Michael Liebreich, Analyst für erneuerbare Energien, ist skeptisch gegenüber dem Hype um Wasserstoff. Alternativen seien laut ihm tendenziell billiger und einfacher umzusetzen.
Dieser Artikel wurde am 7. Dezember 2022 veröffentlicht
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Der angehende Hype um Wasserstoff droht zu einer Marktblase zu werden. Überzogene Erwartungen gepaart mit einer Jubel-Rhetorik würden den reellen Gegebenheiten und Potenzialen nicht gerecht werden, warnte der erfahrene Analyst für erneuerbare Energien, auf einer Branchenkonferenz.

Falsche Erwartungen

Liebreich teilte den Hunderten von Teilnehmern beim “World Hydrogen Summit” mit, dass er nicht mit den positiven Erwartungen und Prognosen übereinstimme. Vielmehr erkenne er das Muster einer Wirtschaftsblase, sagte er zu einem großen Raum voller Wasserstofffachleute. Die Ansicht, dass Wasserstoff eine Wunderwaffe oder ein Schweizer Taschenmesser ist, das in der Lage ist, alles von der Heizung über den Transport bis hin zur Schwerindustrie und Stromerzeugung zu dekarbonisieren, entspreche nicht der Realität, erklärte Liebreich.

Die Verwendung von sauberem Wasserstoff in einer Netto-Null-Emissions-Welt wäre durch die physikalischen Eigenschaften des Gases begrenzt. Zunächst wäre da die benötigte Menge an erneuerbarer Energie, die erforderlich wäre, wenn grünes H2 bestimmte Sektoren dekarbonisieren würde. Zudem kommt die Tatsache, dass Wasserstoff in direktem Wettbewerb mit elektrischen Alternativen steht, die kostengünstiger und einfacher sind.

Wasserstoff für den Verkehr?

Ein batterie-elektrisches Fahrzeug ist einfacher zu bauen als ein wasserstoffbetriebenes Brennstoffzellenauto, so Liebreich. Deswegen seien die Verkaufszahlen von Brennstoffzellenautos auch vernachlässigbar. Auch bei LKWs sieht er wenig Potenzial für Wasserstoff, denn durch gesetzlich geregelte Ruhezeiten für die Lenker:innen gäbe es genug Zeit zum Laden der Batterie. Und ein elektrischer LKW wiege ähnlich viel wie einer mit Verbrennungsmotor.

Auch eine Umstellung auf Wasserstoff im Flugverkehr sei nicht realistisch – auch wenn Airbus H2-betriebene Flugzeuge bauen will. Hier komme einfach die Logistik nicht mit. Während die 200 Tonnen oder 250.000 Liter Kerosin, die zum Befüllen einer Boeing 747 benötigt werden, energetisch durch 73 Tonnen Wasserstoff ersetzt werden könnten, werden die H2-Treibstofftanks “das Fünf-, Sechs- oder Siebenfache wiegen”.

Hinzu kommt, dass Wasserstoff nicht eine per se umweltfreundliche Lösung ist. Jedes Jahr werden 94 Millionen Tonnen grauer und schwarzer Wasserstoff aus Erdgas und Kohle produziert. Dabei werden 830 Millionen Tonnen Kohlenstoff ausgestoßen, bei steigender Tendenz. Bevor Wasserstoff als Lösung für den Klimawandel positioniert wird, muss man sich also zunächst mit Wasserstoff als Problem im Klimawandel auseinandersetzen, erklärte Liebreich.


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Bild: haymarketrebel (CC2.0)