Dieser Artikel wurde am 22. Februar 2013 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!„Leben und sterben, wo ich hingehöre“ ist das Thema von Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner und trifft…
Dieser Artikel wurde am 22. Februar 2013 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

„Leben und sterben, wo ich hingehöre“ ist das Thema von Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner und trifft damit einen Nerv der Zeit. Die Industriegesellschaft hat sich in Europa verabschiedet und die neue Dienstleistungsgesellschaft bewältigt ihre Probleme nicht mehr. Eine nachhaltige Zukunft ist so nicht zu erreichen.

Kinder und alte Menschen werden zu einem Problem

Die Großfamilie als Basis einer Gesellschaft hat sich aufgelöst. In den Städten sind über 30 Prozent der Wohnungen von Singles belegt, ebenso viele Kinder werden nur noch von einem Elternteil betreut, Patchworkfamilien sind zur Regel geworden. In Deutschland fehlen über 200.000 Kindergartenplätze und die alten Menschen können nicht mehr ausreichend versorgt werden. Beide Systeme sind nicht mehr bezahlbar, oder es gibt nicht genug Bürger, die in diesen Jobs arbeiten wollen oder können. Kinder sollen nun zu Hause bleiben, in der Familie, doch wo ist die? Alte Menschen, die nicht in ein Heim ausgelagert werden wollen oder können – weil Plätze oder das Geld fehlen – sollen zuhause ambulant versorgt werden, doch von wem und mit welcher Qualität? Fünfzehn Minuten am Tag für eine Vollversorgung sind zu wenig, die professionellen Pfleger im Stress des Zeitmanagements. Die Sozialsysteme brechen zusammen.

Die Gesellschaften müssen umdenken und zurück zur Gemeinschaft

Die Egoismusgesellschaft hat uns all die Probleme beschert, die nun überall die Systeme zum Kollaps bringen. Der Mensch wird aber nicht als Egoist geboren. In Millionen Jahren der Evolution haben wir gelernt, dass wir nur in der Gemeinschaft überleben können. Diese Urerfahrung ist in unseren Genen gespeichert und wird bei jedem Kleinkind sichtbar. Erst die Erziehung trainiert uns zu Egoisten, nach einem völlig falsch verstandenen Darwinismus, indem behauptet wird, dass nur der Stärkere überleben kann. Die Folge sind inzwischen die totale Überforderung der Menschen, mit allen physischen und psychischen Symptomen und ein chaotisches Wirtschaften und Handeln.

Seit einiger Zeit erinnern sich Menschen aber wieder an die Zeit vor der Industriealisierung – und die 70er Jahre mit der WG-Bewegung. Es gibt nämlich einen dritten Sozialraum, neben dem des egoistischen ersten Raums der Eigeninteressen und dem inzwischen ebenfalls egoistischen Raum des Öffentlichen, das ist der Raum der Nachbarschaft oder der Wahlverwandtschaften.

Nachbarschaftshilfe und Wohngemeinschaften sind die Antwort

Sowohl die Kinder-, als auch die Altenbetreuung wird inzwischen mit wachsendem Erfolg von privaten Initiativen geleistet. Die Menschen, die plötzlich entdecken, dass sie Spaß am Helfen haben, spüren in sich das alte Glücksgefühl des „in der Gruppe aufgehoben seins“. Dieses alte Gefühl der Sicherheit in der Gemeinschaft war uns in den letzten 150 Jahren abtrainiert worden. Jetzt hilft es, die aktuellen Probleme zu lösen und gleichzeitig auch die Menschen auf beiden Seiten etwas „glücklicher“ zu machen. In Dörfern und Stadtvierteln organisieren Menschen Kinder- oder Altenbetreuung, ziehen alte Menschen in betreuten Wohngruppen zusammen und können so in ihrem Viertel bleiben, dort sterben, wo sie ihre Heimat fühlen. Das passiert in der Mehrzahl ehrenamtlich, vielleicht gegen eine kleine Aufwandsentschädigung. Ergänzend sind, bei der Betreuung alter kranker Mitbürger die Profis dabei, jedoch mit besagtem Zeitdruck. Die Nachbarn aber können eine Vollbetreuung leisten, einfach nur durch ihre Anwesenheit. Der Erfolg ist erstaunlich, da auch die Leiden und Gebrechen messbar abnehmen. Das Gefühl aufgehoben zu sein hat eine in letzter Zeit unterschätzte, ja vergessene Heilkraft.

Gemeinschaftlich können die Bürger alle Probleme selbst lösen

Gegen den „Ausverkauf“ und Niedergang ihrer Heimat können sich die Menschen nur als Gemeinschaft zur Wehr setzen. Das gilt in allen Bereichen des Lebens. Genossenschaften nehmen mehr und mehr die Energieversorgung in die Hand, unterstützen ökologisch arbeitende Landwirte, indem sie die gesamte Ernte, alle Erzeugnisse komplett abnehmen, übernehmen von den Gemeinden die Wasserversorgung, weil diese damit um die Hälfte billiger wird und vieles mehr. Es gibt wohl keinen Bereich mehr, in dem die Bürger nicht beginnen, die Dinge lieber selbst zu regeln.

Einen anderen Weg in eine nachhaltige Zukunft kann es auch nicht geben.

http://www.vsop.de/files/JT_2011_Der_dritte_Sozialraum_-_doerner.pdf