Ihr wollt euren grünen Daumen verbessern? Hier lernt ihr wie.
Meine Mutter musste schmunzeln, als sie das erste Mal von meinen Gartenexperimenten hörte. Gut, eigentlich ist Garten das falsche Wort. Meine Studentenwohnung hat keinen Garten. Das hält mich aber nicht davon ab, meinen grünen Daumen zu trainieren. Training braucht mein grüner Daumen ganz gewiss. Im Garten meiner Mutter habe ich den Part des Betrachtens übernommen. Nie hätte ich geglaubt, dass ich es in mir habe, aus so einem kleinen vertrockneten braunen Etwas eine Pflanze zu ziehen. Oder den richtigen Standort für die jeweilige Pflanze zu wissen. Woher auch? Mein Interesse als Teenager an Pflanzen lag in der kulinarischen Natur.
Was ist reif und kann vernascht werden?
Das waren viel dankbarere Fragen, als darüber nachdenken zu müssen, welche Pflanzen gut miteinander auskommen. Dieses kulinarische Interesse hat mich dazu bewogen Agrarwissenschaften zu studieren. Die Landwirtschaft wird allseits beschuldigt, unseren Planeten zu zerstören, dabei produziert sie die für uns notwendingsten Produkte. Wie würden wir uns ohne Landwirtschaft ernähren? Nicht vieles schafft es unschuldiger auszusehen, als eine rot funkelnde Erdbeere. Wie kann es also sein, dass selbst im Namen dieser kleinen süßen Frucht an anderen Orten Schaden angerichtet wurde? Und stimmt das überhaupt? Während Erdbeeren sicherlich nicht die größten Umweltsünderinnen sind, ist die globale Lebensmittelindustrie doch so verstrickt, dass diese Frage durchaus legitim ist. Da mich all diese Fragen plagten und ich auch jemand sein möchte, der darauf eine Antwort zu geben weiß, war das Agarwissenschaftsstudium die logische Konsequenz. Diese Art der Fragen sind allerdings teilweise doch sehr komplex und nicht schnell zu beantworten.
In der Zwischenzeit ist eine Lösung, die Erdbeeren selber anzubauen. Natürlich bekomme ich so nicht das ganze Jahr Erdbeeren. Ich bin den Saisonen wieder mehr ausgesetzt, aber am Ende des Tages kann ich vom Frühstückstisch meinen Arm etwas zur Seite strecken und schon habe ich eine frische aromatische Erdbeere ohne hypothetisch komplizierter Lebensgeschichte für den momentanen Genuss.
Anfängerfragen beim Anbau von Obst und Gemüse
Und schon stehe ich vor einem Haufen neuer Fragen. Diesmal sind diese Fragen allerdings viel konkreter und praktischer Natur. Hat es Sinn, Erdbeeren auch aus Samen zu ziehen (Nur für Personen mit sehr langem Atem zu empfehlen) oder: Woher bekomme ich Erdbeerpflanzen? Welche Sorten sind für mich geeignet? Wo kann ich anbauen? Welche Pflanzenkübel passen in mein Budget und sehen auch noch gut aus? Wie beeinflusst der Pflanzenkübel meine Ernte?
Und wenn dann endlich die richtigen Pflanzen da sind, tja dann begann bei mir eigentlich erst die richtige Fragenflut. Fragen auf die ich ohne das Selbstausprobieren nie gekommen wäre. Was ist das für grauer Flaum auf den Salbeiblättern? Warum ist es wichtig zu wissen, ob dieser graue Flaum auf der Oberseite oder Unterseite des Blattes wuchert?! Warum sind die Tomatenblätter plötzlich gelb? Fragen, die jedes Stadtkind in den Wahnsinn treiben können. Fragen, die ihr euch sicherlich auch schon gestellt habt, oder gerade stellt. In der Zwischenzeit habe ich auf einige dieser Fragen meine eigenen Antworten gefunden und mir einen grünen Daumen erarbeitet.
Ab sofort werde ich hier in der Rubrik „Garten“ von meinen gärtnerischen Erlebnissen berichten. Dabei werde ich euch hoffentlich unterstützen, die richtigen Antworten auf eure eigenen quälenden Fragen zu finden. In den meisten Gärten, egal ob Landhausgarten oder urbaner Balkondschungel, ist im Herbst die meiste Arbeit getan. Zumindest fühlt es sich für Einsteiger oft so an. Somit ist der Herbst und Winter die perfekte Zeit eine Selbstanalyse zu unternehmen.
Standortanalyse für Neueinsteiger*Innen:
Wer keine einzige Pflanze sein Eigen nennt, dies aber ändern möchte, sollte sich folgende Fragen stellen:
Welche Orte habe ich zur Verfügung?
Wie viel Licht fällt ein?
Werde ich Indoor oder Outdoor anbauen?
Wie viel Zeit möchte ich mit den Pflanzen verbringen?
Danach gehend ist es viel einfacher, passende Pflanzen zu finden, die dann die richtigen Erträge bringen und viel Freude schenken. Wer sich von euch eine spezielle Pflanze in den Kopf gesetzt hat, soll sich davon natürlich auch nicht abbringen lassen. Ich habe schon mal Kartoffeln in kleinen Eimern angebaut. Freunde von mir haben Tomatenpflanzen in der Küche wachsen. Es ist möglich, aber nicht in jedem Fall zielführend. Mit ein paar Spezialtrickanwendungen können aber auch hier die Erträge gesteigert werden. Im urbanen Gärtnern ist es aber immer gut, sich die Limitationen bewusst zu machen, um dann aktiv dagegen steuern zu können und der Pflanze die besten Chancen zu geben.
Meine bepflanzbaren Orte
Ich habe Zugriff auf zwei Balkone. Sie sind jeweils circa einen Meter breit und einmal sechs, einmal zehn Meter lang. Der kürzere von Beiden hat definitiv die schönere Aussicht und wir lieben es darauf zu sitzen. Die meisten Pflanzen wachsen darauf allerdings nur schwer und langsam. Es handelt sich hierbei um einen nach Westen ausgerichteten Balkon. Wettereinflüsse wie Wind und Regen kommen ungehemmt an. Rankpflanzen sind mir durch den Wind umgeknickt und kaputt gegangen. Dieses Jahr habe ich deswegen die meisten Pflanzen auf dem anderen Balkon. Nur Walderdbeeren habe ich hier noch angepflanzt. Denen geht es sehr gut. Der Ertrag war reichlich, schön klein dunkelrot und saftig.
Mein Hauptanpflanzort ist somit der zweite etwas längere Balkon. Dieser ist ostseitig ausgerichtet und liefert Morgensonne und Mittagshitze. Der Regeneinfall wird vom Haus abgeschwächt. An der Hauswand ist es ständig trocken. Lediglich an den Geländern kommt etwas Regen an. Ich habe um die 20 Pflanzgefäße, einige größer, andere kleiner. Da der Balkon schmal ist, ist es mein Ziel, mehr Hängevorrichtungen und Anbaugefäße zu haben, die alle Ebenen des Balkons ausnutzen. Hier ist noch Ausbaupotential vorhanden. Eine große Pflanztasche, in der in drei Ebenen angebaut werden kann, ist ein erster Schritt in diese Richtung. Um im Sommer nicht ständig über den Wasservorrat meiner Tomaten nachdenken zu müssen, habe ich einige Pflanzkübel mit einem Wasserreservoir versehen. So kann die ganze WG übers Wochenende wegfahren und es muss kein Pflanzensitter bestellt werden. Angebaut habe ich dieses Jahr vornehmlich Kräuter. Darunter waren dreizehn verschiedene Basilikumsorten, Shiso (für meine Sommerrollen), Salbei und Thymian. Eine Tomatenpflanze und einige Erdbeerpflanzen haben auch auf den Balkon gefunden.
Durch eine Kommilitonin habe ich Zugang zu einem großen Grundstück am Land. Die Gegend ist sehr warm und sonnig. Die Erde ist sehr fruchtbar und der Grundwasserspiegel hoch. Hier haben wir dieses Jahr zahlreiche Tomaten, Maisraritäten, Bohnen, Erbsen, rote Beete, verschiedene Salate, Spinat, Erdbeeren und Physalis angebaut. Bei dem Saatgut handelt es sich um Saatgut aus biologischem Anbau mit einem Schwerpunkt auf alte Sorten und besondere Raritäten.
In der Wohnung selbst wachsen derzeit nur Zimmerpflanzen. Einige der Kräuter werden aber umziehen. Weitere Experimente zum Themenfeld Gemüseanbau in der Wohnung sind nicht auszuschließen.
Fragen für das kommende Jahr:
Auch ich nehme mir Zeit, das letzte Gartenjahr Revue passieren zu lassen, dabei helfen mir folgende Überlegungen.
Was hat dieses Jahr besonders gut funktioniert?
Welche Fehler möchte ich im nächsten Jahr vermeiden?
Gibt es Probleme, die ich durch eine Umstrukturierung meiner Pflanzen und Pflanzbehältnisse lösen kann?
Kann ich die Erde über den Winter verbessern?
Mit einem grünen Daumen kommt man vielleicht nicht auf die Welt. Gewisse Dinge muss man ausprobiert haben um sie tiefgründig zu verstehen. Mit etwas Ausdauer und guter Recherche kann allerdings jede*r das passende Gespür entwickeln. Unabhängig davon, ob ein Garten, ein Balkon oder auch nur die eigenen vier Wände zur Verfügung stehen. Grüner kann jeder Ort werden.
Nächsten Donnerstag werde ich meine besondere Form der Pflanzendüngung vorstellen. Bis dahin freue ich mich über zahlreiche Kommentare. Welche Fragen rund um das Thema Gärtnern wüsstet ihr gerne beantwortet?
Alles Liebe und bis nächste Woche
Eure Vera.
Quellen und weiterer Lesestoff:
http://www.nytimes.com/interactive/2016/10/09/magazine/big-food-photo-essay.html
http://ec.europa.eu/eurostat/web/agri-environmental-indicators/overview
Bilder/Fotografin: Vera Kondratiuk
Die Freischnauzeköchin ist zum Bloggen über ihre Freude an der Fotografie von Essen gekommen. Seit 2013 gibt es ihre vegetarischen Rezepte online und Tipps zum (nachhaltigen) Leben in Wien. Die in ihrem Studium der Agrarwissenschaften erworbenen Erkenntnisse und ihre Erfahrungen als urbane Gärtnerin teilt sie gerne mit ihrer Leserschaft. Ihr Augenmerk richtet sie hierbei auf zukunftsweisende und umweltfreundliche Lösungen.