Fotocredit: Gela Ochsenherz
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Das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft und Beispiele für Betriebe in Österreich
Dieser Artikel wurde am 31. Mai 2019 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Nie waren wir mehr “eine” Welt als heute. Die Globalisierung erreicht durch die technischen Möglichkeiten unendliche Ausmaße – und doch läuft nicht alles rund. Wir karren unser Essen von einer Seite der Weltkugel auf die andere und viele Menschen hungern, während andernorts eine riesige Menge an Lebensmitteln weggeworfen wird. Es gibt aber auch positive Entwicklungen, und eine davon möchte ich heute vorstellen: die solidarische Landwirtschaft!

Solidarische Landwirtschaft

Eine soziale und ökologische Bewegung, die das Prinzip “global denken, lokal handeln”, verwirklichen will – das ist solidarische Landwirtschaft oder “Solawi” (Community Supported Agriculture, kurz CSA, oder regionale Vertragslandwirtschaft). Das Prinzip ist nichts neues, hat es doch schon 2001 auf dem Weltsozialforum in Brasilien große Aufmerksamkeit erregt. CSA kam vor über 30 Jahren in den USA auf, als “Teikei” (Partnerschaft) ist sie seit den 60er Jahren in Japan verbreitet, aber erst seit rund einem Jahrzehnt boomt sie in Westeuropa. 

Die Idee der Solidarischen Landwirtschaft basiert auf einer Gemeinschaft von Konsumenten, die einen Bauern durch die regelmäßige Zahlung eines Beitrages unterstützen und ihn damit unabhängiger von Handelsketten und natürlichen Widrigkeiten machen. Dieser Personenkreis finanziert die Kosten des professionellen Gemüseanbaues für einen definierten Zeitraum und erhält dafür regionale qualitätsvolle, erntefrische Nahrungsmittel, trägt aber auch das Risiko von Ernteausfällen (z.B. durch Unwetter, Schädlinge) mit. 

Wo sonst der Preis- und Effizienzdruck des Marktes unbarmherzig durchschlägt, tragen hier die Abnehmer durch die Vorfinanzierung einen Teil des Risikos mit. Es gibt was die Saison gebracht hat – mal üppige, mal eher karge Ernten. Bei manchen Projekten dürfen die Konsumenten auch direkt mitarbeiten. Wer sonst keine Möglichkeit hat eigenes Gemüse anzubauen, bekommt so neben dem Platz und den Werkzeugen auch das nötige Fachwissen mit in die Hand.

<a href="http://www.ochsenherz.at">Fotocredit: Gela Ochsenherz</a>
Fotocredit: Gela Ochsenherz

Bewusstsein für das eigene Essen

Bei vielen Anbietern einer solidarischen Landwirtschaft handelt es sich zum Teil um professionelle landwirtschaftliche Betriebe, die darin unter anderem auch eine Form der Direktvermarktung sehen. Es gibt aber auch jene Projekte, die den Gemeinschaftsaspekt besonders pflegen und solidarische Landwirtschaft als eine Art nachbarschaftliche Vernetzung betrachten. Biologische Wirtschaftsweise und auch rein vegane Betriebe sind möglich, aber nicht zwingend. 

Bewusstseinsbildend wirken die Initiativen am meisten, je direkter die Menschen an der Arbeit beteiligt sind. Der Wert der Lebensmittel ist ja buchstäblich mit Händen zu greifen, wenn man sie selbst gepflanzt hat. Wenn man das Wachstum mit Hoffnung und Freude verfolgt und am Schluss erntet. Weltweit werden immer noch ein Drittel aller Nahrungsmittel weggeworfen – vielleicht kann man hier mit solidarischer Landwirtschaft zumindestens ein bisschen gegenwirken. Was man selbst angebaut hat, wirft man weniger leichtfertig weg. Außerdem ist die Qualität von selbst angebautem Obst und Gemüse oft höher, als jene aus dem Supermarkt, die am Samstag bis 20 Uhr geliefert werden.

Einige Beispiele in Österreich

In ganz Österreich gibt es Beispiele für solche Kooperationen, sogar in Wien. Hier ein paar Beispiele:

Biohof Radl in Wien

Lebensmittel wieder erleben. Das ist das Motto am Biohof Radl. Mit dem regelmäßigen Beitrag „pachten“ Konsumenten ein Stück Ackerland, von etwa 40 m2, welches von der Familie Radl bewirtschaftet wird. Den Ertrag ihres Anteils bekommen die Konsumenten wöchentlich zur Abholung auf dem Hof oder im ehemaligen BioVegan2Go-Shop in Wien Neubau bereitgestellt. Inhalt und Menge des Anteils hängen von den Jahreszeiten und den Naturgewalten ab. Woche für Woche wird eine möglichst große Auswahl an saisonalem Bio-Austria-zertifiziertem Gemüse angeboten. Die Konsumenten können zwischen einer Vollmitgliedschaft mit 24 Kisten und einer Teilmitgliedschaft mit 12 Kisten wählen. Die Solidarität wird durch ein aktives Miteinander bei Feldarbeitstagen, Gemeinschaftsabenden und mittels Informationsmaterialien gestärkt.

Gärtnerhof Ochsenherz in Niederösterreich

Im Projekt „Gemeinsame Landwirtschaft“ der Gärtnerei Ochsenherz gibt es zwei mögliche Formen der Teilnahme. Entweder geschieht der Gemüsebezug mittels einer fertig gepackten Gemüse-Anteilskiste. Die Kistl werden 26 mal zwischen Frühling und Herbst vom Gärtnerhofteam einmal wöchentlich an den Abholstellen bereitgestellt. Die Abholstellen sind von den Ernteteilern selbst organisiert. Ab 10 Kistln kann eine weitere Stelle beliefert werden. Das Ernteanteilskistl gibt es in 2 Größen (1 bzw. 2 Ernteanteile) und enthält in der Haupterntesaison jeweils etwa 10 verschiedene Gemüsearten, darin eingeschlossen auch Kräuter. Die andere Form der Teilnahme besteht darin, einmal wöchentlich an einer vereinbarten Verteilstelle aus dem bereitgestellten Gemüsesortiment frei Gemüse zu entnehmen. Hilfe bei oder die Übernahme der Standbetreuung ist eine beliebte Form der Mitarbeit von Ernteteilern im Projekt.

<a href="http://www.ochsenherz.at">Fotocredit: Gela Ochsenherz</a>
Fotocredit: Gela Ochsenherz

Almtal in Oberösterreich

Im oberösterreichischen Almtal wurde 2018 die Grüne Erde Welt “Almtal” eröffnet. 70 biologisch und im Fruchtwechsel angebaute Gemüsearten, 40 Ernteanteile und 2 Expertinnen gibt es dort. Almgrün hat die übliche Kooperation zwischen Verbrauchern und Erzeugern um die Partnerschaft mit der Firma Grüne Erde erweitert. Zwei Gemüsegärtnerinnen bewirtschaften 1 ha Freiland und 300 m2 im Glashaus, direkt vor der Grüne Erde Welt. Wer Ernteanteile erwirbt, kann während der gesamten Saison wöchentlich Gemüsekisten abholen. Mit den Ernteanteilen werden – derzeit aber erst teilweise – die Anbaukosten vorfinanziert, vom Werkzeug über das Saatgut bis zu einem kleinen Gehalt für die Gärtnerinnen. Mithilfe wird bei Almgrün nicht verlangt, ist aber fallweise bei sogenannten Mitmachtagen willkommen.

Ich hatte früher ein klassisches Bio-Kistl mit wöchentlichen Gemüse- und Obstlieferungen, allerdings ohne die direkte Beteiligung. Nun habe ich einen eigenen Garten und versuche mich hier an der Selbstversorgung – sollte es nicht klappen, werde ich die Beteiligung an einem CSA andenken und mir so quasi professionelle Unterstützung holen.

Quellen:
Garteln in Wien, “Solidarische Landwirtschaft
Grüne Erde, “Almgrün – biologisch-solidarisches Gemüse