Das halbe Jahr müssen die Norweger ohnehin mit wenig Sonne auskommen. Die Bewohner von Rjukan im Süden des Landes trifft es noch schlimmer. Ihre kleine Gemeinde liegt in einem Tal, das in Ost-West-Richtung verläuft und von hohen Bergen begrenzt ist, darunter der 1.883 Meter hohe Gaustatoppen im Süden. Da, wo keine Sonne scheint: Von September bis März trifft das auf Rjukan wortwörtlich zu.
Die Stadt wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Arbeitersiedlung von den Architekten und Ingenieuren des Unternehmens Norsk Hydro geplant. Um die Arbeiter bei Laune zu halten, wollte Stadt- und Firmengründer Sam Eyde im Jahr 1913 die fehlenden Sonnenstrahlen mit Solspeilet, einem überdimensionalen Sonnenspiegel, während des Winters in den Ort leiten. Der Spiegelwurde nicht gebaut, dafür aber eine Gondelbahn auf die Bergspitzen, wo die Einwohner Sonne tanken sollten.
100 Jahre später soll die Idee von Sam Eyde umgesetzt werden. Ein computergesteuerter Heliostat wird auf der Spitze einer steil abfallenden Felswand errichtet, 400 Meter über Rjukan. Drei Spiegel folgen dem Lauf der Sonne am Horizont und reflektieren die Strahlen auf den Marktplatz von Rjukan.
Jeder der drei Spiegel weist eine Fläche von 17 Quadratmetern auf, das reflektierte Licht wird im Ort in Form einer Elipse und einer Fläche von 600 Quadratmetern einfallen. Die Sonnenstrahlen sollen 80 bis 100 Prozent der Lichtstärke aufweisen, den gewöhnliches Sonnenlicht bietet. Das Spiegelsystem wird mit Hilfe von Sonnen- und Windenergie betrieben.
Ein ähnliches Beleuchtungsprojekt war auch für Rattenberg in Tirol geplant, Stadt- und Ortsbildschutz lehnten die großen Sonnenreflektoren aber ab. Die Spiegel müssten versenk- oder abmontierbar sein. Das Heliostat-Projekt in Rjukan ist hingegen keine Hinderungsgrund für die Kandidatur der Gemeinde als UNESCO-Welterbe.