Dieser Artikel wurde am 19. Dezember 2012 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!In der hessischen Region Mittleres Fuldatal haben sich 3 Gemeinden zusammengeschlossen um für ihre fast 35000 Einwohner…
Dieser Artikel wurde am 19. Dezember 2012 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

In der hessischen Region Mittleres Fuldatal haben sich 3 Gemeinden zusammengeschlossen um für ihre fast 35000 Einwohner – in 21 Stadt- und 10 Ortsteilen – eine wirklich nachhaltige Zukunft zu gestalten. Die Gemeinden Alheim, Bebra und Rotenburg a. d. Fulda wurden bereits mehrfach von der UN-Weltdekade dafür geehrt.

Initiative zu einer wirklichen Wende zu Nachhaltigkeit braucht die Bürger

Seit 15 Jahren schiebt Bürgermeister Lüdtke aus Alheim ein nachhaltiges Projekt nach dem anderen und muss in seinem schönen neuen Rathaus schon freie Wände suchen, um all die Anerkennungsurkunden aufhängen zu können. Wie so oft braucht es den Anstoß eines Menschen – mit ein wenig Einfluss und Ideen – um die Bürger zu animieren. In Alheim kam noch hinzu, dass ein junger Unternehmer mit innovativen Ideen in dem Dorf eine Firma gründete, die schließlich Weltmarktführer für gelenkte Solarpaneele wurde. Mit diesen Steuereinnahmen im Rücken und Projekten für die Kinder in den Kindergärten der Gemeinden begann bereits zur Expo 2000 die Energiewende an der Fulda. Die Kinder berichteten zu Hause von den tollen Möglichkeiten, zum Beispiel den Strom doch viel billiger – und Umweltschonender – zu Hause selbst zu erzeugen und löcherten ihre Eltern, doch auch so eine Anlage aufs Dach zu legen. So gewann der Bürgermeister seine Bürger nach und nach für Bürgerfinanzierte Solarparks, die der lokale Hersteller sogleich auf Dächern, Parkplätzen und freien Flächen in der Gemeinde installierte. Der Plan, bis 2050 mindestens 80 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen im Ort zu erzeugen, wurde 2011 bereits übererfüllt. In den 10 Ortsteilen werden inzwischen über 120 Prozent erzeugt. Finanziert allein von den Bürgern und der örtlichen Volksbank, sowie dem Solartechnologieunternehmen.

Nachhaltigkeit braucht Zukunft

Ein großes Problem vieler ländlicher Gemeinden ist die Überalterung. Gerade die jungen Leute zieht es in die Städte oder deren Speckgürtel. So hat sich Alheim erst einmal mit den beiden kleinstädtischen Gemeinden Bebra und Rotenburg an der Fulda zusammengeschlossen um gemeinsam und nicht in Konkurrenz Zukunftskonzepte zu entwickeln. Daraus wurde eine gemeinsam handelnde kommunale Einheit von knapp 35000 Bürgern.

Es wurden Arbeitsgruppen zusammengestellt, die nun gemeinsam Konzepte erarbeiten und jeweils Bürger zur Umsetzung gewinnen. So entstand auch ein großer Ideenpool, welcher wirklich lokale Probleme und Möglichkeiten berücksichtigt, ohne auf Interessen von außen Rücksicht nehmen zu müssen. So wurden Initiativen ergriffen, um junge Familien in die Gemeinden zu holen, wie das „jung kauft alt“ Programm. Junge Familien bekommen so Zuschüsse zur Finanzierung, wenn sie alte Gebäude kaufen und sanieren. Entscheidend dabei ist, dass die Kostenbelastung geringer ist, als in irgendeinem Neubaugebiet in der Region. Natürlich sorgen die Gemeinden dafür, dass alle Kinder einen Kindergarten-, Kita- oder Hortplatz bekommen. Ebenso wird die regionale Infrastruktur darauf abgestimmt, dass ein optimales öffentliches Nahverkehrsnetz viele Wege mit dem PKW überflüssig macht.

Der Erfolg ist, dass die Gemeinden seit 2010 nicht mehr dem demografischen Wandel unterliegen, die Altersstruktur gesund ist.

Wertschöpfung am Ort sichert die Gemeindehaushalte

Inzwischen wird in den drei Gemeinden an 12 Standorten Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt. So gibt es neben den großen Solarparks Windenergieanlagen, Biogas- und Biomassekraftwerke sowie Wasserkraftanlagen. Ein Wärmenetz versorgt immer mehr öffentliche Gebäude und Privathaushalte mit grüner Wärme. Betriebe werden angelockt, weil sie neben der gut organisierten Infrastruktur auch günstig und langfristig Preisstabil lokal erzeugten Strom und Nahwärme beziehen können.

Die gefüllten Kassen der Gemeinden erlauben nun auch Einrichtungen, wie ein Mehrgenerationenhaus zu bauen, in dem alle Bürger sich treffen können und Veranstaltungen, Informationsabende oder einfach nur regelmäßige Treffen organisieren. Spezielle, von den Gemeinden geförderte Projekte für Seniorenwohnanlagen in unmittelbarer Nähe dieser Treffpunkte und in Ortsmitte sorgen dafür, dass die älteren Bürger in der Gemeinde bleiben und aktiver am Leben teilnehmen. Seniorengruppen haben sich in speziellen Seminaren als „Umweltscouts“ qualifiziert und unterstützen in den Kindergärten und Schulen die Lehrkräfte mit speziellen Umweltprojekten. Rad- und Wanderwege entlang der Fulda sorgen zusätzlich für zahllose Besucher aus der Umgebung. Von örtlichen Genossenschaften betriebene Dorfläden sorgen zudem in den Gemeinden dafür, dass der tägliche Bedarf im Ort gedeckt werden kann und in den zugehörigen Cafes treffen sich die Bürger auf einen Plausch. Dabei wird darauf geachtet, dass die landwirtschaftlichen Erzeugnisse der lokalen Betriebe bevorzugt angeboten werden.

Aufmerksamkeit für die Umgebung und deren Belange

Wenn Bürger beginnen, sich wirklich mit ihrem Ort auseinanderzusetzen, beginnt eine längst vergessene Kommunikation mit der Umgebung. Oft leiden ländliche Gemeinden darunter, dass sie zu „Schlafdörfern“ werden, aus denen die Bürger nur zu ihren Arbeitsstellen in oder an den Städten pendeln. Ein Dorfleben im alten Sinne und ein Interesse für die Entwicklung des Ortes ist dann kaum vorhanden. Anders ist das in Gemeinden, in denen derartige gemeinschaftliche Projekte entstehen, von denen alle Bürger profitieren. Plötzlich sind das Ortsbild und auch die nahe Umgebung des Dorfes im Fokus der Bürger. Wer durch die Dörfer der Gemeinde Alheim fährt oder auf dem Energielehrpfad entlang der Fulda radelt, wird bemerken, wie liebevoll hier die Landschaft behandelt wird. Renaturierungsprogramme und Schutzzonen für die heimischen Wildtiere, Brutzonen für Wildvögel sorgen dafür, dass die Landschaft nicht nur als Wirtschaftszone angesehen wird. Zusätzlich sind zahllose Kunstobjekte, zum Teil noch aus der Zeit der EXPO 2000 – Projekte oder der Teilnahme an der DOKUMENTA in Kassel sorgen für überraschende Perspektiven. Man merkt sofort, dass hier Menschen leben, die ihre Umwelt wieder wahrnehmen und für ein harmonisches Miteinander sorgen.

Alle Bereiche der Nachhaltigkeit müssen berücksichtig sein

Insgesamt umfasst dieses Nachhaltigkeitsprojekt eine Fläche von etwa 250 qkm. Hier arbeiten nach und nach alle Bürger daran, ihre Landschaft ökologisch zu bewirtschaften, beziehungsweise zu schonen. Alle Betriebe und die Gemeinden mit ihren Bürgern profitieren Finanziell von der nachhaltigen Entwicklung, sowohl durch die Gewinne aus der lokalen Energieerzeugung und Nutzung als auch aus immer mehr langfristig sicheren Arbeitsplätzen. Das soziale Netzwerk wird gestärkt, durch die intensiven Kontakte zwischen den Generationen und allen Schichten der Bevölkerung. Es ist schon erstaunlich, wenn trotz wechselnder Koalitionen in den Gemeinderäten letztlich alle Entscheidungen einstimmig getroffen werden. Das ist ein Beweis dafür, dass viele Themen natürlich vorab bereits in den vielen Gruppen und Vereinen besprochen wurden und außerdem dann, wenn sich alle Bürger wirklich um ihren Ort kümmern, und nicht um externe Parteipolitik, sehr schnell ein Einvernehmen entstehen kann.

Kontakt: Kommunale Arbeitsgemeinschaft ZuBRA

hauptundpersonalamt@bebra.de

http://zubra.de/