Ich habe am Anfang meiner Ausbildung zur Wildnispädagogin die Bezeichnung der „grünen Wand“ gehört und seitdem hat sie mich immer wieder beschäftigt. Wie auch schon im Beitrag von letzter Woche zum Thema, wie Beziehungen ein Teil der Nachhaltigkeit sein können, ist die Frage, wie sehr wir in unseren Beobachtungen verallgemeinern und nur mehr die Umrisse einer groben Zugehörigkeitsgruppe erkennen. Ähnlich, wie die schematische Darstellung eines Baumes.
Oder schaffen wir es, genauer hinzusehen und erkennen, um welches Lebewesen es sich denn nun tatsächlich handelt. Welche Wuchsform die Tanne hat, welche Blüten die Hummel bevorzugt, welchen Herausforderungen die Eidechse gegenübersteht.
Was ist die grüne Wand?
Wenn wir die Pflanzen nicht näher kennen, sehen wir beim Blick in die Natur nur eine grüne Wand in unterschiedlichen Schattierungen. Uns fehlt der Bezug zu den unterschiedlichen Arten, Bedürfnissen und deren jeweilige Beiträge zum gesamten Ökosystem. Wir sehen gar nicht, wer als erstes im Jahr seine Blätter sprießen lässt, blüht, verblüht und sie wieder fallen lässt. Und wer seine Blätter noch lange, teils bis zum ersten Schnee am Stamm, behält.
Die „grüne Wand“ versinnbildlicht daher das Bild, das viele von uns – inklusive ich selbst früher und teils auch jetzt noch – haben, wenn sie einen Blick in die Natur werfen ohne deren Bewohner genauer zu kennen.
Wie sich die Wand auflöst
Wenn da auf der Wiese gegenüber nicht einfach nur „Gras“ oder „Unkraut“ wächst, sondern wir genau wissen, dass der Giersch, Löwenzahn und das Johanniskraut zu der Zeit im Jahr blüht. Wenn wir in der Früh aufstehen, und sehen, dass immer derselbe Feldhase auf dieser Wiese vorbeikommt und sich über den Giersch und Löwenzahn hermacht, dann bauen wir eine Beziehung auf.
Dann ist uns unsere Umgebung nicht mehr unbekannt, sondern wir haben eine Beziehung aufgebaut. Dann kann es sein, dass sich der Hase irgendwann näher an uns herantraut. Und gleichsam fühlen wir uns ihm verbunden und wollen seinen Lebensraum schützen.
Dann geht es nicht mehr um die rein logische Begründung, dass es ja wichtig ist, unsere Umwelt zu schützen, weil wir das so gelernt haben. Dann haben wir eine stärkere emotionale Verbindung und wollen, dass es den Lebewesen in unserem Umfeld gut geht. Weil wir auch genauer beobachtet haben, was all diese Lebewesen tun, damit es uns besser geht.
Auswirkungen
Diese Erfahrungen ermöglichen es uns, dass wir uns immer mehr zugehörig und weniger alleine zu fühlen. Wir können dadurch immer tiefer in die Wunder der Natur eintauchen und nebenbei auch noch so einiges für unser eigenes Leben, Beziehungen und den Umgang mit Bedürfnissen lernen.
Fazit
Wie auch schon im Beitrag von letzter Woche über Beziehungen, habe ich selbst die Erfahrung gemacht, wie wertvoll und erfüllend es ist, tiefer in eine Verbindung und ein Kennenlernen einzutauchen. Wenn wir unsere Umgebung kennenlernen, kann sich schrittweise unsere Sicht auf die Welt und unser eigenes Leben grundlegend verändern.