Bis jetzt war die Entsorgung von Plastik in weiten Teilen der Welt eine Ein-Weg-Strategie: man wird es los, indem man den Müll einfach ins Meer schmeißt. 675 Tonnen sind das laut Reset stündlich, oder 16.200 Tonnen pro Tag. Das ist eine Menge. So viel, dass je nach Schätzung statistisch 13.000 bis 45.000 Plastikteile pro Quadratkilometer Ozean darin schwimmen. Das Verhältnis von Plankton zu Plastik beträgt 1:6; 6 Teile Plastik auf einen Plankton-Organismus. Was das mit Walen anrichtet, hat Volker Marx vor kurzem berichtet.
Aufgrund der Meeresströmungen sammeln sich die meisten Plastikteile in gigantischen Müllstrudeln, dem Great Pacific Garbage Patch zum Beispiel. Speziell für diesen nimmt man an, dass sich die Konzentration auf 1 Million Plastikteilchen pro Quadratkilometer erhöht und sich Millionen Tonnen Plastikmüll im Kreis drehen.
Boyan Slat, ein Student der Luftfahrt-Technik an der TU Delft hat vor etwa einem Jahr im Rahmen eines Universitätsprojekts ein Konzept entwickelt, wie man den ökologischen Druck dieses Problems in relativ kurzer Zeit erheblich verringern kann.
Bisher gingen alle Annahmen davon aus, dass man Plastik einfangen muss wie Fische: man zieht gigantische Fangnetze durch das Meer, um Plastik abzuschöpfen, das meistens an der Wasseroberfläche schwimmt. Diese Methode bringt große Hindernisse: jedes Schiff kann nur ein Netz beschränkter Größe ziehen, das Schiff selbst benötigt Treibstoff, eine erkleckliche Anzahl von Menschen werden für den Betrieb pro Schiff benötigt. Dazu würde man eine ganze Fangflotte benötigt, um die Ozeane in einem vernünftigen Zeitraum zu säubern. Von Beifängen ganz zu schweigen.
Slat dreht das Spiel um: Er möchte riesige Trichter fix im Ozean installieren, er nennt es das “Ocean Cleanup Array”, deren Auffanganlagen mit langen Auslegern verbunden sind. Die Meeresströmung drückt die Plastikabfälle zuerst gegen die Ausleger, dann rutschen diese aufgrund der Schrägstellung zur Strömung in Richtung der Auffanganlagen. Dort sollen die Abfälle aufgenommen und zwischengelagert werden. Laut Slat können damit in 5 Jahren – so lange benötigt die zirkuläre Meeresströmung des Great Pacific Garbage Patch um sich einmal im Kreis zu drehen – bis zu 7,25 Millionen Tonnen Plastikmüll dem Meer entnommen werden. Diese Menge Müll hätte nach Slat einen Marktwert von etwa 500 Millionen Dollar, mehr, als die Entwicklung und Installation des Systems kosten würde. Das Konzept schließt Beifang fast hundertprozentig aus, da keine in die Tiefe reichenden Netze verwendet werden. Fische und Plankton würden einfach unter der Anlage durchschwimmen. Zu dieser Sicherheit trägt auch die geringe Geschwindigkeit des Meeresstroms bei, eine Strömung, an die alle Meeresbewohner perfekt angepasst sind.
Ziel ist es auch, die Auffanganlagen komplett autark arbeiten zu lassen; ihre Energie beziehen sie aus regenerativen Quellen wie Strömungs-, Wellen- und Photovoltaikanlagen.
Im Augenblick wird das Konzept gerade einer Machbarkeitsstudie unterzogen, die laut der Homepage von Boyan Slat zu etwa 25% abgeschlossen ist. Erste Erkenntnisse daraus sind vielversprechend, das 50-köpfige Team möchte alle Ergebnisse auswerten, bevor weitere Schritte unternommen werden.
Das Oceanic Cleanup Array wurde auf der TEDxDelft 2012 von Boyan Slat präsentiert. Das Konzept hat 2012 den Best Technical Design Preis der TU Delft erhalten und wurde Zweiter beim iSea Clash of the Concepts-Preis des holländischen Umweltministeriums. Im Jänner 2013 wurde die Ocean Cleanup Foundation gegründet, eine Non-Profit-Organisation, die seither für die Technologieentwicklung verantwortlich zeichnet.
- Alle Artikel von Martin Skopal