Zero Waste City. Fotocredit: Blubel on Unsplash
Zero Waste City. Fotocredit: Blubel on Unsplash
Zero Waste City – die müllfreie Stadt. Kann das funktionieren? Und wenn ja, wie?
Dieser Artikel wurde am 20. August 2020 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Über 400 Städte und Gemeinden in Europa und eine zunehmende Anzahl an Kommunen auf der ganzen Welt haben sich dem Zero Waste Cities Programm verschrieben. Sie setzen sich dafür ein, die Müllflut dort zu stoppen, wo sie beginnt: Mit Systemen, die von vornherein keinen Abfall produzieren. 

Zero Waste im Haushalt und Zero Waste in der Stadt

Bevor wir tiefer in das Thema Zero Waste City einsteigen, nochmal kurz einen Schritt zurück: Was ist Zero Waste nochmal? 
Der Begriff Zero Waste (zu deutsch: Null Abfall) wurde von der Amerikanerin Bea Johnson geprägt, die mithilfe der sogenannten 5 R’s ihren Haushalt vom Abfall befreit hat.

Die 5 R’s stehen für:

  • Refuse – Lehne alles ab, was du nicht brauchst.
  • Reduce – Reduziere alles, was du brauchst.
  • Reuse – Achte auf nachhaltige Produkte, die man wiederverwenden kann oder verwende Dinge wieder, die du schon hast.
  • Recycle – Recycle alles, was man nicht ablehnen, reduzieren oder wiederverwenden kann.
  • Rot – Kompostiere organische Abfälle.

Die Bewegung versucht also die Vermüllung dort zu bekämpfen, wo sie beginnt. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Verpackungen, Materialien und Produkten ist eins der wichtigen Elemente innerhalb der Zero Waste Bewegung. Es geht darum, Schadstoffe gar nicht erst in die Erde, ins Wasser oder in die Luft gelangen zu lassen.

In Österreich sorgt der Verein Zero Waste Austria dafür, die Zero Waste Bewegung in ganz Österreich voran zutreiben und führt seit dem Jahr 2018 ein Zero Waste City Pilotprojekt in der Gemeinde Gratwein-Straßengel durch. Aber jetzt mal ehrlich: Zero Waste im Haushalt ist schon ein großer Schritt und das soll auf Stadt- und Gemeindeebene funktionieren?

Jap. Und zwar mit visionären EntscheidungsträgerInnen, die in Zusammenarbeit mit innovativen UnternehmerInnen, zeigen, dass eine Zero Waste City keine Utopie sein muss und, dass es möglich ist nachhaltig zu konsumieren und dabei neue Arbeitsplätze zu schaffen. Hier setzt der Kampf gegen das Plastik ganz vorn an: Alternative Vertriebssysteme werden gefördert und Einwegprodukte sollen abgeschafft werden. Genauso geht es aber darum, Interesse und Bewusstsein für einen abfallfreien Lebensstil bei BürgerInnen zu wecken. 

Die erste Gemeinde, die in Europa eine Zero Waste Strategie entwickelte, war Capannori in Italien im Jahr 2007. Die Stadt wollte zur Zero Waste City werden mit dem Ziel langfristigen keinen Müll mehr zu produzieren. 

Capannori, die erste Zero Waste City

Bis zu diesem Jahr wollte Capannori keinen Müll mehr erzeugen: Dieses Ziel setze sich die Gemeinde im Norden der Toskana im Jahr 2007. Um genau das umzusetzen, erarbeitet sie einen umfassenden Plan: Durch getrennte Sammelsysteme soll die Verwertung des Abfalls maximiert werden. Gleichzeitig sollen wirtschaftliche Anreize, den Müll direkt an der Quelle reduzieren. 

Mit der Eröffnung von Geschäften, die Produkte direkt aus der Region ohne Verpackung verkaufen, soll sich der Restmüll reduzieren. Weitere Initiativen, wie öffentliche Trinkbrunnen, machen es überflüssig Wasser in Plastikflaschen zu kaufen.  “In einer Wiederverwertungsstation können Bürgerinnen und Bürger Kleidung, Schuhe oder Spielzeug abgeben. Dort werden sie repariert und an Menschen mit geringem Einkommen weiterverkauft. Und die Stadt bezuschusst waschbare Windeln. Darüber hinaus veranstaltet sie Zero-Waste-Wettbewerbe, um den Einwohnerinnen und Einwohnern zu helfen, solche Initiativen anzunehmen und umzusetzen,” schreibt Esra Tat für die Heinrich Böll Stiftung.

Die Ergebnisse der ersten Zero Waste City

In den Jahren zwischen 2004 und 2013 sankt die Abfallmenge in Capannori um 39 % von 1,93 kg auf 1,18 kg pro Person pro Tag. Außerdem hatte sich der Restmüllanteil pro Kopf und Jahr im Jahr 2011 im Vergleich zum Jahr 2006 um 57 % reduziert. Während im Jahr 2006 noch 340 kg Restmüll produziert wurden, fiel die Zahl in 2011 auf 146 kg. Zum Vergleich: Im selben Jahr fielen in Dänemark durchschnittlich 409 kg Abfall pro Kopf an. Die beeindruckenden Zahlen zeigen also: Es funktioniert! Eins der wichtigsten Elemente dabei: Kommunikation der Initiativen und Bewusstseinsbildung bei BürgerInnen. 

Zero Waste City Initiativen. Fotocredit: Plastikatlas 2019
Zero Waste City Initiativen. Fotocredit: Plastikatlas 2019

San Fernando auf den Philippen – Kommunikation mit Erfolg

In San Fernando ist die Abfall-Trennungsquote im Jahr 2018 von 12 auf 80 % gestiegen. Die Stadt lässt heute  ihre 80 % Abfälle von einer Genossenschaft recyceln, anstatt den Müll auf Deponien zu entsorgen. Hinzu kamen ein Verbot von Plastiksackerln und eine Abgabe auf Einwegverpackungen, während die Stadt gleichzeitig für Alternativen sorgte.

Die Bevölkerung akzeptierte die Maßnahmen und zwar mit einer Akzeptanz von über 85 %. Wie geht das?  Es gab vonseiten der Stadt das kontinuierliche Bemühen, den BürgerInnen den Sinn hinter den einzelnen Aktionen klarzumachen. Ob bei individuellen Treffen, Dialogen mit UnternehmerInnen oder einer regelmäßigen Radioshow: Es wurde stetig aufgeklärt und so Verständnis und Bewusstsein erzeugt. 

Strategien des Zero Waste Cities Programm funktionieren also in Italien und auf den Philippinen, aber was ist mit Österreich? 

Zero Waste City Pilotaktion in Gratwein-Straßengel 

Im Jahr 2018 hat das Klimaschutzteam der Gemeinde Gratwein-Strassengel mit der Zero Waste Austria Leitung in der Steiermark Evelyn Rath, sich  zum Ziel gesetzt, Zero Waste in der Gemeinde bekanntzumachen. Es sollten mit UnternehmerInnen Zero Waste Maßnahmen getroffen, umgesetzt und an die KonsumentInnen kommuniziert werden. Das Müllvermeidungspotential sollte in unterscheidlichsten Branchen durch viele kleine Maßnahmen ausgeschöpft werden. 

EU-Abfallrahmenrichtlinie. Fotocredit: Zero Waste Austria
EU-Abfallrahmenrichtlinie. Fotocredit: Zero Waste Austria

Durch das Umdenken und der Wandlung zu einem nachhaltigen Betrieb, sollten die teilnehmenden Unternehmen von der Pionierfunktion profitieren und zusätzlich Kosten, durch die geringeren Abfallentsorgungskosten sparen. Aber auch die BürgerInnen werden abgeholt: Ob Nähtreffen oder Tauschveranstaltungen, Workshops zum Thema Kompostieren oder Klimakochkurse um der Lebensmittelverschwendung den Kampf anzusagen. Gratwein-Straßengel bietet viele Veranstaltungen, um Bewusstsein und Aufmerksamkeit für den Zero Waste Lebensstil zu schaffen. 

Auf unternehmerischer Ebene werden Individuallösungen entwickelt, um sich so Schritt für Schritt an eine Zero Waste Gemeinde heranzutasten. Das Projekt läuft und kleine Erfolge lassen sich jeden Tag messen. 

Weitere 400 europäische Gemeinden wollen Zero Waste Cities werden

Seit Capannori, haben fast 400 europäische Gemeinden beschlossen, dem Zero Waste Cities Beispiel zu folgen. Mitgliedern der Organisation Zero Waste Europe initiieren und unterstützen dabei die Bewegung auf dem gesamten Kontinent. Neben Capannori wurden weitere tolle Ergebnisse erzielt. So wurden zum Beispiel in Ljubljana die zur Entsorgung gebrachten Abfälle um 59 % reduziert. Treviso in Italien ist sogar eine Best Practice Citiy: Hier wird weniger als 75 kg Restmüll pro Kopf und Jahr produziert. Zum Vergleich in Österreich waren es im Jahr 2018 166 kg, so der Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe.

Quelle:
Esra Tat – Zero Waste: Es geht auch ohne
Plastikatlas 2019 
Zero Waste Austria – Pilotaktion Gratwein-Straßengel 
Zero Waste Austria – Beratung Gemeinden 
Zero Waste Europ – Zero Waste in Cities