In Wien entsteht der erste Mitmach-Supermarkt.
Dieser Artikel wurde am 5. Mai 2021 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Partizipative- oder auch Mitmach-Supermärkte sind eine Art Mischung aus den inzwischen immer stärker verbreiteten food-coops und konventionellen Supermärkten, und dann doch auch nochmal anders. Sie sind darauf ausgelegt, dass das Sortiment genauso vollständig abgedeckt ist wie in jedem anderen Supermarkt. Dennoch sind die Preise geringer, weil jedes Mitglied zumindest 3 Stunden im Monat mitarbeitet und die Organisation nicht gewinnorientiert ist. Aber was bedeutet das jetzt im Detail?

Kern von partizipativen Supermärkten

Im Kern geht es bei Mitmach-Supermärkten meist darum, Ernährungssouveränität ohne Kapitalismus zu fördern. Es geht um Gemeinschaft, und um leistbare Produkte in hoher Qualität. Und es geht darum, zu einem guten Leben für alle beizutragen.

Der Mitmach-Supermarkt soll mehr als nur ein Ort zum Einkaufen werden. Es geht um Begegnung. – Photocredit: pixabay.com/Victoria_Borodinova

Organisiert sind diese Supermärkte meist in einer Genossenschaft oder ähnlichen Struktur, mit einigen wenigen fix angestellten Menschen. Dazu kommt dann eben noch die Mitarbeit von etwa 3 Stunden pro Monat von wirklich jedem Mitglied, ohne Ausnahme. Die Möglichkeit von Ausnahmen, wie etwa sich von der Zeit freizukaufen, oder einen Sonderstatus zu bekommen, gibt es nicht. Der Grund dafür ist vor allem der, dass es wichtig ist, regelmäßig auch durch Erfahrung daran erinnert zu werden, dass einem dieser Supermarkt auch wirklich zu einem gewissen Teil gehört. Dadurch agieren wir auch anders und treffen Entscheidungen anders.

Wenn wir wissen, dass uns etwas gehört, gehen wir meist achtsamer damit um, bestellen möglicherweise nicht so viel Überschussware, nehmen dann doch bewusst die Waren, die bald ablaufen, und greifen nicht ganz nach hinten wenn nicht nötig, oder ähnliche Dinge.

Internationale Beispiele, die funktionieren

Paris mit dem La Louve und New York mit der Park Slope Food Coop sind ideale Beispiele dafür, dass so ein Mitmach-Supermarkt auch wirklich dauerhaft funktionieren kann. Die Initiative in Paris gibt es seit 17 Jahren, die in New York als ältestes Beispiel sogar seit fast 50 Jahren. Wichtig ist beim Funktionieren solcher Zusammenschlüsse vor allem, dass genug Mitglieder dabei sind, um den Aufwand jedes und jeder Einzelnen so gering wie möglich zu halten. Dafür sind meist einige tausend Mitglieder notwendig. Außerdem muss sichergestellt werden, dass wirklich alle Bedürfnisse, die durch einen normalen Supermarkt abgedeckt werden, auch durch diese Alternative erfüllt werden.

MILA Gründungstreffen in Wien im Jänner 2020. – Photocredit: MILA

Entstehungsgeschichte von MILA

Mit etwa 8 Leuten ist im Jänner 2020 die Idee eines gemeinsamen Mitmach-Supermarktes für Wien entstanden. Inspiriert durch die internationalen Beispiele, sowie teilweise auch persönlicher Erfahrung als Mitglied einer solchen Initiative, wurde der Traum von MILA geboren. Schon bald kam durch die Lockdowns die zusätzliche Herausforderung für einerseits die Zusammenarbeit des jungen Teams, und vor allem auch die Informationsverbreitung zur Suche weiterer Mitglieder. Und dennoch – oder vielleicht genau deswegen – wurde das Projekt unbeirrt weitergetrieben.

Ziel von MILA

Der Fokus der Wiener Initiative rund um den Aufbau eines Mitmach-Supermarktes ist vor allem ein gutes Essen für alle. So wird beispielsweise bewusst nicht in homogenen, sondern in kulturell und finanziell stark durchmischten Bezirken nach einem Geschäftslokal gesucht. Es geht darum, dass sich nicht nur die “Elite” irgendwelche regional-bio-super-Lebensmittel über eine food-coop organisiert, sondern auch Menschen mit geringerem Einkommen mehr Auswahl bekommen als lediglich zum billigsten mit der niedrigsten Qualität greifen zu müssen.

Die Mitglieder entscheiden selbst über das Sortiment und die Mengen, die gekauft werden. – Photocredit: pixabay.com/ErikaWittlieb

Zusätzlich ist natürlich auch Zeit ein Faktor. Nicht jeder findet die Zeit, die einen Dinge in der food-coop zu holen, dann zum Bauernladen zu fahren, weiter zum Bäcker, und den Rest, den es nirgends dort gab dann doch noch beim Supermarkt zu kaufen. Ziel von MILA ist es daher, dass wir an einem Ort all unseren Bedarf für das tägliche Leben decken, und zusätzlich trotzdem auch auf die Qualität und Herkunft der Produkte achten.

Die Entscheidung für die Auswahl der Produktpalette liegt bei den Mitgliedern. Sie kann daher gut an die jeweiligen Wünsche und Bedürfnisse sowohl zu Qualität als auch was den Preis angeht angepasst werden. Außerdem wird darauf geachtet, dass auch die Produzentinnen und Produzenten einen fairen Preis bekommen. Und obendrauf soll es ein Ort der Begegnung sein.

MILA bedient somit eine völlig andere Nische als die wie Schwammerl aus dem Boden schießenden food-coops.

Mitmachen und unterstützen

Bereits im ersten Jahr seit der Entstehung dieses Projektes haben sich fast 250 Menschen dieser Bewegung angeschlossen. Und auch eine Förderung der Wirtschaftsagentur trägt dazu bei, dass weiterhin gewaltig Wind in die Segel kommt. Bis Ende des Jahres 2021 ist das Ziel, 1000 Mitglieder an Bord zu haben. Und mit einem Mitgliedsbeitrag von 24€ im Jahr ist die Einstiegshürde auch entsprechend gering, und spiegelt die Vision, es für ALLE zu ermöglichen sehr schön wider.

Noch ist MILA auf Standortsuche für den Mini-Markt. – Photocredit: MILA

Als Mitglied muss man jetzt in der Planung noch nicht aktiv mitarbeiten. Unterstützung ist aber dennoch sehr erwünscht. Egal ob es sich dabei um die Bereiche Lohnverrechnung, Homepage-Betreuung, Öffentlichkeitsarbeit, oder ganz konkrete Erfahrung des Arbeitens in einem Supermarkt handelt. Jede helfende Hand trägt dazu bei, dass der Traum des gemeinsam organisierten Supermarktes schneller Wirklichkeit wird.

Fazit

Jedes Mal wenn ich glaube, alle Konzepte rund um nachhaltige, selbst organisierte Initiativen zu kennen, werde ich vom Gegenteil positiv überrascht. Es hat etwas gedauert, den Unterschied zur food-coop zu erkennen. Viel wird wohl auch erst durch die Erfahrung, wenn dann mal ein erster Mini-Markt als Prototyp besteht, klar.

Vor allem ist die Idee sehr reizvoll, schon jetzt mit einzusteigen. Dadurch können wir etwa beim Entscheidungsprozess, in welchem Bezirk der Markt sich ansiedeln wird, dabei zu sein und auch eine Stimme zu haben.

Quellen

https://www.mila.wien/de/