Dieser Artikel wurde am 26. April 2012 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!Seit über 200 Jahren schließen sich Menschen in Genossenschaften zusammen und nehmen ihr Wohl selbst in die…
Dieser Artikel wurde am 26. April 2012 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Seit über 200 Jahren schließen sich Menschen in Genossenschaften zusammen und nehmen ihr Wohl selbst in die Hand. Weltweit sind 700 Millionen Menschen an Genossenschaften beteiligt, das sind schon 10% der Weltbürger.

 

Teikei, CSA, AMAP und die „Schlaraffengärten“

In Japan lebt seit den 60er Jahren inzwischen ein Viertel der Bevölkerung von den Erträgen der Landwirte, die zu Teikei (dt. „Partnerschaft“) Genossenschaften gehören. In den USA sind dies 1500 CSA – Gemeinschaften, in Frankreich die AMAP (Association pour le maintain de lágriculture paysanne; dt. Verbrauchervereinigung für die Beibehaltung der bäuerlichen Landwirtschaft), in der Schweiz die Kooperative „Les jardins de Cocagne“ (Schlaraffengärten) und in Deutschland nun schon 24 Gemeinschaften, vorwiegend mit demeter – Betrieben.

In diesen Genossenschaften finanzieren die Mitglieder den oder die zugehörigen Höfe und erhalten dafür anteilig die gesamte Ernte und die übrigen Produkte. Bei der Planung des Anbaus und der Produktion haben die Mitglieder ein Mitspracherecht, haben damit eine starke Beziehung und emotionale Bindung an „ihren“ Hof. Die Vorteile für alle Beteiligten liegen auf der Hand. Die Landwirte haben ein gesichertes Einkommen, Planungssicherheit und Freude an der Arbeit, auch durch den direkten Kontakt zu den Abnehmern ihrer Produkte. Ihr Hof ist frei und geschützt vor allen Veränderungen des Marktes. Die Region profitiert durch die Vielfalt der Landwirtschaft und den Kontakt der Menschen untereinander, mit dem Bewusstsein, zu wissen, was auf den Tisch kommt und wie es hergestellt wurde. Inzwischen hat sich – für die Mitglieder – sogar herausgestellt, dass die Produkte nicht einmal teurer sind, als die gleichen Lebensmittel im Discounter. All die Wege und Schritte der industriellen Bearbeitung zwischen Landwirt und Verbraucher sind ja ausgeschaltet. Natürlich ist auch die Klimabilanz dieser Art der Erzeugung und des direkten Vertriebs nicht mit der konventionell hergestellter, verabeiteter und vertriebener  Lebensmittel vergleichbar. All das sind Gründe, auch den Rest der Landwirtschaft endlich ganz genauso zu organisieren. Vernünftige Gründe dagegen gibt es ohnehin nicht.

Produkte, die am Ort nicht angebaut oder hergestellt werden können, werden von der Genossenschaft ebenfalls gemeinschaftlich über global organisierte Genossenschaftsverbände gehandelt, so dass auch hier überflüssige Wege ausgeschlossen sind. So bekommt man in den Hofläden oder COOP-Stationen alles, was der Supermarkt sonst auch bietet, jederzeit und aus dem „eigenen Sortiment“.

 

Handel, Banken, Wohnungsbau, Medien, Kultur oder Handwerk, kein Bereich ist ausgeschlossen

Die erste bekannte Genossenschaft wurde 1799 in Großbritannien (in New Lanark, Schottland) gegründet, um in der Baumwollspinnerei die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter zu verbessern. 1847 gründete Friedrich Wilhelm Raiffeisen den Hilfsverein zur Unterstützung der notleidenden ländlichen Bevölkerung, 1850 wurde von Hermann Schulze-Delitzsch der Vorschussverein gegründet, der Vorläufer der heutigen Volksbanken. Seit 1850 beherrschen in der Schweiz die Genossenschaften Migros und Coop den Einzelhandelsmarkt. Inzwischen gibt es im Raum der Europäischen Union 300.000 Genossenschaften mit mehr als 140 Millionen Mitgliedern. Deutschland hat sein Genossenschaftsgesetz von 1889 in 2006 umfassend aktualisiert und sogar auf soziale und kulturelle Bereiche ausgedehnt.

Genau genommen gibt es keinen Bereich des Lebens, der nicht besser in einer direkten Gemeinschaft, der Genossenschaft organisiert werden kann. Dagegen steht allein das noch dominierende System der industriellen Wirtschaft und des „freien“ Marktes, deren Nutzen sich auf den finanziellen Gewinn einer sehr kleinen Gruppe beschränkt. Wie sehr dieses System aber den Menschen – einschließlich der Oligarchen – schadet, wie sehr es unseren Lebensraum zerstört, wird langsam allen Menschen bewusst.

Allein die – kleinbürgerliche – Abschottung voneinander, das von diesem, den Egoismus fördernde System gewünschte Konkurrenzdenken, verhinderte bisher den überfälligen Wandel. Stattdessen empören sich die „schlichten Gemüter“ über all die Dinge, die ihnen nicht gefallen. Zeit also, den Zaun um den Schrebergarten einzureißen und sich bei der Hand zu nehmen, also in Kontakt zu kommen.

 

Die Energiegenossenschaft löst am Ende auch das Klimaproblem

Seit das Erneuerbare-Energien-Gesetz in 2000 in Deutschland eingeführt wurde, haben sich bis heute 450 Energiegenossenschaften gegründet, die die Energieproduktion nach ihren Bedürfnissen, vor Ort und natürlich nachhaltig – also auch klimaneutral – in die Hand genommen haben. Noch erzeugen diese vorwiegend (zu 80 Prozent) elektrischen Strom, doch steigt der Anteil der gemeinsamen Wärmeversorgung stetig. Auch im Bereich der Kraftstoffherstellung sind inzwischen Genossenschaften (z.B. im Niedersächsischen Wendland) aktiv.

Es ist durchaus menschlich, begründet in der Geschichte unserer Evolution, dass wir, wenn wir durch das Ordnungssystem der Gruppe dazu genötigt werden, allein für uns selbst zu sorgen, absolut egoistisch handeln. In den letzten 50 Jahren wurde diese Herausforderung an den Höhlenmann allerdings extrem pervertiert. Letztlich ist er nämlich ein Gruppenwesen, das zuerst die Geborgenheit in der Gemeinschaft sucht und nicht permanent um die Leittierrolle kämpfen möchte. Dieser Stress hat inzwischen zu völlig unnötigen Krankheiten und einer beispiellosen Zerstörung unseres Planeten geführt.

Das Glücksgefühl, das entsteht, wenn es allen Mitgliedern der Gruppe gut geht ist viel nachhaltiger, als der kurzfristige persönliche Sieg. Das wissen wir eigentlich seit Millionen Jahren und erfahren es im Kreis der Freunde und der Familie immer wieder. Warum wir trotzdem täglich hinaus in den Krieg ziehen, ist allein der Wahnsinn, zu dem uns die freiwillige Sklaverei zwingt. Wir haben uns wieder einmal an eine Scheinwelt verkauft, uns selbst ohne Not aus dem wirklichen Paradies entfernt. Der Schrebergarten ist nur ein untaugliches Abbild einer Illusion eines kleinbürgerlichen Glücks. Erst in der Gemeinschaft kommen wir wieder in Kontakt mit der Mitwelt, bekommen wir die Chance zu wirklich nachhaltigem Glück.