Das Wetten auf Lebensmittelpreise verschärft den weltweiten Hunger.
Dieser Artikel wurde am 26. Juni 2015 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Die Wenigsten wissen, dass ich ursprünglich aus der Finanzbranche komme und Bank- und Finanzwirtschaft studiert habe. Daher beobachte ich natürlich auch regelmäßig ein Phänomen, das meine Leidenschaften Essen und Finanz verbindet: das Wetten auf Lebensmittelpreise! Mit gemischten Gefühlen, denn wenn man genauer hinsieht hat dieses Handeln weitreichende Folgen.

Die bunten Linien sehen ein bisschen aus wie moderne Kunst – ein wildes Auf und Ab mit spitzen Zacken. Sie beeinflussen jedoch das Leben von Milliarden von Menschen, denn sie stellen die Preisentwicklung von wichtigen Lebensmitteln (und Baumwolle) in den vergangenen 8 Jahren dar. Der Weizenpreis zum Beispiel (gelbe Linie), hat sich von Mai 2007 bis März 2008 mehr als verdoppelt. Danach halbierte er sich wieder bis zum Ende des Jahres. Auch der Preis für Mais (grau) machte eine ähnliche Entwicklung mit. Dieser massive Preisausschlag hatte Folgen: Für Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern, die einen Großteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, war das tägliche Brot plötzlich unerschwinglich. Dabei waren Weizen und Mais nicht wirklich knapper geworden, was den Preisanstieg erklären würde, denn eigentlich ist genug für alle da. Doch wieso hat er sich dann verdoppelt?

Es gibt natürliche Entwicklungen, die den Preis von Grundnahrungsmitteln steigen lassen. Die Nachfrage nimmt mit der ständig wachsenden Weltbevölkerung zu, gleichzeitig werden immer mehr Nahrungsmittel als Viehfutter verwendet oder um daraus Energie und Treibstoff zu gewinnen. Diese Fundamentalfaktoren können aber nicht die massiven Schwankungen erklären – das können nur exzessive Spekulation mit Nahrungsmitteln!

Agrarrohstoffe wie Weizen oder Mais werden nämlich nicht nur real zwischen Bauer und Lebensmittelbranche gehandelt, sondern auch auf dem Papier. Es gibt Geschäfte, bei denen die Ware erst in ein paar Monaten zu einem bereits jetzt festgelegten Preis gekauft wird – die sogenannten “Futures” oder “Optionen” (je nach Ausgestaltung). Mit diesen Papieren können sich Erzeuger und Verarbeiter gegen starke Preisschwankungen absichern. Sie erlauben aber zusätzlich Spekulanten, die eigentlich gar keine Lebensmittel kaufen wollen, auf die zukünftige Preisentwicklung zu wetten. (Diese Papiere gibt es nicht nur für Lebensmittel, man kann heutzutage schon auf fast alles spekulieren, nicht nur im Wettbüro, sondern auch auf der Bank.)

Gibt es nun einen sehr hohen Anteil an Spekulanten, steht nicht mehr das reale Marktgeschehen sondern allein die Finanzmarktinteressen im Vordergrund. Und kauft ein Spekulant, kaufen meist auch viele andere, das so genannte Herdenverhalten. Gibt es nun Meldungen über schlechte Ernteaussichten, können die Preise explodieren, bis sich diese Meldungen relativieren (weil sie zum Beispiel nur die Ernte in einem kleinen Teil der Welt betreffen) und die Preise ebenso schnell wieder sinken. 

Mittlerweile gibt es schon viele Organisationen, die sich diesem Problem annehmen, wie zum Beispiel Oxfam oder die Welthungerhilfe. “Mit dem Essen spielt man nicht” lautet hier die Botschaft. Viele Kreditinstitute zogen sich nach weltweiter Kritik schon aus den Agrarspekulationen zurück, aber eben nicht alle. Viele Experten sehen als wirksamsten Beitrag zur Lösung der Welternährungskrise die Eindämmung der sogenannten Finanzialisierung der globalen Nahrungsmittelmärkte. Einiges ist auch schon passiert: die Finanzmarktrichtlinie MIFID (gilt seit 2014) macht auch Vorgaben für Agrarspekulationen. Sie setzt Obergrenzen für die Spekulation, die auch für den Handel außerhalb der Börse gelten. Vergleichbare Regelungen werden auch in den USA schon umgesetzt. Auch die Anleger sind mittlerweile zurückhaltender geworden, wenn es um Rohstofffonds geht. Es gibt schon viele gute Alternativen, wie zum Beispiel Investitionen in nachhaltige Landwirtschaft, Bio-Bauern oder Entwicklungsprojekte. Infos findet man zum Beispiel auf der Informationsplattform für ethisch-ökologische Veranlagung – hier

Quellen:
http://www.oxfam.de/files/20120511_mit-essen-spielt-man-nicht.pdf

https://www.foodwatch.org/uploads/media/2013-11-21_Bass_Finanzspekulation_und_Nahrungsmittelpreise_01.pdf
http://schrotundkorn.de/ernaehrung/lesen/wetten-dass-das-folgen-hat.html

Bilder/Fotograf: Ulrike Göbl
Chart: http://www.rohstoff-welt.de/

ulli goeblUlrike Göbl, MA

Die nebenberufliche Fitness- und Ernährungstrainerin beschäftigt sich schon seit ihrer Jugend mit gesunder Ernährung und alternativen Lebensweisen. 2010 begann die begeisterte Hobbyköchin ihren Foodblog „Fit & Glücklich“. Dort vereint sie ihre Liebe zu gutem Essen und Sport mit dem Versuch, die Balance im Leben zu finden. Seit 2012 vernetzt sie mit einer Kollegin auch noch die Österreichischen Foodblogger auf einer eigenen Plattform.