Jeder kann etwas zu nachhaltigerem Kleiderkonsum beitragen.
Dieser Artikel wurde am 9. Mai 2017 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

In den letzten Wochen habe ich schon einige interessante Konzepte zum Thema Nachhaltigkeit gehört. Ein Aspekt, der mir persönlich auch sehr wichtig ist, den hab ich mir für den Schluss aufgehoben: nachhaltige und fair produzierte Kleidung. Dafür habe ich Sonja und Julia vom Blog fesches.mascherl zum Gespräch gebeten. Die beiden haben sich über OIKOS Vienna kennen gelernt und teilen seither ihre Erfahrungen und Tipps zum Thema nachhaltige Mode und Lifestyle auf ihrem Blog. Mit ihnen spreche ich über nachhaltigen Kleiderkonsum und ein paar tolle Projekte, die sie mitentwickelt haben.

Warum habt ihr begonnen, euren Kleiderkonsum einzuschränken?

Julia: Während der Schulzeit hat Kleidung oft einen hohen Stellenwert gehabt, irgendwann hat man immer mehr im Kleiderschrank und er geht fast über. Mir ist dann vor allem im Auslandssemester aufgefallen, als ich mit nur einem Koffer weg gefahren bin, wie gut ich damit ein halbes Jahr gelebt habe. Für mich geht es bei  nachhaltiger Mode um mehr als nur faire Herstellungsbedingungen. Für mich geht es darüber hinaus auch darum, dass ich das was ich habe in verschiedenen Kombinationen einsetzen kann und ich mich nach und nach bemühe die Auswahl so minimal wie möglich zu halten aber dennoch die Möglichkeit habe verschiedene Outfits zusammenzustellen. Durch ein kontinuierliches Reduzieren des Kleiderschranks, fühle ich mich viel klarer und weniger schnell von eine riesigen Auswahl überwältigt. Wenn ich mir jetzt etwas kaufe, stelle ich mir die Frage, ob ich es wirklich brauche und will und wie lange ich es anziehen kann. Und da gebe ich dann gerne mehr Geld aus, weil es dann auch fair produziert sein soll.

Sonja: Bei mir war das ähnlich und hat auch beim Reisen seinen Ursprung gefunden. Nach der Matura bin ich auf Reisen gegangen und da ist mir aufgefallen, dass ich nicht so viel Kleidung brauche. Zuhause habe ich das dann weiter geführt. Bei mir hat sich der Kleiderschrank von Quantität auf Qualität geändert. Für mich ist das auch eine Entlastung, wenn man sich auf Weniges und Gutes reduziert. So wie Julia gebe ich dann eben gern mehr dafür aus und weiß dann halt auch, dass es gute Qualität ist.

Ende April fand die #FashionRevolutionWeek satt. Was steckt da dahinter?

Julia: 2013 ist das Fabrikgebäude Rana Plaza in Bangladesch eingestürzt. Dort sind mehr als 1000 Menschen gestorben. Arbeiter und Arbeiterinnen haben dort unter miserabelsten Umständen zu einem Hungerlohn produziert. Das Gebäude wurde nicht von Bauinstanzen überprüft, geschweige denn gab es menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Die Fashion Revolution hat dazu aufgerufen, dieses Ereignis wieder ins Gedächtnis zu rufen. Die Idee ist es, Kleidung umzudrehen, das Label zu zeigen wo drauf steht „Made in“ und dann zu fragen, „Who made my clothes?“ – Wer sind die Arbeiter, wer sind die Gesichter hinter dieser billigen Kleidung. Seit letztem Jahr gibt es eine ganze Woche Fashion Revolution und nicht nur noch einen Tag.

Sonja: Man sieht in der Woche auch, dass Blogger und Bloggerinnen sehr aktiv sind. Wir haben jetzt zum Beispiel bei einem Projekt mitgemacht, woraus ein Ebook entstanden ist. Man kann dieses kostenlos online herunterladen und es heißt „Wardrobe Revolution: A Bloggers’ Guide to Ethical Fashion“. Das war ein richtig cooles Projekt, über 30 Blogger und Bloggerinnen haben sich da zusammen getan und zu bestimmten Themen einen Artikel verfasst. Wir haben zum Beispiel über „Craddle to Craddle“ geschrieben. Kurz gesagt geht es darum, einen geschlossenen Kreislauf in der Kleider Produktion zu schaffen.

Während dieser Fashion Revolution Week habt ihr auch eine Kampagne gegründet, bei der ihr auffordert, mit #RequesttheChange nach den Produktionsbedingungen bei großen Modeketten nachzufragen. Wie kann man sich das genau vorstellen?

Sonja: Wir haben energisch bei großen Modehäusern nachgefragt, warum sie nicht fair produzieren lassen. Dann haben wir sehr oft von den Unternehmen gehört, dass sich die Leute nicht dafür interessieren. Und solange die Konsumenten und Konsumentinnen kaufen und die Umsätze steigen, werden sie auch nichts an ihrer Strategie ändern. Also warum sollten große Modeketten nachhaltig werden? Dann haben wir uns überlegt, wie man den Konzernen zeigen könnte, dass sich die Konsumenten und Konsumentinnen sehr wohl dafür interessieren. Einen guten Effekt hat es zum Beispiel, wenn man direkt in den Laden geht und bei den Angestellten, noch besser beim Shopmanager, nachfragt. Und dann haben wir uns überlegt, so eine Aktion zu starten. Wir wollen Menschen motivieren, nachzufragen, welche Chemikalien da in der Kleidung zum Beispiel drinnen sind. Es ist wichtig zu zeigen, dass es einen interessiert, wer meine Kleidung produziert hat. Wir wollen dadurch zeigen, dass man als Konsument und Konsumentin doch mehr Macht hat, als man oft annimmt.

Wie kann man da konkret mitmachen?

Sonja: Du gehst in ein Geschäft mit dem Vorhaben, etwas zu kaufen und fragst dann aber einen Verkäufer oder fragst direkt nach dem Shopmanager und stellst eine Frage, die mit Nachhaltigkeit in Verbindung steht. Zum Beispiel: „welche chemischen Stoffe wurden in der Produktion verwendet?“. Es geht uns gar nicht speziell darum, welche Antwort man bekommt oder, ob die Verkäufer und Verkäuferinnen die Antwort wissen, sondern einfach darum, dass Interesse gezeigt wird. Im Anschluss machst du dann ein Selfie, welches du auf Insatgram hochlädst und mit requestthechanged taggst. Dazu schreibst du welche Frage du gefragt hast und dass du daran interessiert bist, eine Veränderung zu fordern. Es basiert auf Social Media, das ist das stärkste Tool, das wir zur Zeit haben. Wir wollen die Leute dazu ermutigen, mitzumachen, dass dieses Projekt dann auch eine gewisse Reichweite erfährt.

Fair produzierte Kleidung ist ja meistens teurer als herkömmliche. Was ist euer Argument, da trotzdem zu investieren?

Julia: Dazu gibt es ganz grundsätzliche Fragen, die man sich selbst stellen kann: Brauche und will ich das? Wie oft werde ich es anziehen und wie lange habe ich es? Ist es nur ein Teil, das ich irgendwann wegschmeiße, oder kann ich länger daraus einen Nutzen ziehen? Dabei geht es vor allem um Wertschätzung im Sinne von: Wer steckt dahinter? Kann ich um 4,90€ in Wien ein T-Shirt kaufen, dass tausende weit weg produziert wurde und will ich das? Es geht nicht darum von heute auf morgen nur noch fair produzierte oder bio-zertifizierte Kleidung zu kaufen, sondern es geht um einen bewussten Konsum. Als Konsument treffe ich die Kaufentscheidung und bin schließlich auch für den Umgang mit meiner Kleidung verantwortlich. Im Idealfall ist durch einen Kauf eines fair produzierten Kleidungsstücks nicht nur der Mensch, der es produziert hat fair entlohnt, sondern auch ich selber trage einen Mehrwert aus diesem Kauf. Durch den höheren Preis und dem Wissen über den fairen Hintergrund kann die Wertschätzung des Kleidungsstücks schnell gesteigert werden, welche uns zu einem sorgfältigeren und längeren Umgang damit anregen kann.  Manchmal kann der Schlüssel zum Erfolg auch der Verzicht auf Kleiderkonsum sein, auch wenn wir durch Konsum kurzfristige Glücksgefühle erleben. Langfristig wird uns der Kleidungsbesitz nicht zufrieden machen und vielleicht kann man sich Ablenkung durch eine kreative Auseinandersetzung mit dem derzeitigen Inhalt des Kleidrschranks verschaffen.

Durch meine vielen verschiedenen Gespräche zum Thema Nachhaltigkeit habe ich vor allem eines gelernt: Es geht immer ums “Bewusst-machen”. Solang man sich nicht selbst mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzt, kann auch keine Veränderung stattfinden. Die eigene Auseinandersetzung bringt hingegen einiges zum Rollen. Deshalb ist es umso wichtiger, die vielen verschiedenen Konzepte für ein nachhaltiges Leben zu verbreiten. Es gibt kein richtig oder falsch, man muss sein Leben auch nicht von Null auf Hundert umstellen. Kleine Schritte und kleine Gesten machen allerdings den Unterschied und man darf nie vergessen, wie viel Macht wir als Konsumenten und Konsumentinnen haben. Denn wenn man im Supermarkt oder im Modehaus etwas kauft, dann ist es wie eine Wahl. Man wählt, dass dieses Produkt, zu diesen Umständen weiterhin vermarktet werden soll.

Über Mira

Auf dem Blog ROEDLUVAN berichtet Mira über ihre Versuche ein nachhaltiges Leben zu führen. Ihr Weg führt sie in fremde Länder, in die Welt der fair produzierten Mode, in die vegane Küche und in eine Plastikfreie Zone. Nebenher studiert die grüne Lifestylebloggerin Geschichte und arbeitet in einem Museum.

Bildrechte: Mira Nograsek

 

 

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