In Wien hat Weinbau eine Jahrtausende lange Tradition. Es gibt zirka 700 Hektar an Rebflächen innerhalb der Stadtgrenze: das größte innerstädtische Weinbaugebiet der Welt.
Wien und Wein liegt nicht nur im Namen nahe beieinander. Die Stadt Wien verfügt mit dem Weingut Cobenzl über einen Betrieb, der in Sachen Erneuerbare Energie und Nachhaltigkeit zu den Triebkräften unter den heimischen Winzern zählt.
Ich habe mich mit dem Betriebsleiter Ing. Thomas Podsednik getroffen zu einem informellen Gespräch, um ausführlich darüber zu diskutieren, welche Ziele das Weingut bisher verfolgt hat und welche als nächstes in Angriff genommen werden sollen.
Martin Skopal: Herr Podsednik, Sie haben 1988 das Weingut Cobenzl übernommen. In welchem Zustand war damals der Betrieb?
Thomas Podsednik: 1988 überlegte der damalige Bürgermeister Zilk, was mit dem Weingut geschehen sollte. Bürgermeister Häupl, damals als Umweltstadtrat zuständig für das Gut, wollte einen Verkauf unbedingt vermeiden und vereinbarte mit Zilk eine “3-Jahres-Frist.” Diese Zeit wollte er nutzen, um den Betrieb zu modernisieren. Für die Umsetzung seiner Ideen hat er einen jungen Profi gesucht für die Betriebsleitung. Beginnend mit Juli 1988 haben wir hier die Ärmel aufgekrempelt, den Bestand erhoben und Ideen gesponnen, wie wir aus einem Weingut im Dornröschenschlaf einen Vorzeigebetrieb machen können.
Begonnen haben wir im Keller: hier waren dringend gezielte Investitionen nötig, um die Infrastruktur herzustellen, die für einen modernen Weinbaubetrieb notwendig ist. Die Fortschritte waren anfangs nahezu unsichtbar, aber unabdingbar für unsere Arbeit.
Im Haus gab es anfangs zum Beispiel eine Vielzahl unterschiedlicher Heizsysteme wie Ölöfen und Konvektoren; Die haben mehr Energie verschwendet als genutzt. Wir hatten feuchte Räume und Kondenswasser an den Wänden.
Unsere Investitionen erfolgten Schritt für Schritt, jeder davon reiflich überlegt und durchdacht, um unsere Investitionen so effektiv wie möglich durchzuführen und kein Geld unnötig auszugeben.
Das Gebäude am Cobenzl haben wir 2010 renoviert, den Degustationsraum eingerichtet und die Weinlounge. Wir haben das Haus voll auf LED umgestellt. Das macht sich gerade dort bezahlt, wo die tägliche Brenndauer sehr lange ist: im Außenbereich können das bis zu 12h am Tag sein.
Bürgermeister Häupl hat zu Beginn gemeint, der Cobenzl sei wie eine kleine Kolchose geführt: wir könnten heute nicht weiter weg davon sein.
Martin Skopal: Das Weingut ist nun schon mehr als 100 Jahre im Besitz der Stadt.
Thomas Podsednik: Das hat Geschichte: 1905 wurde im Wiener Gemeinderat beschlossen, den Schutzwald Wiesengürtel einzurichten. Bis heute werden vom Forstamt auf Basis dieses Beschlusses Aufforstungen durchgeführt. Der Cobenzl wurde 1907 per Gemeinderatsbeschluss angekauft. Das waren um die 150ha Land; weniger Weingärten, sondern das Gut, das Schloss und viele Gebiete entlang der Höhenstraße.
Martin Skopal: Das Weingut ist wirtschaftlich erfolgreich?
Thomas Podsednik: Die Zeiten sind vorbei, in denen das Weingut defizitär gelaufen ist. Wir sind erfolgreich, auch, wenn das Weingut komplett selbstständig wäre. Mit rund 24 Hektar habe ich den Betrieb übernommen, jetzt haben wir knapp 60 Hektar: Flächenmäßig haben wir uns verdoppelt, vom Personalstand dagegen sind wir weniger geworden, aufgrund einer äußerst strukturierten Arbeitsweise im Weingarten, im Keller und im Verkauf.
Martin Skopal: Warum setzt das Weingut Cobenzl auf Sonnenenergie und Photovoltaik?
Thomas Podsednik: Wir haben eine 40kWp-Anlage verteilt auf unseren Dächern, insgesamt 304m2 Kollektorfläche. Zur besseren Präsentation haben wir die Anlage um die Solarblume ergänzt: wir werden immer wieder auf die Solarblume angesprochen, während im Gespräch kaum jemand die Dachanlage erwähnt.
Zusätzlich verfügt unsere Anlage über eine solarthermische Einheit zur Warmwasseraufbereitung, die in der Übergangszeit auch zur Heizungsunterstützung genutzt wird. Ein 1500l-Speicher hat sich hier als richtig dimensioniert herausgestellt für unsere Zwecke.
Im Moment liegt unser Hauptaugenmerk auf der Stromnutzung: wir produzieren zwar sehr viel Strom, aber wir speisen auch sehr viel ein. Hier werden in Zukunft Speichertechnologien interessant, um den Spitzen- und Nachtbedarf selbst decken zu können.
Martin Skopal: Im Moment versorgen sie den Betrieb netto komplett über die eigenen Anlagen?
Thomas Podsednik: Zu 80 bis 90 Prozent. Unser Stromverbrauch beschreibt eine Sinuskurve: Zur Weinlese sind zwei Kompressen im Dauereinsatz, zwei pneumatische Pressen, Pumpen und zwei Mixer. Während der Abfüllung haben wir eine weitere Spitze. Aktuell brennt das Licht im Keller: wir sind am Tiefpunkt der Kurve. Das bedeutet, dass wir einen Überschuss erzeugen, den wir einspeisen, aber nicht selbst nutzen können. Zur Lösung bräuchten wir 5–10kWh Speicherkapazität, um die Leistungsmaxima überbrücken zu können. Es bewegt sich zwar einiges in diesem Sektor, aber noch warten wir ab.
Martin Skopal: Warum die Konzentration auf Photovoltaik? Hätte die Möglichkeit bestanden, auf andere Energiequellen zuzugreifen, wie Holz in all seinen Formen?
Thomas Podsednik: Zum Zeitpunkt der Errichtung unserer Anlage war das Fördersystem noch anders strukturiert. In Wien war damals für die Förderung ausschlaggebend die Leistung in kWp, während andere Bundesländer als zentrale Größe auf die eingespeiste Strommenge zurückgriffen. Damit hatte unsere Anlage bei der Installation einen Amortisationszeitraum von zirka 20 Jahren. Unsere ausgezeichnete Lage kommt uns bei der Stromproduktion natürlich zugute.
Andere alternative Energien haben wir ausgeschlossen, da wir hier am Cobenzl kaum freie Räumlichkeiten haben. Die hätten wir für eine Hackschnitzelanlage beispielsweise benötigt. Am Magdalenenhof, der zu uns gehört, wurden zwei Pelletskessel installiert mit einer Gesamtleistung von 180kW. Der kleinere Ofen arbeitet alleine in der Übergangszeit, der zweite Ofen wird im Bedarfsfall automatisch dazugeschaltet. Die Praktikabilität in der Handhabung von Pellets, speziell im Vergleich zu einer Hackschnitzelanlage, hat für uns den Ausschlag gegeben.
Martin Skopal: Eine pragmatische Entscheidung, die zur Photovoltaik geführt hat.
Thomas Podsednik: Die für eine Hackschnitzelanlage notwendigen baulichen Änderungen hätten zu viel Geld verschlungen. Wären wir unser eigener Holzproduzent, wäre das vielleicht anders.
Am Bisamberg verfügt die Stadt Wien zwar über Waldflächen, diese sind aber ein Natura 2000-Gebiet. Damit bekommt der Wald einen anderen Stellenwert: es ist mehr Naherholung als Wirtschaftswald.
Martin Skopal: Gab es die Überlegung am Cobenzl, Kleinwindkraft einzusetzen?
Thomas Podsednik: Am Cobenzl sind die notwendigen behördlichen Genehmigungen dafür sehr aufwändig, überwiegend deshalb, weil das Gebäude im Schutzwaldgebiet steht. Es gelten sehr strenge Richtlinien, um die zahlreichen Vögel, die hier nisten, nicht zu stören. Darunter sind auch geschützte Arten: daher sind wir selbst sehr vorsichtig, obwohl die Kombination unserer Photovoltaik-Anlage mit Kleinwindkraft absolut Sinn machen würde. Natur- und Vogelschutz geht aber vor.
Martin Skopal: Gibt es die Idee, das Weingut Cobenzl vom Netz zu nehmen und komplett zu versorgen?
Thomas Podsednik: Für eine Insellösung müssten wir alle Engpässe überbrücken können, speziell bei Schlechtwetter und im Winter. Windkraft müssen wir ausschließen, daher könnte ein solches Projekt ausschließlich über Stromspeicher in Angriff genommen werden. Mit unserer Anlage und den existierenden Speichertechnologien ließe sich das aber lösen.
Martin Skopal: Energieeffizienz wird bei der Konzeption moderner, erneuerbarer Energie-Lösungen groß geschrieben. Wie wurde Ihre Anlage eingerichtet?
Thomas Podsednik: Wesentlich für die Effizienz im Energieeinsatz ist immer die Steuerung. Die beste Heizung bringt nichts, wenn die Steuerung nicht stimmig ist. Bei uns ist jeder Raum getrennt regelbar, in jedem Raum hängt ein Thermostat. Je nach Zweck eines Raumes werden diese unterschiedlich beheizt: in manchen hat es 15°C, in der Weinlounge 22°, im Büro 23°, um ein angenehmes Arbeiten zu ermöglichen. Außerhalb der Betriebszeiten wird die Temperatur in allen Räumen leicht reduziert, zur weiteren Optimierung des Energieverbrauchs.
Martin Skopal: Das zweite große Thema am Cobenzl ist Nachhaltigkeit. Sie führen einen der ersten Weinbaubetriebe, der zertifiziert nachhaltig ist. Wann haben Sie angefangen, über die Zertifizierung nachzudenken? Wie lang hat die Phase der Umstellung gedauert?
Thomas Podsednik: Ein zentrales Anliegen von 1988 war die Modernisierung der Arbeit im Weingarten. Wir haben früh und konsequent begonnen, Nachhaltigkeit in unseren Arbeits- und Produktionsprozess zu integrieren; zu einem Zeitpunkt, als eine offizielle Zertifizierung noch lange nicht am Horizont war. Nach unserem Entschluss, die Zertifizierung zu verfolgen, mussten wir daher nur noch die Formulare ausfüllen; alle Anforderungen hatten wir durch unsere Arbeitsweise längst erfüllt.
Ein paar Beispiele: Wir haben den Einsatz von Pflanzenschutzmittel stark reduziert, statt dessen setzen wir überwiegend auf biologische Möglichkeiten der Schädlingsbekämpfung. In den Weingärten arbeiten wir mit Dauerbegrünung, die jedes zweite Jahr neu angebaut wird. Hier nutzen wir vorwiegend Klee und nicht Gras, um Dünger zu sparen; gleichzeitig kommt uns der natürlichen Erosionsschutz der Begrünung zugute.
Obwohl wir zahlreiche Methoden des Bio-Landbaus einsetzen, sind wir noch kein zertifizierter Bio-Betrieb, da mir speziell beim Mehltau das Ausfallsrisiko zu hoch ist.
Nachhaltigkeit endet aber nicht im Weingarten: wir nutzen bei klassischen Weinen Leichtflaschen, um im Transport Gewicht zu sparen, und damit Treibstoff. Außerdem sind sie in der Herstellung effizienter.
Die Zertifizierung begutachtet aber auch den sozialen Aspekt der Arbeit und legt alles transparent und offen dar. Ich bin ein großer Freund dieses Gedankens, und kann jedem Winzer nur empfehlen, einen Blick auf die Zertifizierung darauf zu werfen.
Martin Skopal: Gibt es Überlegungen, in Zukunft den Schritt zum Bio-Betrieb zu gehen?
Thomas Podsednik: Diesen Weg wollen wir definitiv zu Ende gehen, es ist aber noch viel interne Arbeit zu leisten. Wir schließen gerade die Erweiterung auf 60 Hektar Anbaufläche ab: die frisch ausgesetzten Jungkulturen bringen sehr viel Arbeit. Momentan sind meine 8 Beschäftigten voll ausgelastet. Drehen wir an den richtigen Rädchen, erreichen wir aber das Ziel.
Für den Moment ist mir wichtig, Landwirtschaft nicht konventionell zu betreiben, sondern nachhaltig. Unser Honig, den wir seit vorigem Jahr selbst produzieren, ist schon bio-zertifiziert. Wir achten streng darauf, dass in der Produktionskette keine Lücken entstehen, die die Nachhaltigkeit unseres Unterfangens gefährden könnte. Ein Beispiel dafür ist der Zucker, der für die Herstellung des Zuckerwassers genutzt wird, um einen Bienenstock im Winter zu versorgen, nachdem man den Honig entnommen hat. Die Frage, ob ein Bio-Rübenzucker nachhaltiger ist als ein Bio-Rohrzucker ist nicht leicht zu beantworten. Alle Elemente der Wertschöpfung müssen äquivalent betrachtet und behandelt werden: jede Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.
Martin Skopal: Kurz: Lösungen konsequent immer lokal suchen, dann erst regional, national oder international?
Thomas Podsednik: Die Zertifizierung betrachtet genauso den Verkauf. Das Weingut Cobenzl hat traditionell einen starken Ab-Hof-Verkauf und agiert so lokal, dazu sind wir im regionalen Händlernetz sehr gut aufgestellt. Unser Exportanteil liegt bei etwa 10 Prozent.
Exportiert man sehr viel, wirkt sich das negativ aus auf die Nachhaltigkeit, egal, ob man nun biologisch oder konventionell arbeitet: Man kann biologisch arbeiten, aber wenig nachhaltig sein.
Martin Skopal: Nachhaltigkeit begreift die Produktion vom Setzling des Weinstocks bis zum gekelterten Wein. Das große Ganze wird nie aus den Augen verloren.
Thomas Podsednik: Das ist besonders wichtig. Für den österreichischen Weinbau wäre das Projekt Nachhaltigkeit ein sehr wichtiges, denn Nachhaltigkeit erfordert ein strukturiertes, wohlüberlegtes Arbeiten einhergehend mit der entsprechenden Dokumentation seiner Tätigkeiten. Es geht nicht darum, da und dort herumzuprobieren: Nachhaltigkeit verbindet wissenschaftliche Präzision mit der Intuition eines leidenschaftlichen Landwirts.
Das transparente Öffnen des eigenen Betriebs für eine Zertifizierungsstelle erfordert aber großes Vertrauen in alle Beteiligten. Das ist derzeit die größte Hemmschwelle für die Zertifizierung; Aber es ist mir wichtig, das selbst zu entscheiden, als vielleicht eine Vielzahl zusammenhangloser Nachhaltigkeitsprojekte vom Handel aufoktroyiert zu bekommen.
Martin Skopal: Hat sich das nachhaltige Denken im Weingarten auf den Wein ausgewirkt? Auf die Nuancen im Wein, den Geschmack?
Thomas Podsednik: Ich bin überzeugt: hundertprozentig. Der Geschmack unserer Weine ist reifer und ohne Stresston, der sich immer entwickelt, wenn die Reben nicht optimal versorgt werden. Das spürt man. Deshalb legen wir so viel Wert auf unsere eigene Arbeit. Wir arbeiten konsequent an der Bodenverbesserung in unseren Rieden und düngen jährlich mit viel Eigenkompost, den wir von der MA 48 beziehen, ganz im Sinne der von Bürgermeister Häupl etablierten Kreislaufwirtschaft städtischer Betriebe. So erhöhen wir die Humusstruktur und verbessern das Bodenleben. Die Mulch-Aussaat jedes zweite Jahr habe ich schon erwähnt.
Fährt man nur mit dem Traktor durch den Weingarten, verdichtet man den Boden und schadet so den Trauben; das spürt man im Wein.
Martin Skopal: Kurz: Nachhaltigkeit wirkt.
Thomas Podsednik: Absolut. Wir sehen den Unterschied, die unsere Maßnahmen machen: Die Weine schmecken anders.
Martin Skopal: *Stichwort Gemischter Satz: Was ist wirklich im Gemischten Satz? Wann wird gemischt: beim Auspflanzen oder bei der Ernte?
Thomas Podsednik: Wir sind als Wiener Winzer stolz, ein eigenes Gesetz zum Gemischten Satz zu haben: den Wiener Gemischten Satz DAC (Districtus Austriae Controllatus).
2006 hat die Wien Wein-Gruppe begonnen, den Wiener Gemischten Satz zu forcieren: Er hat schnell Anklang gefunden. In einem ersten Schritt wurden die rechtlichen Grundvoraussetzungen für den Wiener Gemischten Satz geschafften. So steht es im Gesetz: 3 Sorten müssen mindestens enthalten sein, die erste nicht über 50 Prozent, die dritte nicht unter 15 Prozent.
Wiener Gemischte Sätze haben inzwischen meistens 4 bis 6 verschiedene Sorten, manche sogar 12.
Grundlegend ist immer, dass sie gemeinsam im Weingarten wachsen und zusammen geerntet werden. Ob sie gemischt ausgepflanzt sind oder zeilenmäßig ist egal. Die Kontrolle erfolgt durch die MA 58, da sie auch für das Rebflächenverzeichnis zuständig ist. Die 160 Hektar Wiener Gemischter Satz sind ein großer Erfolg für alle Wiener Winzer. Damit ist es der am meisten angebaute Wein, noch vor dem Grünen Veltliner.
Das ist unser Ziel: dass sich der Wiener Gemischte Satz DAC zu etwas Besonderem entwickelt, ein Wein, der sich von allen anderen abhebt. Man soll stolz sein auf die Wiener Winzer.
Martin Skopal: Herzlichen Dank für das Gespräch.
Titelfoto: © Weingut Cobenzl / Raimo Rudi Rumpler
Fotos: © Martin Skopal, © Weingut Cobenzl / Raimo Rudi Rumpler, © Weingut Cobenzl / Houdek