Wenn aus Stroh Plastikflaschen werden.
Dieser Artikel wurde am 16. Januar 2015 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Michael Schön ist Chemiker an der Technischen Universität Wien. Wir haben mit ihm, in unserem heutigen Profi-Interview, über seine Forschungsarbeiten gesprochen.

In Ihrer Dissertation haben Sie Verfahren entwickelt, mit denen aus Bio-Reststoffen wie Stroh bessere Bio-Treibstoffe oder Plastikflaschen werden können. Können Sie das näher beschreiben?

Zentraler Ausgangspunkt des Verfahrens sind zellulosehaltige Bio-Reststoffe, die nicht in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelindustrie stehen. Zellulose (ein Polymer, aufgebaut aus vielen einzelnen Zuckereinheiten) wird dabei in einzelne Zuckerbausteine zerlegt.

Diese Einfachzucker werden dann umgesetzt zu dem vielversprechenden Intermediat HMF (5-Hydroxymethylfurfural), welches in weiteren Reaktionsschritten wichtige Ausgangsstoffe für die Herstellung von Biotreibstoff-Additiva oder Kunststoffe liefert.

Der spannende Punkt unserer Arbeiten ist, dass in der Kunststoffindustrie die gleichen Produktionsanlagen verwendet werden können, die bereits jetzt im Einsatz für die Produktion von PET-Flaschen sind. Einziger Unterschied ist, dass bei uns biogene Rohstoffe „eingefüllt“ werden anstelle von Erdöl-basierten.

Sie erhielten dafür den Ernst-Fehrer-Preis der TU Wien, was bedeutet das für Sie?

Der Dr. Ernst-Fehrer-Preis wird jährlich für besondere technische Forschungsleistungen mit praktischer Anwendbarkeit vergeben. Für mich ist es eine ganz besondere Ehre, diese höchste Auszeichnung österreichischer Ingenieurskunst erhalten zu haben – so wird umso mehr klar ersichtlich, dass es trotz schwieriger, finanzieller Situation der Universitäten möglich ist, Spitzenforschung in Österreich zu betreiben.

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Teil der Forschung war auch das Thema Mikroreaktortechnologie. Was darf man sich darunter vorstellen?

Unter Mikroreaktortechnologie kann man sich die Verwendung miniaturisierter Reaktoren vorstellen. Anstelle von großen Reaktorkesseln mit mehreren tausend Liter Volumen verwenden wir Mikroreaktoren, die operative Volumina von 0.1 bis 100 Milliliter haben und mit Reaktionszeiten im Sekunden- bis Minutenbereich betrieben werden.

Mit dieser Maßnahme können wir die Reaktionsparameter sehr genau kontrollieren und das Sicherheitsrisiko der Reaktionen auf ein Minimum reduzieren. Kernpunkt der Technologie ist der kontinuierliche Betrieb in Druck-, Temperatur- und Zeitbereichen, die in größeren Reaktoren nur unter enormen sicherheitstechnischen Auflagen möglich wären.

Welche Bedeutung hat die Forschungsarbeit für die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit?

Umweltschutz und Nachhaltigkeit wurde bei meiner Arbeit schon bei der Auswahl der in Frage kommenden Rohstoffe berücksichtigt. Durch die Verwendung von Bio-Reststoffen sind wir weder auf Rohstoffe fossilen Ursprungs (im weitesten Sinne Erdöl), noch auf Grundbausteine der Nahrungsmittelindustrie (Zucker, Fette) angewiesen.

Unser Prozess konkurriert somit nicht mit anderen Prozessen, sondern erlaubt eine Koexistenz. Im weiteren Schritt wurde durch die Auswahl geeigneter Reaktionsbedingungen und die Entwicklung einer passenden Reaktionstechnologie ein hocheffizientes, sicheres und ressourcenschonendes Verfahren entwickelt, das eingesetzte Energie und Rohstoffe bestmöglich nützt und dabei möglichst wenig Abfall produziert.

Auch bei der Anlagengröße können wir punkten: wir benötigen keine großen Produktionshallen für die voluminösen Kesseln, sondern kommen mit Stellflächen aus, die deutlich kleiner als ein durchschnittlicher Büroschreibtisch sind.

Fotos: TU Wien

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