Kapitalismus ist wie ein Raubtier, vor dem die Menschen weltweit auf der Flucht sind.
Dieser Artikel wurde am 25. August 2015 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Über 60 Millionen Menschen sind weltweit Heimatvertriebene, auf der Flucht vor den Auswirkungen des globalen Wachstums. Nicht etwa nur barbarische Milizen, von welchen Ideologien auch immer angestachelt, vertreiben Menschen in Afrika und dem Nahen Osten und in der Tat auch aus den Balkanstaaten des ehemaligen Jugoslawien. Hinter all dem steckt die Rohstoff- und letztlich die Geldgier der global tatsächlich barbarisch operierenden transnationalen Konzerne. Die Regierungen der USA und der Europäischen Union unterstützen tatkräftig die Vertreibung und verwehren gleichzeitig den Vertriebenen das Recht auf Asyl.

130 Jahre Ausbeutung und Sklaverei

In diesem Jahr, am 26. Februar jährte sich die berüchtigte „Kongokonferenz“ in Berlin, einberufen vom Reichskanzler Otto von Bismarck zum 130ten Mal. Damals wurde, um im kriegsmüden Europa dauerhaft Frieden zu stiften, Afrika unter den Kolonialmächten am grünen Tisch endgültig aufgeteilt, ja zerschnitten und zur Ausweidung freigegeben. Rücksicht auf jahrtausendealte Stammesgebiete oder Weideflächen der Nomaden wurde nicht genommen, da es ja ausschließlich um die Verteilung der Bodenschätze ging. Sämtliche Probleme, die seitdem Afrika erschüttern, bis hin zu den Hungerproblemen, die es zuvor in dem fruchtbaren Erdteil nie gegeben hatte, sind auf dieses zynische und arrogante Verhalten zurückzuführen. Zuletzt war den Völkern Nordafrikas als Dank für die entscheidende Hilfe bei der Vertreibung der türkischen Besatzer im ersten Weltkrieg ein arabischer Staat versprochen worden. Dieses Versprechen wurde nach dem Sieg der Alliierten 1918 nicht eingelöst, weshalb auch alle Probleme hier in der Verantwortung Europas und der USA, beziehungsweise der bedingungslosen Unterstützung ihrer Konzerne – damals zuerst der Ölkonzerne – liegen. Jede Radikalisierung einer Gruppe in diesen Ländern hat ihre Wurzeln ausschließlich in der Enttäuschung über diesen Zynismus, in einer ohnmächtigen Wut über das kannibalische Vorgehen der Industriestaaten.
Ob Bauern von ihren Feldern vertrieben, ihre Felder oder das so kostbare Wasser mit Öl oder Chemikalien verseucht, Fischgründe vollständig leergefischt werden oder einfach teuer subventionierte industriell hergestellte „Lebensmittel“ die Märkte überschwemmen und die lokale Landwirtschaft vernichten, es ist die brutal expansive Wirtschaftspolitik des Nordens, die den Hunger auf die Welt bringt, den es zuvor nirgends gegeben hatte. Der Kapitalismus frisst tatsächlich Kinder.

60 Millionen sind der Anfang

Bisher, im Jahre 2015, haben fast 17 Millionen Menschen ihr Land verlassen müssen, fast 43 Millionen sind auch vertrieben, jedoch noch innerhalb der Landesgrenzen geblieben. Betroffen sind aktuell natürlich die Länder, in denen die Stellvertreterkriege der Industriestaaten toben. Afghanistan kennt eigentlich seit 1839, dem ersten Aufstand gegen die britische Besatzung keinen wirklichen Frieden mehr, das Land ist „verbrannte Erde“. Syrien sollte – laut dem genannten Versprechen der Entente und Alliierten – 1918 der Kern des Vereinigten Arabien werden, es wurde 1946 endlich offiziell unabhängig – von der Kolonialmacht Frankreich – blieb aber unter der – inoffiziellen – Herrschaft der Ölkonzerne. Somalia, ein weiteres der „Kunstprodukte“ von 1885 wurde offiziell 1960 von den Briten und Italienern in die Unabhängigkeit entlassen, konnte aber nie wirklich autark werden, weil die künstlichen, absurden Grenzen den traditionellen Hirten-Nomaden die Zugwege versperrten. Die Kolonialmächte hinterließen ein ausgeblutetes Land, der Erosion und sich ausbreitenden Wüste preisgegeben. Der Sudan, mit Ägypten eine der ältesten Kulturregionen Afrikas, wurde 1956 von den Briten – offiziell – unabhängig, jedoch wiederum wegen seines Reichtums an Öl, Gold, Uran und anderen Bodenschätzen niemals wirklich aus der Umklammerung entlassen. Die Menschen, die traditionell das Land frei – also gemeinsam – bewirtschafteten und beweideten, wurden genötigt, Plantagen ausländischer Konzerne und eben den Rohstoffabbau hinzunehmen. Der Vielvölkerstaat muss seitdem Hunger leiden und permanente Aufstände erleben, die auch noch von Rohstoffkonzernen finanziert werden. Der Kongo wurde 1885 dem belgischen König zugeschlagen, der dort den bekannten Völkermord veranstaltete, im Zuge der Ausbeutung mit Kautschukplantagen und der anderen Rohstoffe, was bis heute in den Bürgerkriegen nachwirkt – obwohl das Land 1960 unabhängig erklärt wurde. Die Leidensgeschichte des Irak ist bekannt, ebenfalls seit der Kolonialzeit und ganz speziell nach 1918 in der Hand der Ölkonzerne.
Aus diesen Ländern kommt die größte Zahl der Flüchtlinge, die nun nach Europa, in die Länder der ehemaligen Kolonialherren und Zentren der nachfolgenden Landbesitzer Afrikas, der Konzerne und Banken strömen. Diesen Vertriebenen schuldet Europa eine intakte Heimat.
Die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge aus den Balkanstaaten sind dazu die aktuell, seit dem Fall des Eisernen Vorhangs von der skrupellosen Ausbreitung der – von der EU subventionierten – Konzerne vertriebenen Menschen. Diesen nimmt die Wirtschaftspolitik Europas nun Land, Nahrung und jede Perspektive. Auch diese Menschen kommen natürlich dorthin, wo die Schuldigen an ihrer Not leben.

Potenziell werden wir eine totale Völkerwanderung erleben

Ob und wann die noch in ihrem Heimatland verbliebenen Flüchtlinge sich auch auf den Weg nach Europa machen ist bisher offen, gut 43 Millionen zählen sie 2015. Wann sich weitere Millionen dazu gesellen, aus eben den genannten Ländern und all denen, in denen ebenfalls „das Kapital wütet“, ist ungewiss. Sicher ist, dass potenziell die 10fache Zahl Menschen bei fortschreitender Erderwärmung allein aus den Küstenregionen und Inseln vom Heimatverlust bedroht ist und nochmals mindestens 500 Millionen ihr Land an sich ausbreitende Wüstengebiete verlieren werden. Allein 20 Millionen könnten schon in Kürze vor den Wüstenregionen in Spanien und Portugal nach Norden ziehen wollen. Alles in allem könnten in den nächsten 25 Jahren 1,5 Milliarden Menschen auf der Flucht sein. Wie die Industrienationen darauf reagieren werden, ist absolut ungewiss, da es dann „ums Ganze“ gehen wird.
Kein Mensch will tatsächlich seine Heimat verlassen. Das aktuell global agierende Wirtschafts- und Finanzsystem zerstört jedoch systematisch Heimat, selbst in den „Herkunftsländern“ Europas und der USA. Kein Mensch wird fliehen wollen, wenn ihm das belassen wird, was ihm „gehört“, zumindest nach den global gültigen Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen. Jeder Mensch kann auf diesem Planeten an jedem Ort als Mitglied einer Gemeinschaft von Gleichberechtigten – einschließlich der Mitwelt – auskömmlich leben. Allein die Wiederherstellung dieses grundlegenden Menschenrechts kann die exponentiell wachsende Zahl der Flüchtlinge stoppen und allen bereits geflohenen den Weg zurück in die Heimat ermöglichen. Alles, was die Regierungen der USA und Europas aktuell unternehmen, wird an der Eskalation der aktuellen Situation nichts ändern, sondern im schlimmsten Fall zu einem neuerlichen Krieg – auf der gesamten Welt – führen müssen. Die aggressivste Wirtschaftsform, die Menschen jemals zuließen war bisher die Ursache eines jeden Krieges.

http://www.zeit.de/wissen/2010-07/auslandsjournal-oelpest-nigeria
http://www.bund.net/ueber_uns/bund_international/foei/foe_in_afrika/
http://www.deutschlandfunk.de/kleinbauern-in-afrika-landwirtschaft-mit-armutsgarantie.724.de.html?dram:article_id=270623
http://www.fr-online.de/meinung/gastbeitrag-probleme-der-afrikanischen-landwirtschaft,1472602,16876218.html
https://www.fh-kiel.de/fileadmin/data/praesidium/Hochschule_mit_Zukunft/Interdisziplinaere_Wochen/Material_zum_Download/02_AAbdulai_Ernaehrung_Afrika_081112_FH_Kiel.pdf
http://www.sueddeutsche.de/thema/Fl%C3%BCchtlinge
http://www.unhcr.de/service/zahlen-und-statistiken.html
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-08/fluechtlinge-prognose-deutschland-europa