Ein Team wollte es genau wissen und ging einem Kapuzenpullover von Zara auf die Spur. Im April 2019 begann David Hachfeld von der Schweizer NGO Public Eye zusammen mit einem Forscherteam und der Clean Clothes Campaign mit den Recherchen. Das Objekt der Nachforschungen war Teil von Zaras Nachhaltigkeitslinie „Join Life“: ein schwarzer Kapuzenpullover der mit Aretha Franklins berühmten Textzeilen “R-E-S-P-E-C-T: Find out what it means to me” bedruckt ist. Die Idee war, herauszufinden, wieviel Respekt die Arbeiter bekommen, die an der Produktion des Kleidungsstücks beteiligt waren. Die Messung des Respekts war theoretisch einfach: Wie viel vom weltweit durchschnittlichen Verkaufspreis von 26,66 Euro ging an die Arbeiter?
Die praktische Durchführung der Recherchen war allerdings keineswegs einfach. Zaras Muttergesellschaft Inditex, das weltweit größte Kleidungsunternehmen und im Besitz von Amancio Ortega, einem der reichsten Menschen der Welt, zeigte sich keineswegs kooperativ. Mehr als sechs Monate dauerte es, herauszufinden, wo der Pullover hergestellt wurde und die Interviews vor Ort in der Türkei durchzuführen. Die Forscher analysierten zudem Finanzergebnisse und Handelsdaten und konsultierten Experten für Preisgestaltung und Produktion.
(Credit: Public Eye)
Die Recherchen deuteten darauf hin, dass der größte Teil des Einzelhandelspreises des Pullovers – schätzungsweise 10,26 Euro – zurück an Zara ging, um Einzelhandelsflächen und Mitarbeiterlöhne zu decken. Der nächstgrößte Teil nach Mehrwertsteuer von 4,44 Euro war der Gewinn von Inditex mit 4,20 Euro. Die beauftragte Textilfabrik in Izmir erhielt 1,53 Euro für das Schneiden des Materials, das Nähen, Verpacken und Anbringen der Etikette. 1,10 Euro davon wurde an die Textilarbeiter für die 30-minütige Arbeit des Zusammensetzens des Kapuzenpullovers gezahlt. Der Bericht kam zu dem Schluss, dass die Arbeiter den von der Clean Clothes Campaign als existenzsichernd definierten Mindestbruttostundenlohn von 6,19 Euro nicht erhalten haben.
Die Moral von der Geschichte? Die eigentlichen Produktionskosten eines Kleidungsstücks herauszufinden, ist alles andere als einfach. Sogar bei der Flaggschiff-Linie für Nachhaltigkeit. Und Zara ist sogar eines der vorbildlicheren Unternehmen in der Textilbranche. Zara ist mit Gewerkschaften langfristige Verpflichtungen eingegangen, um auf existenzsichernde Löhne hinzuarbeiten. Geliefert hat das Unternehmen aber noch nicht. Verschwindend wenige Einzelhändler garantieren existenzsichernde Löhne in ihren riesigen, komplexen Lieferketten. Laut der gemeinnützigen Gruppe Fashion Revolution geben nur zwei der 250 größten Modemarken der Welt bekannt, wie viele ihrer Arbeiter einen existenzsichernden Lohn erhalten: OVS und Patagonia.
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