Goldene Hochzeit von Opa und Oma, der runde Geburtstag von der Lieblingstante ein besonderer Jahrestag mit dem oder der Liebsten: Wer ein persönliches Geschenk zu einem wichtigen Jubiläum sucht – und vielleicht erst am Tag der Feierlichen drauf kommt –, der wird sich in Wien bald im Antiquariat „Bücher Ernst“ wiederfinden. Denn hier gibt’s Zeitungsoriginale der letzten 200 Jahre. Und die Jubiläumsjahrgänge sind dabei im Geschäft immer lagernd und können daher sofort mitgenommenen werden. So können Oma und Opa ganz persönlich nachschmökern, was genau an ihrem Hochzeitstag vor 50 Jahren eigentlich sonst noch so in Österreich los war.
Doch der Handel mit Zeitungsoriginalen ist nur ein Teil des Geschäfts vom „Bücher Ernst“, der seinen Buchhandel vor 40 Jahren gegründet hat. Die Begeisterung für historische Druckwerke hat der heute 85-Jährige an seinen Sohn Harald Anzböck weitergegeben, der uns gut gelaunt zum Interview in der Filiale in der Gumpendorferstraße in Wien begrüßt.
Ich kann hier reinkommen und von jedem Datum gleich ein Exemplar einer original historischen Zeitung der letzten 200 Jubiläumsjahre mitnehmen. Wie geht denn das bitte? Steckt dahinter ein ausgeklügeltes Software-Lagerprogramm?
Anzböck (lacht): „Nein, im Gegenteil Hier läuft alles analog. Das macht, denke ich, auch irgendwie den besonderen Charme unseres Geschäfts aus. Wir haben insgesamt zwei Millionen historischer Zeitschriften und Zeitungen samt Echtheitszertifikaten in fünf verschiedenen Lagereinheiten. Und die sind alle in ganz normalen Mappen erfasst. Die Jubiläumsjahrgänge haben wir immer direkt im Geschäft lagernd. Tatsächlich wird hier alles in Form von Kürzeln mit Bleistift festgehalten. Wird eine Zeitung verkauft, dann wird diese Position in der Mappe noch ganz klassische ausradiert. Das ist praktisch einerseits – und ein bisschen gefährlich andererseits. Das geb ich schon zu. Aber dafür findet man hier herinnen auch irgendwie noch eine Bastion der Entschleunigung.”
Wie kommt man denn bitte überhaupt an zwei Millionen originaler Zeitungs- und Zeitschriftenausgaben?
Anzböck: „Das hat vor 30 Jahren begonnen. Da ist ein Kunde auf den Papa zugekommen und hat ihn gefragt, ob er ihm nicht eine Zeitung von einem bestimmten Datum besorgen könnte. Und weil der Papa gewohnt war, alles besorgen zu können, hat er begonnen zu recherchieren. Irgendwann hat ihm dann die Wiener Zeitung, die ihre historischen Ausgaben digitalisieren und elektronisch ablegen wollte, ihr gesamtes analoges Archiv angeboten. Das war so der Beginn: Wir haben die ganzen Bestände angekauft – auch von der Arbeiterzeitung. Und im Zuge dessen haben wir auch viele Zeitschriften von privaten Unternehmen und Instituten bekommen.“
Was macht den „Bücher Ernst“ eigentlich so besonders?
Anzböck: „Wir sind im Grund das größte frei begehbare Antiquariat in Österreich. Antiquariate gibt es viele, wahrscheinlich auch größere, aber sie alle setzen heute auf den Onlinehandel. Und ich finde, wenn man sich ein besonderes historisches Buch gönnt oder generell eine Leidenschaft für Papier und Druckwerke mitbringt, dann möchte man ja auch das haptische Erleben nicht missen. Ich will ein Buch ja auch ein bisserl erleben: Den Geruch der oft Jahrhunderte alten Seiten und Einbände wahrnehmen, über das in Leder gebundene Äußere streichen, darin blättern. Es mit allen Sinnen auf mich wirken lassen. Das kann ich online natürlich nicht. Manche online agierende Antiquariate kann man zwar auch begehen, allerdings archivieren die ihre Bestände meist nummeriert, je nach dem, wann was eingetroffen ist. Und hier bei uns sind die Bücher nach Themen geordnet, da kann man je nach Interessen schmökern. Es ist also wie das Erlebnis in einer klassischen Buchhandlung – nur eben mit historischen Druckwerken. Hier erfährt man außerdem alles persönlich: Woher kommt das Buch? Was ist das für eine Signatur darin? Welchen Wert hat es? Und natürlich kann man bei uns auch ein bisschen handeln. Und unsere Bücher-Experten vor Ort können alle Fragen persönlich beantworten. Wir sind hier so etwas wie ein Kleinod der Buchstabenliebhaber und -sammler.”
Warum ist die persönliche Beratung in einem Antiquariat so wichtig?
Anzböck: „Weil sich gerade Sammler oft für Besonderheiten interessieren, die online nicht so einfach erfragt werden können. Aber die persönliche Beratung ist nicht nur für historisch interessierte Menschen wichtig, sondern vor allem auch für Menschen, die Geschenke suchen. Da können wir zum Beispiel zur Promotion unterschiedlicher Studiengänge passende Bücher empfehlen. Ein besonderes medizinisches Fachbuch um 1900 zum Beispiel, oder historische juristische Druckwerke.“
Was ist denn das älteste Buch, das hier lagernd ist?
Anzböck: „Unser ältestes Werk ist ein Buch mit gesammelten Predigten von Martin Luther aus dem Jahr 1555. Von besonderem historischen Wert ist auch eine Österreichlandkarte, die wir hier haben. Sie ist an die 400 Jahre alt. Wir haben aber auch 40.000 historische Ansichtskarten und in unserer Filiale im 1. Bezirk am Dr. Karl Luegerplatz 3 auch 12.000 Schallplatten.“
Was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit für Sie persönlich in Bezug auf das Antiquariat?
Anzböck: „Nachhaltigkeit ist für mich schon privat ein wichtiges Thema. Als ursprünglich gelernter Koch achte ich da vor allem beim Essen darauf. Ich koch lieber ein Hühnchen, das von mir aus 20 Euro kosten, aber wo ich weiß, dass es gut gehalten wurde. Im Geschäft geht es bei uns vor allem um Mülltrennung, wir haben in den letzten Jahren da verstärkt Maßnahmen ergriffen, um ideal zu recyceln. Beim Thema Bücher und Nachhaltigkeit geht es mir aber vor allem darum, dass der Wert wieder wahrgenommen wird. Wir werfen heute so viel weg, einfach weil man es günstig neu kaufen kann. Dabei zeigt gerade die Wertsteigerung bei historischen Büchern, dass die Dinge eben nicht wertlos sind. Nachhaltigkeit heißt aber auch, dass es nicht nur um Antiquitäten im Buchhandel gehen soll, sondern um Wiederverwertung und das Teilen. Darum haben wir auch eine Angebotskiste mit Second Hand Büchern, die es schon ab 2 Euro gibt. Wir stellen da Bücher in Topzustand für unsere Grätzlbewohner zum besten Preis zur Verfügung.“
Was kann ich denn als Bücherlaie tun, wenn ich alte Bücher bei mir zu Hause habe, die ich nicht einfach entsorgen will?
Anzböck: „Am besten ist immer, einfach anrufen und fragen. Wir erhalten wöchentlich um die 70 Anfragen, ob wir dieses oder jenes ankaufen möchten. Und ich berate da wirklich gerne persönlich. Was wir immer gerne ankaufen sind gut erhaltene Kinderbücher, Kochbücher oder spezielle medizinische Fachbücher um 1900. Aber auch etwas aus den 50er- oder 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts kann schon interessant sein. Manchmal verweise ich dann auch gleich ans Dorotheum, wenn es sich um ein richtig wertvolles Buch handelt. Was wir nicht brauchen sind Lexika. Zu denen erhalten wir etwa 30 Anfrage pro Woche, aber wir haben Tausende auf Lager. Prinzipiell aber im Zweifelsfall gerne anrufen: Wenn es nichts für uns ist, so verweise ich immer wieder gerne auf Flohmärkte oder an die Caritas. Hauptsache, die Bücher werden nicht weggeschmissen.“
Apropos Nachhaltigkeit: Bei Onlineshops geht es ja immer auch um Transportwege. Wird es in Zukunft trotzdem ohne einen modernen Webauftritt gehen?
Anzböck: „Nein, das wäre zu kurz gedacht. Wir modernisieren gerade unsere Homepage, die ist ja auch schon 20 Jahre alt. Und natürlich wird es wichtig sein, auch die Zeitungen vernünftig digital zu erfassen. Ein Teil-Onlineshop ist in Planung, der Versand wird dabei bewusst über die Österreichische Post laufen, weil die bei ihren Fuhrparks auch auf C02-Neutralität achten. Auch wenn wir online letztlich mit der Zeit gehen müssen, ist es mir ein großes Anliegen, dass 70 Prozent unserer Verkäufe weiterhin hier im Straßengeschäft stattfinden. Das Geschäft darf weder sterben, noch bei so etwas Persönlichem wie Büchern zur Gänze dem Onlinehandel überlassen werden.“
Bücher Ernst – Hauptgeschäft
Gumpendorfer Straße 84
A-1060 Wien
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag – 9 bis 18 Uhr
Samstags –10 bis 12 Uhr
www.buecher-ernst.com
Fotocredit: © Energieleben Redaktion
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