Egoismus
Egoismus
Was ist Egoismus eigentlich? Wann kann er nützlich sein, und wann ist er auf dauer hinderlich?
Dieser Artikel wurde am 2. Oktober 2017 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

In den letzten Jahren habe ich mich viel mit dem Thema Egoismus auseinandergesetzt. Was bedeutet es genau, egoistisch zu sein? Wann ist es besser, egoistisch zu sein? Und wann tut man niemandem etwas Gutes damit, sich nur auf sich selbst und seine eigenen Wünsche zu konzentrieren? Diesen Fragen möchte ich nun genauer nachgehen.

Ich habe sehr oft den Eindruck bekommen, dass ein starkes Ungleichgewicht zwischen unkontrolliertem Egoismus und totaler Selbstaufopferung besteht. Dieses Ungleichgewicht kann auch – unterschiedlich stark – in einer Person bestehen und ständig wechseln. Die folgenden Beschreibungen dieser zwei Zustände mögen an manchen Stellen überzogen wirken, sollen aber dadurch die jeweils bestehenden Gefühle klarer darstellen.

Selbstaufopferung

Ich beobachte viele Menschen (mich nicht ausgeschlossen), die es als höchste Tugend ansehen, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und nur Dinge zu tun, die entweder andere wirklich von ihnen wollen, oder die die anderen vielleicht brauchen oder wollen könnten. Das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse fühlt sich dann entweder wie ein Sieg gegen sich selbst an, weil man sich so sehr unter Kontrolle hat, nichts zu brauchen, oder aber es ist eine totale Niederlage. Man fühlt sich nicht wertvoll genug, um überhaupt das Recht darauf zu haben, auch etwas zu bekommen.

Unkontrollierter Egoismus

Unkontrollierter Egoismus hingegen ist es für mich dann, wenn man das Gefühl hat, etwas aus irgendeinem Grund verdient zu haben. Oder aber einfach etwas will oder glaubt, es zu brauchen, und dabei über Leichen gehen würde, um es zu bekommen. Mir kommt da das Bild eines Kindes in den Sinn, das einfach alles haben möchte, das es sieht, und gar nicht bemerkt, dass es andere Menschen gibt, die darunter leiden könnten.

Gesunder Egoimus

Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Gegensätzen des fehlenden und übertriebenen Egoismus sehe ich beim gesunden Egoismus eine Balance der unterschiedlichen Bedürfnisse – sowohl der eigenen als auch der der anderen. Man kann darüber streiten, ob es nun fünf, sechs oder sieben Grundbedürfnisse des Menschen gibt. Die meisten Dinge, die wir tun, sind nach diesen Bedürfnissen oder Motivationen ausgerichtet.

Gesunder Egoismus ist für mich daher eine direkte Befriedigung dieser Grundbedürfnisse. Ich sehe es wie die Anweisungen im Flugzeug, zuerst sich selbst die Sauerstoffmaske überzuziehen, bevor man Kindern oder anderen Menschen hilft. Es zeigt sehr schön, dass man nur dann anderen helfen kann, wenn es einem selbst gut geht (natürlich auf die jeweilige Situation bezogen).

Es gibt jedoch Wünsche, auf die man – wenn man ehrlich zu sich ist – auch verzichten könnte, wenn es sein muss. In solchen Fällen sollte man sich überlegen – bevor man sich diesen Wunsch erfüllt – anderen Menschen zu helfen, denen es in der aktuellen Situation nicht möglich ist, ihre Grundbedürfnisse selbst zu decken.

Stolpersteine

Es gibt sehr oft keine so klare Unterscheidung zwischen einem Grundbedürfnis und einem Wunsch. Oft gibt es Dinge, die sich wie Bedürfnisse anfühlen, die sich aber als sucht-ähnliches Verhalten ausdrücken. Das kann zum Beispiel sein, wenn man nur Obst ohne jegliche Schönheitsfehler essen kann. In solchen Fällen ist es wichtig, genauer hinzuschauen, ob es sich hierbei wirklich um ein Grundbedürfnis handelt, und ob das tatsächliche Grundbedürfnis auch anders befriedigt werden könnte.

Was sind nun Grundbedürfnisse?

Es gibt diverse unterschiedliche Modelle, welche Grundbedürfnisse des Menschen es gibt. Aus meiner Sicht gibt es hierbei jedoch unterschiedliche Kategorien, je nachdem wie dringend es ist, diese Bedürfnisse auch zu erfüllen.

Die körperlichen Grundbedürfnisse wie Luft zum Atmen, Wärme/Kleidung, sauberes Trinkwasser, Nahrung und Schlaf/Ruhe sind hier aus meiner Sicht die Bedürfnisse, die für das unmittelbare Überleben notwendig, und daher im ersten Moment dringlicher sind.

Betrachtet man jedoch längere Zeitspannen, sind Sicherheit, soziale Kontakte, Anerkennung und Selbstverwirklichung genauso wichtig für ein gutes Leben.

Fazit

Es kann nur jeder Mensch für sich selbst erkennen, wo sich welche Verhaltensmuster im Leben zeigen. Ich habe bei mir beobachtet, dass ich durch das Ausleben von gesundem Egoismus – im Bezug auf alle Grundbedürfnisse – am besten fühle. Sowohl der unkontrollierte Egoismus als auch die Selbstaufopferung hinterlassen bei mir immer einen bitteren Nachgeschmack.

Es ist sicher nicht immer möglich, die Grenze genau zu erkennen. Vor allem, weil sie sich je nach Situation stark verschieben kann. Ich habe in meinem Leben jedoch gemerkt, dass es einen Mehrwert schafft, bewusster mit diesen Gefühlen umzugehen, um dadurch klarere Entscheidungen treffen zu können. Außerdem hilft es mir auch dabei, meinem eigenen Ausbrennen vorzubeugen.

 

weiterführende Quellen

https://de.wikipedia.org/wiki/Grundbedürfnis

Bildquellen

pixabay.com / Sarah_Loetscher