Seit Jahren herrschen kontroverse Diskussionen um die Industriechemikalie Bisphenol A (BPA). Man streitet darum, ob die Substanz ein Gesundheitsrisiko darstellt und welche Mengen noch tolerierbar sind. Als Verbraucher kann man dabei nur zusehen und ist von den Entscheidungen der Politik abhängig. Eine EU-weite Regelung steht noch aus.
Bisphenol A ist überall
Selbst wenn man als Verbraucher zum Schluss kommt, Bisphenol A besser meiden zu wollen, so kann man dem Stoff doch nicht entgehen. Die Chemikalie wird für die Herstellung von Kunststoffen und Kunstharzen verwendet und steckt unter anderem in Getränkeflaschen, Essgeschirr, Vorratsbehältern, Konservendosen, CDs, Kassenbons, Parktickets, Fahrkarten oder Zahnfüllungen.
BPA ist mittlerweile weit in der Umwelt verbreitet und gelangt in den menschlichen Körper über Lebensmittel, über die Haut oder über die Atemluft aus dem Hausstaub. (1, 2) Laut Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) wurde im menschlichen Blut eine mittlere Menge nachgewiesen, die höher sei als die Konzentration, die in Versuchen an Mäusen bereits zu einer Beeinträchtigung der Sexualentwicklung geführt hätte. (3) Nur ein Verbot der Chemikalie könnte uns von ihr befreien, und selbst dann würde es noch Jahre dauern, bis die Reste in der Umwelt abgebaut sind. (2)
Was ist Bisphenol A?
Bisphenol A gehört zu den ersten chemischen Stoffen, von der eine östrogenartige Wirkung bekannt wurde. (4) Dies entdeckten die Biochemiker Edward Charles Dodds und Wilfrid Lawson im Jahr 1936, als sie auf der Suche nach einer günstigen Substanz waren, die in medizinischen Therapien das weibliche Hormon ersetzen könnte. Doch man fand potentere synthetische Östrogene. Fataler Weise verschwand BPA nicht von der Bildfläche, sondern erhielt Einzug in die chemische Industrie, natürlich ohne dabei die hormonelle Wirkung zu verlieren.
Gesundheitliches Risiko durch Bisphenol A überbewertet?
“Traue niemals einer Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.” Unter diesem Motto scheinen sich die verschiedenen Parteien Mängel in den jeweiligen wissenschaftlichen Untersuchungen vorzuwerfen. Der BUND fasst es jedoch schön übersichtlich wie folgt zusammen: Ergebnisse unabhängiger wissenschaftlicher Untersuchungen weisen auf eine Gesundheitsgefährdung hin, von der Industrie durchgeführte oder finanzierte Studien geben Entwarnung.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht nach Auswertung der Studien keinen Grund für ein Verbot von Bisphenol A und hat die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) auf 0,05 mg/kg Körpergewicht festgelegt. (1) Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung in Deutschland ist der Meinung, dass keine gesundheitsschädlichen BPA-Wirkungen für den Menschen nachgewiesen seien. (5) Die Substanz würde im Körper schnell zu einem Stoffwechselprodukt umgewandelt, das nicht mehr östrogen wirke und über die Nieren ausgeschieden würde.
Hinweise auf Gesundheitsrisiko durch Bisphenol A
Der BUND informiert jedoch, dass die östrogenwirksame Form des Bisphenol A im menschlichen Gewebe wie Hoden und Plazenta wieder freigesetzt werden könne, daher hätte man ja auch relevante Konzentrationen dieser Substanz im menschlichen Blut finden können. (3) Es gäbe auch Hinweise darauf, dass BPA durch direkte Einwirkung auf Hormonrezeptoren in geringerer Konzentration sogar um so schädlicher sein könne. (3) Grenzwerte würden in dem Fall keinen Sinn machen.
Das Deutsche Umweltbundesamt gibt in der Diskussion eine vorsichtige Einschätzung: „(…) Aus der fachlichen Sicht des UBA ergibt sich ein ausreichendes Besorgnispotenzial.“ (3). Es appelliert an die Eigenverantwortung von Herstellern und Weiterverwertern der Industrie. Es berichtet von Untersuchungen, die der Substanz bereits in geringer Konzentration negative Effekte auf die Sexualentwicklung, den Stoffwechsel und das Herz-Kreislaufsystem nachwiesen. Es gäbe Hinweise auf die Beeinträchtigung geistiger Fähigkeiten und aufs Verhalten. Doch auch die Bundesbehörde weist auf Widersprüche und Kontroversen in der Diskussion hin.
Frankreich verbietet Bisphenol A in Lebensmittelverpackungen
Das neuste Ergebnis von Wissenschaftlern der Universität Bonn gibt einen weiteren Hinweis auf ein Gesundheitsrisiko durch Bisphenol A. Die Forscher fanden heraus, dass die Umweltchemikalie die Calcium-Kanäle in den Zellmembranen blockiert. (2) Ähnlich wirkten Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen und auch Schwermetalle hätten dieselben schädlichen Auswirkungen.
In Österreich und Deutschland ist BPA immerhin schon in Babyflaschen, Schnullern und Beißringen verboten, doch in Lebensmittelverpackungen und anderen Bereichen kommt es weiterhin zur Anwendung. Erst kürzlich wurde gemeldet, dass Frankreich nicht länger auf die EU-Regelung warten wolle sondern selbst Initiative ergreife. Es verbietet Bisphenol A in Lebensmittelverpackungen. Bis 2015 sollen diese aus den Verkehr gezogen werden.
- (1) http://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/bisphenol.htm
- (2) http://www3.uni-bonn.de/Pressemitteilungen/304-2012
- (3) http://www.bund.net/themen_und_projekte/chemie/chemie_und_gesundheit/bundschwerpunkte/bisphenol_a/
- (4) http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3782.pdf
- (5) http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_bisphenol_a_in_verbrauchernahen_produkten-7195.html
- (6) http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=11613;gartnr=90;bernr=06
Bildnachweis Titel: © Ruth Rudolph / Pixelio.de
Bildnachweis Flasche: © Jürgen Oberguggenberger / Pixelio.de
Bildnachweis Nagellack: © birgitH/ Pixelio.de
Bildnachweis Dosen: © Andreas Stix/ Pixelio.de