du siehst scheußlich aus“, „sexy ist was anderes“. Derartige Feststellungen mögen die Wahrheit sein, aber können die Stimmung in einer Beziehung beeinträchtigen. Die Balance zwischen einer „lässlichen Lüge“, einem so genannten Kompliment und einem den anderen schädigenden Betrug ist offenbar schwierig zu finden. Mit der Erfindung der Sprache hat der Mensch sich zum Champion unter den Lügnern gemacht.

Der seit Beginn der Industriealisierung zum Schmierstoff des „Fortschritts“, des Wachstums gewordene Betrug am Kunden, die zumindest seit Machiavelli zum Handwerkszeug der Politiker gewordene Bevormundung des Volkes wurde exzessiv perfektioniert. Diese Art der Lüge wird aber  nicht mehr von dem treu sorgenden Landesvater zum Wohle der Untertan eingesetzt, sondern dient nun ausschließlich dem Erhalt der persönlichen Macht.

Das Problem der Stachelschweine, sich im Winter gegenseitig zu wärmen, ohne sich mit den Stacheln zu verletzen hatte Arthur Schopenhauer als Gleichnis für das Zusammenleben einer Gesellschaft beschrieben. Übertragen auf das Problem von Wahrheit und Lüge heißt dies, dass alle Stachelschweine um die Wahrheit, die in diesem Fall störenden Stachel wissen. Nur so können sie einen praktikablen Weg zueinander finden. Wieweit in einer Gesellschaft die Lüge zur Harmonisierung des Umgangs eingesetzt wird, müssen die Menschen selbst herausfinden. „Schatz, ich liebe dich dafür, dass du mich belügst“, ist manchmal auch eine wahrhaftige Antwort auf das beschönigende Kompliment. In bürgerlichen Kreisen war der permanente Betrug, das gegenseitige Belügen immer bekannt. Man sprach nicht darüber und lebte trotzdem friedlich beieinander. In manchen Gesellschaften der alten Völker ist die unverblümte Wahrheit die Regel. Hier geht es jedoch um das Wohl der Gruppe, des Stammes. Einbezogen in die Gruppe wird die Mitwelt, die belebte und unbelebte Umgebung, in jedem Gruß: „…für alle meine Verwandten“. Eine Missachtung elementarer Wahrheiten gefährdet auch sofort die Existenz des Volkes, Rücksichtnahme bedeutet eben Respekt vor den Bedürfnissen aller. Eine achtsame Balance zwischen all den Stacheln kann sodann maximale Wärme für alle bedeuten.