Geht man nach dem Wachstum der Umsatzzahlen am Markt, könnte man meinen, ein Großteil der Bevölkerung ernähre sich von biologisch angebauten Lebensmitteln. Von jährlichen Wachstumsraten rund um die zehn Prozent wird jedes Jahr gesprochen. Hört man sich allerdings im Verwandten- und Bekanntenkreis um, kaufen die wenigsten Leute wirklich viel Bio. Wie sind diese Zahlen nun auszulegen? Und warum werden sie so gehyped?
Die Fakten rund um den Bio-Boom
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) stellt jährlich die neuesten Umsatzzahlen zum Markt mit Bio-Lebensmitteln vor. So gaben die Europäer 2016 rund 11% mehr Geld für Bio-Produkte aus. Das klingt nach viel. Betrachtet man allerdings die Zahlen in Euro, kaufte jeder Europäer im Durchschnitt für rund 40 Euro im Jahr Bio-Lebensmittel (in der EU 60 Euro). Laut einer anderen Quelle sind es in Österreich jährlich sogar 180 Euro. Vergleicht man das jedoch mit dem Budget, das von einem Durchschnittseuropäer jährlich insgesamt für Lebensmittel ausgegeben wird – nämlich rund 1.800 Euro – ist beides geradezu lächerlich wenig. Der Bio-Markt in Deutschland deckt gerade einmal 4,8% des Gesamtlebensmittelumsatzes. Dies muss man sich also vor Augen halten, wenn man die hohen Wachstumszahlen im Bereich Bio hört: es handelt sich dabei nicht um den gesamten Lebensmittelmarkt. Bio wächst zwar, ist aber nach wie vor eine Nische.
Wer profitiert vom “Greenwashing”?
Greenwashing bezeichnet PR-Methoden, die darauf zielen, einem Unternehmen in der Öffentlichkeit ein umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image zu verleihen, ohne dass es dafür eine hinreichende Grundlage gibt. In diesem Fall wird kein Unternehmen vermarktet, sondern eine ganze Industrie. Doch wer hat eigentlich Interesse an so etwas?
Es gibt verschiedene Gruppen, die vom Eindruck profitieren, die vorherrschende Ernährungskultur sei bereits eine nach ökologischen Kriterien organisierte. Am offensichtlichsten gehören dazu konventionelle Lebensmittelhersteller, konservative Politiker oder Akteure der Agrarindustrie. Sie alle haben im Grunde gar kein Interesse daran, einen wirklichen Ernährungswandel durchzusetzen. Sie möchten, dass alles so bleibt, wie es ist. Solange die Umsätze und die Margen passen muss nichts geändert werden. Von der Illusion einer bereits vorherrschenden biologischen Ernährungskultur profitieren auch jene Bevölkerungsgruppen, die eben diese Bio-Produkte konsumieren und dies als Statussymbol sehen. Sie grenzen sich damit von der Masse ab und möchten sich moralisch überlegen fühlen. (Dies trifft natürlich nicht auf jeden zu, der biologische Produkte kauft und konsumiert – nur um das klar zu stellen.)
Fake it till you make it? Wie gelingt der Wandel
Manchmal trifft das obige Sprichwort zu und kann langfristig einen Wandel herbei führen. Vermarktet man sich jahrelang als sportliche Person, bewegt sich (trotz wenig Motivation) viel und trägt dieses Bild auch nach außen, ist man irgendwann eine richtige Sportskanone (mit Spaß an der Bewegung). Doch so einfach ist es wohl in diesem Fall nicht. Wollte man einen wirklich massentauglichen Kulturwandel der Ernährung in Richtung Bio in der Bevölkerung fördern, müsste man an sehr vielen Stellschrauben drehen. Allen voran die Einkommensentwicklung und die Bildung. Damit hängt nämlich ein reflektierter, umwelt- und gesundheitsorientierter Ernährungsstil erheblich zusammen. Bio ist nämlich nicht billig, die Gründe dafür sind bekannt.
Solange man dies aber nicht fördert, sondern lieber auf den gestiegenen Konsum von Bio-Eiern verweist (während fast das gesamte Rindfleisch aus konventioneller Haltung konsumiert wird), handelt es sich bei dem Hype um Bio nur um einen grünen Anstrich.
Quellen:
Schrot & Korn, 12/2017
https://www.boelw.de/fileadmin/media/pdf/Themen/Branchenentwicklung/ZDF_2018/ZDF_2018_Inhalt_Web_Einzelseiten_kleiner.pdf
https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/verbrauchsausgaben/konsumerhebung_2014_2015/index.html
https://de.statista.com/themen/3391/bio-lebensmittel-in-oesterreich/
Bilder/Fotograf:
Photo von Mohammad Saifullah auf Unsplash
Photo von Danilo Cestonato auf Unsplash