Die allgemeine Energiewende verliert sich aktuell in einem Chaos aus Technologievorschlägen und Entwicklungen, die fernab jeder Nachhaltigkeit sind und Interessenkämpfen zwischen Politik, Industrie und engagierten Bürgern. Dabei könnte die Bundesrepublik in kürzester Zeit vollständig auf Öl, Gas – natürlich Atomkraft – und Kohle verzichten und dabei immense Summen einsparen. „Less is more“ ist ein geflügelter Spruch für Architekten (ein Spruch der Mies van der Rohe zugeschrieben wird) und „das Gute liegt so nah“ ein weiterer. Es braucht keine neue Technik, keine komplexen Netze, weder mit Höchstspannung noch für Steuerdaten, nur ein wenig Intelligenz.
Hört auf zu diskutieren, macht es einfach
Die Bürger der Gemeinde Jühnde in Niedersachsen wurden fast 5 Jahre von Wissenschaftlern (Soziologen, Psychologen, Volkswirtschaftler, sowie Geo- und Agrarwissenschaftler) in hunderten gemeinsamer Sitzungen „bearbeitet“, bis sie sich immerhin dazu durchgerungen hatten, eine Genossenschaft zu bilden, die eine autarke Energieversorgung erstellen sollte. Erst, als der Planungsausschuss ein Blockheizkraftwerk besichtigt hatte, waren plötzlich alle „Feuer und Flamme“. Die Einfachheit hatte sie überzeugt. Ein Gasmotor, mit Biogas betrieben und ein Holzofen sind alles was man braucht, um ein ganzes Dorf autark zu machen. Technologie, die über einhundert Jahre alt ist, verlässlich funktioniert und mit „Bordmitteln“, also den im Dorf vorhandenen Handwerkern betrieben, gewartet, ja errichtet werden kann. Es war so einfach, dass es niemand glauben wollte: „Warum machen wir seit einhundert Jahren diesen Irrsinn mit?“
Für Jühnde begann die nachhaltige Zukunft 2006 mit der Inbetriebnahme der komplett fertig gestellten Anlage. Sämtliche Gebäude der Gemeinde (knapp 1000 Einwohner) werden von der Anlage beheizt. Der zusätzlich erzeugte Strom übersteigt den eigenen Bedarf um das Vierfache, der „Überschuss“ bringt Geld ins Dorf. Sämtliche „Rohstoffe“ sind in der Gemeinde im Überfluss vorhanden, es fließt kein Geld aus dem Ort. Alle Einwohner sind an dem Projekt beteiligt.
Der ökologische Aspekt
Das für den Motor erforderliche Gas wird aus vorhandenen Substraten erzeugt. In jeder Gemeinde gibt es eine Fülle von biogenen Abfällen, Resten aus der Landwirtschaft und der Pflege der Wege und Straßen. Eine Gemeinde wie Jühnde ernährt sämtliche Bürger komplett ökologisch mit weniger als einem Viertel der üblichen Feldmark. Theoretisch sind die übrigen Flächen frei für nachwachsende Rohstoffe und Energiepflanzen. Die Landwirte können mit solidarischen Konzepten ihre sämtlichen Erzeugnisse an die Genossenschaft – zu der sie ja auch gehören – liefern und diese sorgt dafür, dass sie alles bekommen, was sie benötigen, einschließlich der Mithilfe bei der Feldarbeit. Hier ist eigentlich nicht einmal mehr Geld erforderlich. Übrige Erzeugnisse, immerhin mindestens das Vierfache des Eigenbedarfs, können zum Beispiel an die nächste Stadt – hier Göttingen – geliefert werden. Weder für die Nahrungsproduktion, noch für eventuell angebaute Energiepflanzen oder weitere nachwachsende Rohstoffe ist der Einsatz von Chemie erforderlich.
Eine andere Variante ist, überschüssiges Gas in das vorhandene Erdgasnetz einzuspeisen und so auch Städten zu ermöglichen, auf fossile Energieträger zu verzichten. Der überschüssige Strom geht ohnehin in das vorhandene Mittelspannungsnetz, Hoch- und Höchstspannungsleitungen können nach und nach verschwinden.
Der ökonomische Aspekt
Niemand braucht externe Investoren. Die Finanzierung, soweit externe Leistungen benötigt werden, erstellt die Genossenschaft mit Hilfe der – natürlich genossenschaftlichen – Volksbank. Grundsätzlich kann die gesamte Anlage, vom unterirdischen Fermenter und seinen weiteren Komponenten über den Gasmotor und den Generator, sowie den Holzfeuerungsofen – für Spitzenzeiten im Winter – und das gesamte Wärmenetz von örtlichen Handwerkern errichtet werden. Benötigt werden Bauhandwerker, ein Stellmacher (Schmied und Landmaschinenmechaniker), ein Sanitär- und Heizungsbauer und der Elektriker. Je nachdem, welche dieser Gewerke und mittelständischen Betriebe am Ort oder in der Region vorhanden sind, müssen einige Komponenten extern beschafft werden. Entscheidend ist in jedem Fall, dass die gesamte Anlage eine – gegenüber Solar- und Windtechnologie – extrem lange Lebensdauer hat. Biogasanlagen werden in Afrika und Asien seit über 3000 Jahren betrieben, die „Technik“ ist einfachst. Die großvolumigen Gasmotoren, die lediglich im Leerlauf arbeiten müssen, haben bei guter Wartung eine Lebensdauer von über 100 Jahren. Alle Teile lassen sich einfach reparieren und ersetzen. Sämtliche Teile der Anlage lassen sich jederzeit recyceln, also wieder verwenden, somit ist so gut wie keine neuerliche Rohstoffgewinnung erforderlich.
Selbst der Treibstoff für die vorhandenen Fahrzeuge kann – wie viele Projekte im Wendland zeigen – am Ort oder in der Region erzeugt werden, ob als Gas, Dieselöl oder eben elektrischer Strom. Je einfacher diese Fahrzeuge beschaffen sind, desto besser lassen sie sich am Ort in Stand halten, wie zum Beispiel in Myanmar, wo nun bald 70 Jahre alte Landrover zu Hunderten von den Bauern und Monteuren immer noch „am Leben gehalten“ werden.
Der soziale Aspekt
Sowohl die Errichtung, als auch der Betrieb der Anlage schaffen Arbeit im Ort. Das gilt auch für die – spätestens ab jetzt – vollständig ökologisch arbeitende Land- und Forstwirtschaft. Auch hier werden Arbeitskräfte jederzeit gebraucht, statt der zurzeit nur 1,5 Personen je Betrieb nun bis zu 10 Personen.
Die „Energiegenossenschaft“, die ursprünglich nur die Energieautarkie zum Ziel hatte, beginnt sich nun auch, um die weiteren Aspekte des Lebens in der Gemeinde zu kümmern. Alle Einwohner sind mit all ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten nunmehr Teil der Gemeinschaft. In vielen dieser „neuen Gemeinschaften“ beginnt ein Prozess, der die Autarkie weit über den Energiebereich hinaus betreibt.
Da die alten Mitbürger nun ebenso zur Gemeinschaft gehören, wie die Jüngsten, die – bisher – Arbeitslosen und vielleicht in ihren Fähigkeiten Eingeschränkte oder „Zugereisten“, entsteht eine allgemeine „Fürsorge“, die von der Kinderkrippe über die – vielleicht neu geschaffene – Dorfschule bis zur Betreuung der Alten das gesamte Leben aller Einwohner umfasst. Jeder kümmert sich um jeden, niemand ist ausgegrenzt oder benötigt externe Hilfe.
Viele dieser Gemeinden errichten Dorfläden – mit einem Dorfcafe – wo mindestens der gesamte Grundbedarf gedeckt wird. Natürlich erhält man hier auch alle Erzeugnisse der Landwirte, vielleicht des wieder ansässigen Schusters, Sattlers, Schneiders und so fort. In einigen dieser Läden sind zusätzlich Räume für einen Land- und einen Zahnarzt, die mindestens einige Tage in der Woche hier praktizieren.
Es ist in der Tat so einfach, dass in einer derart verkomplizierten Zeit, wie im 21. Jahrhundert sich niemand vorstellen kann, dass das Leben über tausende Jahre so funktionierte. Der technologische „Fortschritt“ muss nicht „verloren“ sein, lediglich derjenige, der so völlig unsinnig ist, dass er eine nachhaltige Zukunft behindert, ja unmöglich macht. Welcher das genau ist, entscheiden in jedem Ort die Menschen selbst, im Einvernehmen mit ihrer Umgebung.