Wenn viele von uns vom Ideal des einfachen, guten oder auch nachhaltigen Lebens reden, haben wir vielleicht ein Bild vom Leben am Land. Da kommen Gedanken vom eigenen Garten oder Mini-Bauernhof. Wir ziehen unsere eigenen Kräuter, kaufen oder beziehen nur noch regional produzierte Lebensmittel vom Ort oder Nachbarort. Noch besser ist es, wenn wir eine Solaranlage am Dach haben, auch aufs Wesentliche reduziert haben und minimalistisch leben. Dann sind wir alle glücklich und alles ist gut. Oder?
Aber dieses romantisierte Bild der Nachhaltigkeit ist einerseits nicht für alle erreichbar, und andererseits auch nicht für alle automatisch wirklich erstrebenswert. Und was ist, wenn es beim einfachen, “guten” Leben nicht um die Äußerlichkeiten geht? Wenn es nicht darum geht, WAS wir tun, sondern viel mehr darum, WIE wir etwas tun?
Luxus oder Last?
Über die letzten Jahrhunderte und darüber hinaus haben wir als Menschheit neue Dinge und Methoden erfunden, um uns das Leben zu erleichtern. Und all diese Dinge nennen wir meist gesammelt “Luxus”. Oder sie sind uns als solcher gar nicht mehr bewusst, und sind einfach Teil des Alltag.
Es ist etwa ein Luxus, nur einen Regler betätigen müssen, damit unsere unmittelbaren Räumlichkeiten innerhalb kürzester Zeit warm sind und übers Jahr hinweg fast durchgängig konstant bleiben. Auch ist es ein Luxus, dass viele von uns ein Gefährt haben, das direkt vor der Tür steht, in das wir nur einsteigen müssen. Dann sind nur noch ein paar kleine Handgriffe tätigen, und schon werden wir ohne eigenen körperlichen Energieaufwand über große Distanzen transportiert.
Diese und ähnliche Dinge sind großteils geniale Errungenschaften, und sie haben einen großen Nutzen. Sie bringen aber auch bei Überbeanspruchung so einige negative Aspekte mit sich. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind uns großteils bekannt. Sie haben aber auch dazu geführt, dass wir uns als Menschen selbst schwächen.
Unsere Muskeln werden viel weniger herausgefordert, und wir meinen, dieses Training extra in Form von “Sport” zu brauchen. Unsere Aufmerksamkeit für unsere Umgebung, das Wetter und das Klima sinkt. Der Kopf weiß zwar, dass die Umgebungstemperatur “manipuliert” wurde, aber der Körper selbst ist ständig verwirrt und verlernt seine Anpassungsfähigkeit. Zusätzlich verlieren wir das Gefühl dafür, was es bedeutet, wirklich draußen, mit den Jahreszeiten zu leben. Und dass so extreme Temperaturschwankungen der letzten Jahre mehr bedeuten als nur einfach halt ein “oh, dann zieh ich mich halt anders an”.
Verzicht oder Gewinn?
Wo oder wie kommt also der Verzicht ins Spiel, wenn es ums einfache Leben geht?
Den Verzicht, auf Luxus wie es viele Menschen sehen – etwa Verzicht von Auto, Verzicht vom Konsum tropischer Früchte, etc. – können wir genauso gut als Gewinn von tiefen Verbindungen, ein Zurückfinden zu unserem menschlichen Kern, sehen. Es geht nämlich dabei überhaupt nicht wirklich um Verzicht, sondern um die Frage: “Was tut mir, aber auch meinen Mitmenschen oder meiner Umwelt, wirklich, wirklich gut?
Tut es mir gut, keinen wirklichen Bezug zu den Lebensmitteln zu haben, die ich esse? Wer schon einmal eigene Kräuter, Gemüse oder Früchte vom Samen aufgezogen, oder beim Wachsen begleitet und dann gegessen hat, erkennt hier schnell einen Unterschied.
Tut es mir wirklich gut, alle Strecken im Auto, oder auch im Bus oder sonst einem extern betriebenen Fahrzeug zu fahren? Oder würde ich mich am Ende des Tages körperlich wohler und ausgeglichener fühlen, wenn ich mich mehr zu Fuß oder mit dem Fahrrad fortbewegt hätte?
Tut es mir wirklich gut, so viel Kaffee oder Schokolade, etc. zu konsumieren, um mich auf irgendeiner Form aufzuputschen, anstatt innezuhalten und mich zu fragen was ich wirklich brauche? Vielleicht brauche ich stattdessen mehr Schlaf, weniger Druck, mehr Umarmungen, oder jemanden, der mir zuhört.
Ändere deine Geschichte und du änderst dein Leben
Wenn wir von einem einfachen Leben träumen, dann ist das im Kern oft das tiefe Verlangen und Bedürfnis unseres Körpers und unserer Seele, zu dem zurück zu kehren, was uns wirklich wirklich gut tut. Lange Zeit dachten wir, dass es uns gut tut, wenn wir uns den Alltag erleichtern können. Und in mancherlei Hinsicht stimmt das.
Viele Werkzeuge, die wir über die Jahrtausende entwickelten haben einen extrem sinnvollen, wichtigen Nutzen. Möglicherweise sollten wir sie aber nicht ständig nutzen, sondern etwa nur in Notfällen oder zu besonderen Anlässen. Und wenn wir jeweils die Dinge tun, die uns gut tun, anstatt denen, die im ersten Schritt vielleicht weniger anstrengend oder schneller sind, kann das unser Leben grundlegend verändern.
Fazit
Wenn wir etwas nicht mehr als Verzicht vom Komfort, sondern als Gewinn von Lebensfreude, körperlicher oder geistiger Fitness und Gesundheit, oder schlichtweg innerer Zufriedenheit sehen, dann kann das Bild des einfachen Lebens plötzlich ganz anders aussehen.
Dann erkennen wir vielleicht, dass ein einfacheres Leben meistens etwas langsamer ist, da “alltägliche” Dinge länger Dauern oder anstrengender sind (zumindest zu Beginn). Wir erkennen aber auch, dass das Gefühl der inneren Zufriedenheit, der Eigenwirksamkeit und der Dankbarkeit für all das was uns in diesem Leben geschenkt wurde, wächst. Und unterm Strich haben wir vielleicht sogar weniger Zeit gebraucht für die Dinge die wirklich wichtig sind, weil der Rest einfach weggefallen ist.
Weiterführende Quellen
Beziehungen als Basis von Allem
Nachhaltige Beziehungen
Minimalismus – was ist das eigentlich?
Lichtfasten