Im April 2001 berief der damalige Kanzler Gerhard Schröder erstmals den „Rat für nachhaltige Entwicklung“. Dieser soll die Bundesregierung beraten und nachhaltige Konzepte in der Bevölkerung kommunizieren. Die Mitglieder werden jeweils für mindestens drei Jahre berufen und setzen sich aus „allen wesentlichen“ Gruppen der Gesellschaft zusammen, von den Kirchen über Naturschutzorganisationen und Gewerkschaften bis zu Vertretern der Industrie. Seit 13 Jahren reden nun Fachleute über Nachhaltigkeit, ohne das wirklich nennenswerte Ergebnisse zu verzeichnen sind. Besonders die Regierung scheint den Status Quo in jeder Hinsicht konservieren zu wollen, statt Fortschritte in eine nachhaltige Entwicklung sind ausschließlich Rückschritte festzustellen.
Ein absolut nicht nachhaltiges System ändern, ohne es zu verändern?
Nachhaltigkeit bedeutet, dass es ein harmonisches Verhältnis gibt, zwischen Ökologie und Ökonomie, wobei dieses sozial gerecht sein muss. Dieses Ziel kann nicht einmal eine „soziale Marktwirtschaft“ erreichen, weil diese den ökologischen Bereich komplett ausklammert, wie die Entwicklung der letzten 150 Jahre bewiesen hat. Ein kapitalistisches Wirtschafts- oder Gesellschaftssystem kann nicht nachhaltig sein, weil es zum Ziel hat, der Volkswirtschaft möglichst viel Geld zu entziehen, was ebenfalls in den letzten 150 Jahren bewiesen wurde. Dieses System hat in dieser Zeit weltweit fast irreparable Schäden an der Umwelt und dem globalen sozialen System angerichtet, sowie den Frieden „nachhaltig“ gestört. Dieses System so zu justieren, dass es zu einem nachhaltigen wird, ist unmöglich. In dem Rat der Gelehrten sind allein die Gegensätze der Beteiligten so groß, dass ein gemeinsames Konzept nicht entstehen kann.
Alle Beteiligten des Rates müssten zuerst einmal eingestehen, dass ihre jeweilige Fachrichtung oder die „gesellschaftliche Gruppe“, die sie vertreten, sich grundlegend ändern muss. Diese kognitive Leistung hat bisher diese „Gelehrten“ überfordert.
Wachstum um jeden Preis steht Nachhaltigkeit entgegen
Wachstum der „Wirtschaft“ bedeutet Wachstum der Industrie. Die Industrielandschaft wird jedoch beherrscht von Konzernen, die stetig wachsen, aber ihre Wertschöpfung der Gemeinschaft entziehen. Allein die großen US-Konzerne haben über 2 Billionen Dollar außerhalb der USA „geparkt“ um mit diesem Geld anderen Konzerne übernehmen zu können, also „zu wachsen“. Das Wachstum der deutschen Konzerne – die letztlich auch mit den US-Amerikanischen verwoben sind – basiert allein auf einer radikalen Ausbeutung der Umwelt und Sklaverei an ihren „Produktionsstätten“, beziehungsweise den Zulieferbetrieben. Die Faktoren „Umwelt“ und „soziale Gerechtigkeit“ kommen in den Kalkulationen der Ökonomen nicht vor. Das Naturkapital und das Humankapital werden nicht beachtet. Die Preise, die für die industriell erzeugten Waren verlangt werden, spiegeln die wahren Kosten eines Produktes nicht wieder, weil der allergrößte Teil dieser Kosten von der „Allgemeinheit“ ohnehin getragen werden. Das sind sowohl alle Kosten für die „Wiederherstellung“ der Umwelt – weil Mensch und Tier darin leben müssen – als auch alle Kosten für die „Pflege der Menschen“, also alle „Sozialkosten“ und natürlich die Bereitstellung der Infrastruktur, wozu auch das Führen von Kriegen gehört, um kostenlosen Zugang zu Rohstoffquellen zu bekommen und letztlich aktuell die Begrenzung der Erderwärmung.
Die aktuelle Skrupellosigkeit der „Wirtschaft“ macht eine nachhaltige Entwicklung unmöglich
Das herrschende Wirtschaftssystem kann nicht wachsen, wenn es die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen müsste. Das ökonomische Konzept kann nicht ökologisch und sozial gerecht funktionieren. Es basiert auf einer weitergehenden Ausbeutung aller Ressourcen, welche in absehbarer Zeit erschöpft sind. Der „nachhaltige“ Erfolg dieses Systems sind alle Kriege, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts geführt werden, alle Flüchtlingsströme, die sich seitdem nunmehr immer heftiger nach Norden, in die „Zentren des Wohlstandes“, in Wahrheit die Urheberländer des Hungers und der Kriege bewegen.
Die Kultur des „christlichen Abendlandes“ hat in beispielloser Missachtung jeder „Vernunft“, also dem einfachen „Gefühl des harmonischen Zustandes“ skrupellos auf diesem Planeten gewütet. Eine „Heilung des Patienten Erde“ ist nur möglich, wenn alle Menschen in diesen „Täternationen“ ihre „Schuld“ erkennen, zugeben, dass ihr scheinbarer Wohlstand, der jedoch nichts weiter ist, als eine gigantische Anhäufung von – zumeist sogar giftigem – Müll, allein auf der Zerstörung aller anderen Kulturen basiert. Wenn die Abgeordneten der Kirchen, die jeweils im Nachhaltigkeitsrat vertreten sind, ihre „Lehren“ ernst nehmen, werden sie alle anderen Teilnehmer zu einer absolut demütigen Haltung gegenüber der „Schöpfung“ nötigen müssen und sofort einen Weg in eine nachhaltige Zukunft aufzeigen können. Dabei müssten sie jedoch die „Taten“ ihrer Institutionen der letzten Jahrhunderte beichten und ihre oft maßgebliche Beteiligung an der Zerstörung eingestehen.
All dies ist weder von den Mitgliedern dieses „Rates der Scheinheiligen“ (Zitat TAZ), noch von denjenigen, die von ihnen beraten werden zu erwarten. Wie in der Kolumne beschrieben, bleibt es bei netten Gesprächen bei exquisiten Schnittchen und geistigen Getränken. Die „Rettung der Welt“ ist von diesem Gremium nicht zu erwarten.