Dr. Katharina Bastl ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Österreichischen Pollenwarndienstes der MedUni Wien verantwortlich für Pollen-Prognosen im Osten Österreichs. Im Interview spricht sie über Pollenfallen, Pollen im Tagesverlauf und über Ragweed.
Was ist der Pollenwarndienst?
Der Österreichischen Pollenwarndienst der MedUni Wien sieht sich als Serviceeinrichtung für Pollenallergiker in Österreich. Unser erklärtes Ziel ist, die Informationen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Seit 2013 betreiben wir auch eine Pollen-App, da wir festgestellt haben, dass wir mit mobilen Applikationen viel mehr Menschen erreichen können. Seit 2009 ist auch das Pollentagebuch online, in dem Allergiker ihre Beobachtungen eintragen können.
Was hat es mit dem Ragweed-Finder auf sich?
Mit dem Ragweed-Finder möchten wir die Menschen animieren, uns Ragweed-Vorkommen zu melden. Wir verifizieren diese Informationen und leiten sie an unsere Kooperationspartner bei den Landesregierungen, aber auch bei den ÖBB weiter. Die Pflanze wird dann ausgerissen oder gemäht. Es ist wichtig, gegen Ragweed vorzugehen, weil es sich um eine invasive Art handelt. An den Nachbarländern sehen wir, wie schlimm sich das entwickelt. Wenn wir es schaffen, die Vorkommen einzudämmen, könnte das den Allergikern sehr viel Leid ersparen.
Wie hat sich die Pollenforschung entwickelt?
Die Pollenvorkommen werden seit Mitte der 1970-er Jahre aufgezeichnet. Damals wurden in Österreich auch die ersten Pollenfallen aufgestellt. Wir waren mit Wien als einer der ersten Pionierfallen mit dabei. Auf der Seite pollenwarndienst.at sind auch die historischen Pollendaten für die unterschiedlichen Abschnitte im Jahr und für die unterschiedlichen Pollentypen angeführt.
Wie viele Fallen gibt es in Österreich?
Österreichweit gibt es 25 Fallen. Das ist ein gutes Messnetzwerk, das auch den topographischen Besonderheiten des Landes gerecht wird. In Wien gibt es eine einzige Pollenfalle, diese befindet sich derzeit am Dach des Zamg-Gebäudes, wird aber im Laufe des Jahres an die MedUni übersiedeln. Eine Falle ist selbst für eine große Stadt wie Wien ausreichend, wie Auswertungen gezeigt haben. Dass die Falle am Dach steht, und nicht am Boden, ist wichtig. Am Dach lässt sich der regionale Effekt einfangen, also auch Pollenflug, der von weiter her kommt, während am Boden nur der lokale Effekt sichtbar würde.
Gibt es in diesem Bereich internationale Zusammenarbeit?
Unser Informationsangebot bauen wir immer weiter auf den europäischen Raum aus. Auf polleninfo.org etwa werden die Informationen aller europäischen Pollenwarndienste gesammelt, sofern es in den einzelnen Ländern welche gibt. Das erleichtert Allergikern ihre Urlaubsplanung, Dienstreisen und Kurztrips.
Wie funktioniert eine Pollenfalle?
Man muss sich die Pollenfalle wie ein Ufo vorstellen – mit einer Windfahne, die den Einsaugschlitz immer in Windrichtung dreht. Die Trommel rotiert und wird wie ein Uhrwerk aufgezogen. Pollen, Staub und manchmal auch kleine Insekten, die ins Innere der Trommel gelangen, bleiben dort an einem Klebestreifen haften. Dieser wird im Labor analysiert. Der Klebestreifen ist in Abschnitte unterteilt. So wissen wir genau, wie sich die Pollen über den jeweiligen Tag und über die jeweilige Tageszeit verteilen.
Wie oft werden die Proben analysiert?
Ausgewertet wird die Falle in Wien zwei Mal pro Woche, da wir auch zwei Mal pro Woche eine neue Textprognose herausgeben.
Was hat es mit der Belastung im Tagesverlauf auf sich?
Wir bewerten seit zwei Jahren auch das Allergierisiko, das je nach Tageszeit schwanken kann. Auch wenn das immer wieder in den Medien herumgeistert: Pauschal kann man zum Beispiel nicht sagen, dass Allergiker nur in der Früh und am Abend lüften sollten. Wie sich die Belastung über den Tag verteilt, hängt vom aktuellen Wetter, von der lokalen Situation und von der jeweiligen Pflanze ab.
Gibt es heute tatsächlich mehr Allergiker als früher, oder werden bloß die Daten genauer erfasst?
Allergien sind tatsächlich im Steigen begriffen, der Eindruck täuscht nicht. Aktuelle Zahlen gibt es dazu aber leider keine, da groß angelegte Studien schwierig sind. Die aktuellsten Studien gehen jedenfalls davon aus, dass eine Million Österreicher von Allergien betroffen ist. Doch wir kennen die Dunkelziffer nicht. Europaweit geht man davon aus, dass es zwischen fünf und 30 Prozent Allergiker gibt.
Warum ist die Arbeit des Pollenwarndienstes wichtig?
Wir unterstützen einerseits die Betroffenen, indem wir sie darüber informieren, welche Pollen gerade in der Luft sind. Andererseits unterstützen wir auch Ärze. Denn auch Allegologen brauchen Vorhersagen, um ihre Patienten bestmöglich behandeln zu können. Dass die Pollen immer zur selben Zeit in derselben Intensität auftreten, ist ein Trugschluss. Es reicht nicht, einen Pollenkalender zu erstellen, und diesen dann zu konsultieren, sondern man muss das tatsächliche Pollenvorkommen messen. Jedes Jahr und jede Saison haben ihre Besonderheiten.
Quelle: Energieleben Redaktion
Foto: F. Matern/MedUni Wien
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