Auf dem Forum: „Land in Sicht – Strategien zur Rückeroberung regionaler Ernährungs- und Landwirtschaftsstrukturen“ stellten auf dem Kongress SOLIKON 2015 an der TU Berlin die Referenten Frank Wesemann (Ökohof Waldgarten) Paula Gioia (Via Campesina und Nyeleni), Jael Rollin (Freie Ausbildung, Landgrabbing und Geflüchtete) und Julia Bartal (OLIB Bienenwerder) teilweise bereits seit Jahrzehnten umgesetzte Projekte solidarischer ökologischer Landwirtschaft vor. Foren, wie dieses zeigen, dass die Menschen schon weltweit seit langem – manchmal eben Schritt für Schritt – Wege finden, sich dem globalen und eben auch in der EU statt findenden Landraub entgegen zu stellen.
https://www.energieleben.at/solikon-2015-kongress-solidarische-oekonomie-und-transformation-in-berlin/
Das Land gehört den Menschen
Mindestens 2000 m² Ackerfläche stehen rechnerisch jedem Bundesbürger zur Verfügung und sind völlig ausreichend, ihn über das Jahr mit allen Lebensmitteln zu versorgen, EU-weit sind es sogar gut 3500 m². Eigentlich sollte diese Fläche ihm auch gehören, wenn Land überhaupt ein Besitztum sein soll, was in Wahrheit Unsinn ist. Dieser Planet kann jeden Menschen an jedem Ort ausreichend und mit einer Fülle an Nahrungsmitteln versorgen. Der ganze Planet liefert jährlich ausreichend Nahrung für mindestens 14 Milliarden Menschen. Bisher leben hier erst 7 Milliarden – von denen allerdings nach wie vor 1 Milliarde an Unterernährung leidet, und an den Folgen des Hungers stirbt. Noch nicht eingerechnet sind dabei all die Flächen, die inzwischen degradiert sind, weil die industrielle Landwirtschaft sie zerstört hat, sie als Steppen oder gar Wüsten bisher ungenutzt sind und als Urwald oder Naturschutzparks nicht genutzt werden sollten. Eine gesunde Ernährung sollte also kein Problem sein. Sie ist es aber nun einmal doch und Schuld daran ist – wieder einmal – die Mafia, das auch Kapitalismus genannte System des Geldes, welches allerdings niemand essen kann.
Das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht. Es ist in zahllosen Gesetzen verbrieft. Bisher ist dieses Recht allerdings den meisten Menschen vorenthalten. Wie einfach dieses Recht, auf eine gesunde, nicht vergiftete Nahrung umgesetzt werden kann, zeigen weltweit Millionen Kleinbauern und solidarische Kollektive in den Städten.
Landgrabbing ist Mundraub
Wie mit Land als Ressource zum Leben von der Mafia umgegangen wird, ist wirklich grotesk. Seit marodierende Schlagtots (Raubritter) auf die Idee kamen, sich mit Schutzgelderpressung zu Landbesitzern (später Landjunker oder Adlige genannt) zu machen, hat sich seitdem auch in freiheitlichen demokratischen Ländern nichts geändert. Mit Gewalt – oder eben mit Geld – wurden und werden riesige Ländereien „erschlossen“, also den dort lebenden Menschen – oder Tieren – geraubt und ausgebeutet, bis das Land nichts mehr hergibt. Viel zu viele Höfe werden auch nicht mehr grundsätzlich vererbt, also in der Familie gehalten, wobei der Altbauer auf seinem Altenteil sicher sein konnte bis ans Lebensende auf und von seinem Land leben zu können, sondern werden verkauft. Der Nachwuchs, sofern es ihn gibt, hat andere Pläne und „arbeitet“ lieber in einem „bequemen“ (?) Dienstleistungsberuf. Boden, Luft und Wasser sind aber keine Waren und damit keine Spekulationsobjekte, Dinge, die man mit einer Geschäftsidee (das Unwort des Jahrhunderts) vermarkten kann. Landwirtschaft ist auch kein Gewerbe, das man den Gesetzen des globalen Marktes unterwerfen darf, sondern nun einmal überlebenswichtig. Eigentlich sollte jeder Mensch, ob Landwirt oder „Verbraucher“ ein übergroßes Interesse daran haben, dass das Land, der Boden, das Wasser und die Luft, also die Elemente, die der Körper zum Leben benötigt, gepflegt und erhalten werden. Die industriellen Methoden der Bodenausbeutung mit allen Mitteln zerstören diesen jedoch, was man allerorten daran ablesen kann, dass die lebensnotwendige Humusschicht verschwindet und somit alles in dieser für die Pflanzen wichtige Leben getötet wird. Im Übrigen bindet eine intakte Humusschicht mehr CO2 als die darüber befindlichen Pflanzen.
Geschäftsideen um Geschäftsideen auszuhebeln
Für Ökolandwirte, also Menschen, die den Boden so behandeln, wie es sich über Jahrtausende bewährt hat, wird es – trotz des „Ökobooms“ – immer schwerer, ausreichend Flächen zu erhalten oder ihre Erzeugnisse zu verkaufen. Ein Weg – also eine Geschäftsidee – um den Zwängen des Marktes, also einer Schwemme künstlich verbilligter Importe, zu entkommen, ist die solidarische Landwirtschaft. Über 100 Höfe in Deutschland erhalten inzwischen von einer Gemeinschaft der Verbraucher genau den Betrag, den sie in einem Jahr benötigen und liefern diesen dafür alle Erzeugnisse ihres Landes. Beide Seiten haben sich damit dem Mafiasystem entzogen, es geht ihnen – im Übrigen insgesamt, also auch gesundheitlich – gut.
Oft haben Ökolandwirte aber Probleme, benötigte Flächen zu pachten oder gar zu kaufen, weil diese nach EU Recht auf dem „freien Markt“ gehandelt werden müssen und dort immer mehr der Investorenmafia in die Hände fallen. Für diese Fälle könnte ein Konzept helfen, bei dem eben die potenziellen Verbraucher ihr Stück Land, besagte 2000 bis 2500m² erwerben und dann dem Landwirt zur Nutzung, also zur Herstellung ihrer Lebensmittel zur Verfügung stellen. Der hierfür – zum Beispiel in Brandenburg – aufzubringende Betrag von maximal 2500,00€ sollte darstellbar sein, man wird ja immerhin „Landbesitzer“. Da erhebliche Flächen nicht nur in Deutschland immer noch in Händen der Kirchen oder des Staates sind, könnten diese ohnehin sich an ihre Verantwortung erinnern und die entsprechenden Flächen sofort aus der industriellen Vernichtung nehmen. Es ist eine Schande, wenn nicht gar kriminell, dass diese „öffentlichen“ Flächen nicht verantwortungsbewusst im Sinne der Menschen und der gesamten Mitwelt behandelt werden.
Eine ohnehin lange überfällige Frage ist allerdings, warum die Nahrungsmittelindustrie – also Landwirte, verarbeitende Industrie und Agrochemiekonzerne – nicht alle Kosten übernehmen, die ihre Verwüstung verursacht. Das beginnt mit der Vergiftung des Grundwassers über die Vernichtung der Böden (Stichwort Humusschicht), Zerstörung der Biodiversität bis zu all den Allergien und Krankheiten, die die chemisch verseuchten Lebensmittel verursachen. All diese Kosten werden bisher von der Gemeinschaft getragen, aber den Verursachern nicht in Rechnung gestellt. Es ist anzunehmen, dass in dem Fall diese Lebensmittel unbezahlbar wären.
Fazit: Es ist durchaus Land in Sicht. In den Dörfern und auch in den Städten (Havanna erhält über 70% seiner Lebensmittel direkt aus der Stadt und dem direkten Umland) nehmen Menschen weltweit ihr Leben wieder selbst in die Hand. Die Mafia wehrt sich – noch – vehement (siehe Interview mit dem deutschen Bauernpräsidenten Joachim Rukwied in DER SPIEGEL Nr. 38/12.09.2015) und verteidigt ihr kriminelles Verhalten mit den Zwängen des globalen Marktes. Die Frage, warum Landwirte so dumm sind, sich diesen zu unterwerfen fehlt jedoch und wird somit auch nicht beantwortet.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/un-warnt-vor-erosion-der-boeden-a-1052960.html
http://www.natur.de/de/20/Bodendegradation-kostet-jaehrlich-neun-Billionen-Euro,1,,1743.html
http://www.zeit.de/kultur/2015-09/massentierhaltung-tierschutz-10nach8
http://www.ernährungssouveränität.at/
http://nyeleni.de/
http://www.demeter.de/verbraucher/einkaufsstaetten/%C3%B6kohof-waldgarten
http://www.freie-ausbildung-im-norden.de/
http://olib-ev.org/
http://www.weltagrarbericht.de/
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/heutiges-ackerland-koennte-vier-milliarden-menschen-mehr-ernaehren-a-914457.html
http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2015-09/kuba-bio-landwirtschaft-nachhaltigkeit-innovationen
http://www.2000m2.eu/de/