Wir schreiben das Jahr 1893 und befinden uns in der Amstettner Kirchenstraße. Josef und Theresia Gerlinger eröffnen gerade einen Schuhmacherbetrieb im ehemaligen Messnerhaus des kleinen Städtchens. Und wahrscheinlich hätten sich weder Josef noch Theresia damals träumen lassen, dass über 125 Jahre später ihre Ur-Ur-Enkelinnen Katharina und Theresa Gerlinger in mittlerweile fünfter Generation das klassische Schuhmacherhandwerk weitertragen. Und was hätten Josef und Theresia wohl dazu gesagt, dass Katharina heute sogar in „der fernen, großen Stadt“ Wien eine erfolgreiche Handelsfiliale betreibt, in der ebenso orthopädische Maßschuhe von Hand gefertigt werden?
Nachhaltigkeit hat Tradition in der Familie der Schuhhersteller
„Ich glaube, die Ur-Ur-Großeltern wären sehr stolz auf meine Schwester und mich. Weil es in unserem Familienunternehmen Tradition hat, dass jede Generation etwas ganz Neues einbringt“, sagt Katharina Gerlinger, die damit das Thema „Nachhaltigkeit“ anspricht, das sich zunehmend in den Familienbetrieb integriert. „Auch unser 90-jähriger Opa findet es toll, dass wir uns so einbringen und meine Eltern sind sowieso von dem nachhaltigen Ansatz im Unternehmen begeistert – schon alleine, weil sie uns den ressourcenschonenden Gedanken auch in der Erziehung bereits mitgegeben haben“, so Gerlinger. „Meine Schwester und ich kochen beispielsweise nach dem Vorbild unserer Mama immer mit frischem Gemüse und so, dass nichts verschwendet wird. Wir haben schon zuhause mitbekommen, dass es klug ist, die Lebensmittel prinzipiell am Markt regional oder direkt von den umliegenden Bauern zu beziehen. Und da war es irgendwann ein logischer Schritt, dass wir den Nachhaltigkeitsgedanken auch vermehrt ins Geschäft mit einbringen.“
Vegetabil gegerbtes Leder als Innenfutter für orthopädische Schuhe
Als Hersteller orthopädischer Schuhe, die teilweise auch barfuß getragen werden, sei es den Gerlingers besonders wichtig gewesen, dabei vor allem auf natürliche Materialien zu setzen. „Die Schwierigkeiten beginnen da ja schon beim Leder, das man in Österreich kaum noch kaufen kann, weil die Gerbereien hierzulande einfach ausgestorben sind. Wir schauen aber, dass unser Leder zumindest aus Europa kommt und vor allem arbeiten wir mit sogenanntem vegetabil gegerbtem Leder“, so die Schuhexpertin. Diese Art des Gerbens kommt ohne chemische Zusätze aus. Gegerbt wird beispielsweise mit ätherischen Ölen aus Tannenzweigen und ähnlichem. „Und wir verwenden mittlerweile eben ausschließlich dieses pflanzlich gegerbte Leder beim Innenfutter für die orthopädischen Maßschuhe. So gibt es auch keine Hautprobleme, wenn die Kunden die Schuhe barfuß tragen.“ Wer bei dieser Art von orthopädischen Maßschuhen jetzt an klobige Klötze denkt, der hat ein deutlich veraltetes Bild dieser Handwerkskunst: „Wir stellen mittlerweile Sportschuhe genauso her wie orthopädische Hochzeitsschuhe. Da wird dann klassisch mit hübscher Spitze gearbeitet“, räumt Katharina Gerlinger mit einem Missverständnis auf.
Schuhpflege, die auch zur Hautpflege geeignet ist
Aus dem hautschonenden, vegetativ gegerbten Leder werden übriges auch Kinderpatscherl hergestellt, die in der Stammfiliale in Amstetten vertrieben und regional im Mostviertel hergestellt werden. Nachhaltigkeit hört bei Gerlinger aber nicht bei der pflanzlichen Gerbung des Leders auf. „Für uns liegt ein großes Augenmerk auch auf den Reinigungs- und Pflegeprodukten der Schuhe. Du musst nur einmal auf die ganzen Warnhinweise bei einer herkömmlichen Lederpflege oder einem klassischen Schuhputzmittel schauen. Das willst du nicht in der Nähe deines Kindes wissen. Darum setzen wir auf eine Pflegeserie für Schuhe, die direkt aus Österreich kommt und nur aus natürlichen Stoffen besteht. Da ist jede Schuhpflege sogar dermatologisch getestet. Und das heißt wiederum, dass man etwa das Lederfett tatsächlich auch bedenkenlos als Handcreme verwenden kann oder im Winter die Pfoten des Hundes damit vorm Salz auf der Straße schützen kann. Das darf auch ein Kind in die Hände kriegen, ohne dass etwas passiert. Außer vielleicht eine fettige Sauerei“, lacht Gerlinger. Das Unternehmen, von dem sie spricht, ist Pep*Up (siehe weiter unten), bei dem Naturpflegeprodukte für alle Oberflächen in Österreich hergestellt werden. „Und genau diese natürlichen Reinigungsprodukte kommen auch sehr gut bei den Kunden an, ich hab die schon zwei Mal nachbestellen müssen, weil der gesundheitliche Aspekt – und dass man Schuhpflege auch als Hautpflege einsetzen kann – einfach jeden fasziniert.“
Recyceltes Material für Schuhe
Neben den von Hand gefertigten, orthopädischen Maßschuhen setzt man bei Gerlinger aber auch im Handel auf ressourcenschonende und nachhaltige Marken. „Wir schauen, dass wir vor allem Marken führen, die zur Herstellung Naturmaterialien und nachwachsende Rohstoffe verwenden. Diese nachhaltige Komponente finden wir beispielsweise bei TOMS, die Leinen-Espandrillos herstellen, in denen die Einlegesohle aus recycelten Einwegplastikflaschen hergestellt ist. Außerdem spendet TOMS jedesmal ein Paar Schuhe an ein Kind in Südamerika oder Afrika, wenn du hier ein Paar Schuhe der Marke kaufst. Auch der deutsche Hersteller Paul Green verwendet für seine Schuhsohlen Material aus 51 Prozent recyceltem Kunststoff und führt auch Schuhe, die aus komplett kompostierbarem Material bestehen. Falls du den Schuh mal vergraben willst, bleibt also nichts von ihm über. Das Unternehmen Ecco hat eine eigene neue Linie, bei der das Leder nur mit der Abwärme aus der Schuhproduktion entsteht. Das spart einen enormen Verbrauch an Wasser. Darum führen wir diese Linie natürlich auch sehr gerne“, so Gerlinger.
Übrigens: Von Hand gearbeitete, orthopädische Schuhe erfordern auch in Zukunft deinen persönlichen Besuch im entsprechenden Geschäft. „Wir nehmen ja Maß von den Füßen und gehen da sehr individuell auf unsere Kunden ein“, verdeutlicht Katharina Gerlinger. „Alle anderen Schuhe samt unserem neuen, nachhaltigen Sortiment sind aber schon sehr bald auch über einen Onlineshop erhältlich.“
Seidengasse 29
1070 Wien
www.gerlinger.co.at
Alles rund um nachhaltige Schuhe: Marken und Shops, die ihr kennen solltet
Hier findet ihr eine Auswahl an Adressen, bei denen ihr zum Thema Schuhe in Verbindung mit Nachhaltigkeit fündig werdet. Die Liste erhebt dabei keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Du kennst noch eine weitere, wichtige Adresse oder Marke, die die Themen Nachhaltigkeit und Schuhe verbindet? Dann hinterlasse uns doch bitte in den Kommentaren deinen Tipp.
Pep*Up
Ob Ringelblumenöl oder Lemongrassöl fürs Leder, Holz- sowie Möbel-Pflege, Imprägniersprays oder Veloursleder-Pflegespray: Alle Produkte des österreichischen Unternehmens sind dermatologisch getestet und zertifiziert. Die natürlichen Produkte enthalten weder tierische Fette, noch Alkohol oder chemische Zusätze.
TOMS
Die Marke TOMS setzt nicht nur auf recyceltes Material, sondern will mit ihrer Existenz vor allem auch Gutes tun. Kaufst du ein Paar Schuhe der Marke, wird ein Paar Schuhe an notleidende Menschen gespendet. Fast 100 Millionen Schuhe sollen so schon an Menschen in Not gespendet worden sein.
Paul Green
Mit der Marke „Pure“ hat auch der Schuhhersteller Paul Green eine Schuhlinie im Programm, die sich ganz dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben hat. Nachwachsende Rohstoffe kommen hier genauso wie chromfrei gegerbtes Leder zum Einsatz. Für die Sohlen werden 51 Prozent recyceltes Material verwendet.
ethletic
Nachhaltigkeit und vor allem fairer Handel spielen eine Riesenrolle für das Unternehmen. So wird die gesamte Baumwolle, die für die Schuhproduktion verwendet wird, biologisch von Fairtrade-Produzenten angebaut. Gleichzeitig setzt das Unternehmen, das vegane Schuhe herstellt, auf Naturkautschuk, faire Löhne sowie faire Arbeitsbedingungen und gibt dir sogar einen Zuschuss, wenn du einen ethletic Sneaker reparieren lässt, anstatt ihn wegzuwerfen.
NOAH
100 Prozent vegan, 100 Prozent nachhaltig und 100 Prozent fair – so will NOAH Ethik und Ästhetik miteinander verbinden. Neben zahlreichen veganen Accessoires bietet das italienische Label eine unglaubliche Vielzahl an organisch hergestellten Schuhen, die absolut keine Spuren hinterlassen.
Muso Koroni
Im 8. Bezirk in Wien bietet der Store ökologisch und fair hergestellte Mode. Dazu gehören auch Schuhe. Alle Produkte, die bei Muso Koroni angeboten werden, sind noch dazu zu 100 Prozent vegan.
Josefstädter Straße 33
1080 Wien
avocadostore
Eine wirklich große Auswahl an nachhaltigen Schuhen bietet auch das Onlinesortiment des avocadostore. Alle Produkte des Shops müssen zehn Kriterien entsprechen, die das Team erstellt hat. Dazu gehört unter anderem, dass die Produkte aus Rohstoffen aus Bioanbau bestehen, ressourcenschonend, fair, schadstoffarm und vegan hergestellt sind.
Vega Nova
Vega Nova setzt auf Marken, die bestmöglich ökologisch in Europa hergestellt werden. Sowohl die gesundheitliche als auch die ökologische Herangehensweise steht für das Unternehmen an oberster Stelle. Bei Schuhen führt Vega Nova etwa Marken wie Think oder El Naturalista. In Österreich gibt’s den Shop gleich sieben Mal, davon drei Mal in Wien. Z. B. in der
Margaretenstraße 82
1050 Wien
GEA/Waldviertler Schuhe
Bei GEA dreht sich alles um Gehen, Sitzen und Liegen, wobei die Shops hauptsächlich durch ihre Waldviertler Schuhe bekannt sind, die durch und durch nachhaltig und per Handarbeit hergestellt werden. Die Erfolgsgeschichte, die 1980 startete, lässt sich vier Mal in Wien finden, z. B. hier:
Himmelpfortgasse 26
1010 Wien
goodshoes
Auch bei goodshoes wird hinsichtlich der Marken auf Produzenten geachtet, die ihre Herstellungsweisen transparent machen und vor allem auch die Herkunft ihrer Rohstoffe titulieren. Bei goodshoes wird generell auf faire, ressourcenschonende und weitgehend klimaneutrale Arbeit gesetzt.
Währinger Straße 24
Ecke Thurngasse
1090 Wien
Recyceltes Material, nachhaltige Verarbeitung, nachwachsende Rohstoffe, biologisch-ökologische und vegane Herangehensweisen – das alles und noch viel mehr sind Begriffe, die teilweise wichtige Kriterien für die folgenden Marken sind:
- Auf traditionelles Kunsthandwerk in Vietnam und auf faire Arbeitsbedingungen setzen N’go Shoes.
- Auf lateinamerikanisches Kunsthandwerk setzt wiederum das Label Inkkas, das sich ebenso für fairen Handel und eine respektvolle Schuhproduktion einsetzt.
- Faire Bedingungen, ökologische Materialien und kleine Stückzahlen – das ist das nachhaltige Konzept, das der Hersteller ekn setzt.
- Vegan sind die Schuhe bei nae. Die portugiesische Schuhmarke setzt sich bereits seit 2008 für nachhaltige Schuhmode ein.
Weitere Adressen für nachhaltige Schuhe findest du hier.
Fotocredits: artattack, Gerlinger, Katharina Gerlinger (privat), StockSnap / pixabay.com
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