Labor, Lebensmittelanalyse
Labor, Lebensmittelanalyse
Es werden immer mehr Schadstoffe in Lebensmitteln gefunden – doch sind wirklich mehr enthalten, oder hat das einen anderen Grund?
Dieser Artikel wurde am 6. September 2019 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Arsen im Reis, Dioxin im Ei, Pyrrolizidine im Tee – Lebensmittelskandale häufen sich und ich frage mich manchmal, ob die Qualität wirklich so viel schlechter ist als früher. Bei meinen Recherchen habe ich dann herausgefunden: das Problem liegt an anderer Stelle. Nämlich daran, dass die Lebensmittelanalysen immer genauer werden.

Wunderwerk der Technik

Im Labor können heute Schwermetalle wie Arsen in einer Konzentration von 10 Millionstel Gramm (10 Mikrogramm) je Kilogramm nachweisen. Damit man sich das ungefähr vorstellen kann: wirft man 10 Stück Würfelzucker in ein olympiataugliches 50-Meter-Schwimmbecken, rührt um, und die Geräte „schmecken“ den Zucker heraus. Damit lassen sich Rückstände in Lebensmitteln finden, die früher schlicht und einfach nicht messbar waren. Daneben gibt es noch die unterschiedlichsten Sensortechniken, die Chemikalien auf Bildern sichtbar machen oder sogar die Haltbarkeit eines bereits verpackten Produktes auf der Verpackung anzeigen.

Meldungen über Schadstoffe in Lebensmitteln verunsichern verständlicherweise uns Verbraucher. Besonders dann, wenn die Schlagzeile den gefunden Stoff mit Krebs in Verbindung bringt. Die Angst vor Schadstoffen in Nahrungsmitteln ist groß. Politik und Behörden sehen sich daher genötigt neu gefundene Schadstoffe zu reglementieren. Sie fordern Minimierungsmaßnahmen, empfehlen Höchstmengen oder legen Grenzwerte fest. Dabei kann es vorkommen, dass was gestern noch genussvoll verspeist wurde, morgen nicht mehr verzehrfähig ist. Das Wegwerfen von Lebensmitteln ist aber nicht die einzige Folge.

Grenzwerte mit Folgen

Die meisten Grenzwerte basieren auf Tierversuchen. Dabei wird jene Dosis ermittelt, bei denen sich im Versuch keine negativen Effekte bei den Tieren zeigen. Diese Dosis wird dann noch durch einen Sicherheitsfaktor (meist 100 oder 1000) geteilt und als Grenzwert festgelegt. Dabei werden auch Daten über giftige Wirkungen auf den Menschen und Abschätzungen, wie viel von dem Schadstoff ein Mensch zu sich nimmt, mit einbezogen. Für Stoffe mit krebserregender Wirkung gilt das ALARA-Prinzip: Lebensmittel sollen so wenig von dieser Substanz enthalten, wie sich vernünftigerweise erreichen lässt (“As low as reasonably achievable”).

Arsen im Reis

Im Fall von Arsen im Reis hat die EU zum Beispiel 2015 Grenzwerte erlassen. 200 bis 300 Mikrogramm Arsen je Kilogramm sind, je nach Produkt, noch erlaubt. Für Baby- und Kinderprodukte gelten 100 Mikrogramm. Lebensmittel, die diese Werte übersteigen, dürfen nicht mehr verkauft werden. Um das Problem aufzuzeigen muss ich noch etwas weiter ausholen: Arsen ist von Natur aus in unterschiedlicher Konzentration im Boden und gelangt von dort in den Reis. Diese Konzentration ist natürlich von Region zu Region verschieden. So müssten betroffene Hersteller grundsätzlich den Lieferanten wechseln, weil dieser das Pech hat, in einer Region mit höherem Arsenvorkommen im Boden zu leben. Das Arsen reichert sich im Reis überwiegend in der Schale an. Grundsätzlich könnte also auch einfach nur noch weißer Reis, ohne Schale, angeboten werden. Dadurch geht aber auch sehr viel Nährwert vom Reis verloren.

Pyrrolizidinalkaloide im Tee

Ein weiteres Beispiel sind Pyrrolizidinalkaloide (PA) im Tee. PA kommen ebenfalls in der Natur vor, nämlich in Pflanzen, die sich damit gegen Fraßinsekten schützen. In Tierversuchen können einige PA die Leber schädigen und Krebs auslösen. Findet also nun jemand Spuren davon im Tee wird sofort Alarm geschlagen. Dabei gibt es für PA nicht einmal einen Grenzwert, weil viele wissenschaftliche Fragen ungeklärt sind. Die Konsumenten sind trotzdem verunsichert und trinken weniger Tee (der ja auch viele gesundheitliche Vorteile hat).

Bio noch schlimmer

Bio-Betriebe haben es dabei besonders schwer, da sie unerwünschte Kräuter nicht einfach mit Pestiziden tot spritzen, sondern eine gewisse Menge davon auf ihren Feldern akzeptieren. Diese pflanzliche Artenvielfalt bietet Insekten und Vögeln Nahrung und stabilisiert das Ökosystem. Bei der maschinellen Ernte können aber nun viele dieser Kräuter in den Tee gelangen, weshalb Bio-Firmen unter hohem Aufwand (und hohen Kosten) versuchen, PA im Endprodukt zu minimieren. Einschlägige Pflanzen werden gezielt manuell entfernt und eingehende Kräuterlieferungen werde gezielt auf PA untersucht.

Labor, Lebensmittel
Fotocredit: The Creative Exchange auf Unsplash

Kühe unterm Glassturz

Wo das alles hinführen soll bleibt offen. Wir Menschen haben unsere Umwelt jahrzehntelang mit schädlichen Chemikalien belastet und wundern uns jetzt, wenn unsere Lebensmittel damit kontaminiert sind. So können zum Beispiel winzige Spuren von Dioxin, die Freilandkühe beim Grasen aufnehmen, dazu führen, dass deren Fleisch als belastet gilt und nicht mehr verkauft werden darf.

Keim- und schadstofffreie Lebensmittel ließen sich allerdings nur im Labor herstellen. Doch wollen wir das wirklich? Im Grunde gilt es, eine vernünftige Balance zwischen Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln zu finden.

Die gute Nachricht zum Schluss

Grundsätzlich gibt es an all diesen Kontrollen auch etwas Positives: abgesehen davon, dass gesundheitsschädliche Stoffe entdeckt werden können, wird auch Betrügern das Handwerk gelegt. In der Vergangenheit wurde oft Fleisch falsch verkauft (also als ein anderes Tier), Kaffee gestreckt, Oliver umgefärbt uvm. Solchen Tricks werden heute früher entdeckt und die Nahrung steigt somit in der Qualität. 

Bei der Kontrolle und Analyse von Lebensmitteln ist es übrigens durchaus vorstellbar, dass diese zukünftig teilweise durch die Konsumenten selbst erfolgen kann. Am Körper getragene Kleinstgeräte können mit entsprechenden Miniaturanalysengeräten und Nanosensoren ausgestattet werden, die alles Mögliche messen können, auch die Qualität von Lebensmitteln. Ein in dieser Hinsicht bereits existierendes Beispiel für tragbare Analysengeräte sind Blutzuckermessgeräte für Diabetiker. Stellt sich nur noch die Frage, ob wir überhaupt alles so genau wissen sollten und wollen…

Quellen:
Schrot & Korn, Leo Frühschütz, „Spurensuche mit Folgen
WiWo, 21.02.1996, Susanne Kutter, “Alles versaut
BmGf, Mai 2016, “Detektion und Analyse von Lebensmitteln