Pilze-Profis Magdalena Wurth und Moritz Wildenauer in ihrem Element – draußen in der Natur in ihrem besonderen Pilzgarten im Waldviertel. Fotocredit: © Rupert Pessl/Waldviertler Pilzgarten
Pilze-Profis Magdalena Wurth und Moritz Wildenauer in ihrem Element – draußen in der Natur in ihrem besonderen Pilzgarten im Waldviertel. Fotocredit: © Rupert Pessl/Waldviertler Pilzgarten
Do it yourself liegt im Trend. Selbstversorgung auch. Und Nachhaltigkeit sowieso. Da ist es nur naheliegend, sich auch an die hauseigene Schwammerl-Zucht heranwagen zu wollen, wenn man im Anbau von Mikrogreens und Sprossen am Fensterbrett nicht mehr genügend Herausforderung sieht. Eine große Hexerei ist aber auch die Schwammerlernte daheim dank des Waldviertler Pilzgartens nicht. Denn die eigene Pilzzucht ist einfacher als erwartet, weiß Pilz-Profi Moritz Wildenauer.
Dieser Artikel wurde am 8. Januar 2021 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Die Einen zieht es aufgrund der Pilze ins Waldviertel, die anderen lassen sich der Liebe wegen im Niederösterreichischen Waldviertel nieder. Auf den 31-jährigen Moritz Wildenauer trifft irgendwie beides zu. Denn es war seine Freundin Magdalena Wurth, die ihm – wiederum die Idee ihres Vaters weiterführend – vorgeschlagen hat, doch einfach mal was mit Schwammerln zu machen. Oder besser gesagt – mit Pilzen. Denn zwischen beidem gibt es einen Unterschied. 

Aber den soll Pilz-Profi Moritz euch direkt selbst verraten. Gemeinsam mit seiner Freundin Magdalena betreibt er den „Waldviertler Pilzgarten“ in Großschönau, wo nicht nur Pilze gezüchtet werden, sondern wo es vor allem auch bisherigen Pilz-Laien ermöglicht wird, den eigenen Garten oder sogar die eigene Wohnung dafür zu nutzen, Schwammerl zu Hause ernten zu können. Wir haben mit dem gelernten Tischler, der auch einige Zeit in der Jugendbetreuung gearbeitet hat, darüber gesprochen, was man eigentlich wissen muss und was es braucht, wenn man daheim selbst Schwammerl züchten möchte. Auch, wenn man gar keinen Garten hat. 

Wenn man ans Schwammerlsuchen denkt, denkt man irgendwie automatisch ans Waldviertel. Warum eigentlich – ist das Waldviertel wirklich so ein besonderer Pilze-Ort?

Moritz Wildenauer: „Naja, Pilze sind prinzipiell immer und überall. Das ist vom Viertel unabhängig (lacht). Denn die sogenannten Pilzsporen sind extrem widerstandsfähig und verbreiten sich bis in die obersten Sphären. Dementsprechend können sie auch ein großes Spektrum an Nährböden aufgreifen, wo sie dann Symbiosen mit organischem Material eingehen. Und insofern ist das Waldviertel natürlich schon wieder ein guter Pilzboden, denn durch den vielen Wald finden die Pilzsporen hier auch viel organisches Material, das verwertet werden kann und wo der Pilz eben eine Symbiose mit lebenden Pflanzen – in dem Fall mit Bäumen – eingehen kann. Da bieten die Laub- und Nadelwälder viel Fläche dafür, wo die Pilze in erste Linie unter der Erde wachsen. Der Großteil vom Pilz – das sogenannte Myzel – liegt nämlich unter der Erde. Das ist ein bisschen wie bei einem Eisberg. Das Schwammerl – in der Fachsprache Fruchtkörper genannt – ist eigentlich nur die Spitze des größten Teils des Organismus. Und davon gibt es wiederum tausende Arten. Im heimischen Wald gehören dazu zum Beispiel die Eierschwammerl und die Steinpilze zu den bekanntesten und beliebtesten Vertretern.“

Dass im Pilzgarten heute so viele Schwammerl wachsen, ist eigentlich auf ein unerwartetes Ereignis von vor 35 Jahren zurück zu führen. Fotocredit: © Waldviertler Pilzgarten
Dass im Pilzgarten heute so viele Schwammerl wachsen, ist eigentlich auf ein unerwartetes Ereignis von vor 35 Jahren zurück zu führen. Fotocredit: © Waldviertler Pilzgarten

Mit Shiitake, Stockschwämmchen und Seitlingen habt ihr Pilze im Angebot, deren Namen man schon einmal gehört hat. Aber auch exotisch Klingendes wie Leuchtpilze oder der Igelstachelbart sind bei euch vertreten. Wie ist es denn eigentlich dazu gekommen, dass ihr begonnen habt, diese und andere Pilze zu züchten?

Moritz Wildenauer: „Die ganze Geschichte geht auf Magdalenas Papa Herbert zurück und beginnt eigentlich auch ganz klassisch im Wald. Im Zuge seiner Arbeit für eine Firma, die sich mit Resteverwertung beschäftigt, musste er sich damit auseinandersetzen, wie man aus Kartoffelschalen Alkohol gewinnen kann. Für diesen Prozess braucht es auch Pilze und da hat er sich daran erinnert, dass er und seine drei Brüder als Kinder im Wald immer zu wenige Schwammerl gefunden haben, um davon satt zu werden. Jetzt ist ja das Schwammerlsuchen an sich eine schöne Angelegenheit, die auch ein bisschen abenteuerlich und aufregend sein kann, aber man muss sich dafür auch richtig gut auskennen, um keine giftigen oder ungenießbaren zu erwischen. Und da hat sich Herbert gedacht, wenn er jetzt schon weiß, wie es geht, will er versuchen, mit seinen eigenen Mitteln Pilze zu kultivieren. Und so gesehen hat die Geschichte jetzt doch wieder am Zoll begonnen und nicht im Wald, wenn ich recht überlege.“

Die Geschichte eurer Pilzzucht hat ihren Ausgangspunkt am Zoll?

Moritz Wildenauer: (lacht) „Ja, weil für sein Vorhaben hat sich Herbert eine sogenannte Pilzbrut bestellt. Die ist damals vor 35 Jahren allerdings am Zoll so lange hängen geblieben, dass sie schließlich kaputt war, als sie angekommen ist. Da hat er sich gedacht, er beginnt einfach gleich bei Null mit der Pilzzucht und stellt auch die Brut – also das Myzel, das es zum weiteren Anbau der Pilze braucht – selber her. Herberts Inspiration war dabei von Anfang an, Pilze für den Eigenbedarf kultivieren zu können. Und das ist bis jetzt unser Spirit, den wir gerne weiter tragen. Also auch wenn wir gerade damit beginnen, dass wir frische Pilze direkt für die Pfanne anbieten, möchten wir in allererster Linie die Leute dabei unterstützen, dass sie für ihren Eigenbedarf zu Hause Pilze züchten können.“

Da sind wir schon beim Stichwort: Pilzzucht zu Hause – ich stelle mir das ein bisschen schwieriger vor, als Kresse am Fensterbrett anzubauen. Was brauche ich denn dafür, um daheim meine eigenen Schwammerl ernten zu können?

Moritz Wildenauer: „Das kommt darauf an. Wir bieten mehrere Varianten an. Eine Herangehensweise für das schnelle Glück, das ist ein Pilzsubstrat bzw. eine Fertigkultur. Das bekommt man bei uns in einem Pilzkübel. Den haben wir so gestaltet, dass man wirklich nur mehr ein bisschen was zu tun hat und dann schlicht darauf wartet, die Schwammerl zu ernten. Bei dieser Variante handelt es sich um Strohsubstrat, das fermentiert ist und um die Brut, die das Substrat gut verwerten kann. Zuhause mischt man das quasi zusammen, gibt es in den Kübel, der in der Wohnung bleiben kann, und macht den Deckel drauf. Wir haben den Kübel so konzipiert, das Löcher mit einer Art Pflaster abgedeckt ist. Wenn die Pilze nach drei bis sechs Wochen dann aus den Löchern rauskommen, drücken sie diese Pflaster weg. Das ist für den Besitzer das Signal, das man sie ab jetzt noch für drei bis maximal vier Tage mit Wasser besprühen muss und danach sind die Pilze schon fertig!“

Nicht nur im Kübel in der Wohnung, auch draußen im Garten lassen sich Pilze mit den richtigen Mitteln züchten. Fotocredit: © Waldviertler Pilzgarten
Nicht nur im Kübel in der Wohnung, auch draußen im Garten lassen sich Pilze mit den richtigen Mitteln züchten. Fotocredit: © Waldviertler Pilzgarten

Das klingt ja wirklich einfach. Gibt es noch andere Möglichkeiten, zu Hause Pilze anzubauen, wenn ich zum Beispiel einen Garten habe?

Moritz Wildenauer: „Die Pilze im Garten anzubauen, geht natürlich auch und da haben wir ebenso Möglichkeiten im Angebot. Wichtig ist jedenfalls, dass man ein windgeschütztes, schattiges Eck dafür im Garten hat, das man gießen kann. Da gibt es zum Beispiel die Gruppe der Luftkulturen, wie der Shiitake und die Erdkulturen, also die Pilze, die sich in Bodennnähe wohler fühlen und dort Myzele ausbauen. Die werden senkrecht in die Erde eingesetzt, man imitiert quasi einen Baumstumpf. So kann man im eigenen Garten auch leicht starten. Man kann bei uns einen im Vorjahr von uns beimpften Baumstamm kaufen. Auf diesen Stämmen ist schon Moos drauf, das ist zum Beispiel ein wichtiger Indikator für die benötigte Feuchtigkeit. Und das ist dann von der Einfachheit her tatsächlich mit dem Pilzkübel zu vergleichen. Wer wirklich alles selbst machen und so kosteneffizient wie möglich machen will, der kann dieses Beimpfen des Holzes auch selbst zu Hause machen.“

Dieses Beimpfen klingt komplex. Was braucht es dafür?

Moritz Wildenauer: „Es ist keine Raketenwissenschaft, aber man hat halt die Arbeit, die natürlich auch mit dem Risiko verbunden ist, dass es vielleicht nichts wird. Man braucht dazu passendes Holz, das zwischen Jänner und März geerntet wird und das man dann im April oder Mai beimpft. Das bedeutet konkret nichts anderes, als dass man die Pilzbrut selbst in den Stamm einbringt. Dafür kann man zum Beispiel mit der Kettensäge zwei bis drei Schnitte ins Holz machen und in diese Schnitte füllt man dann die Pilzbrut ein. Da gibt es bei uns aber ganz genaue Anleitungen dazu. So wie es die bei jeder Brut und jedem Produkt von uns für die Kunden mitgibt.“ 

Einen Großteil der Pilze, die im Waldviertler Pilzgarten gezüchtet werden, gibt es auch im Wald, aber nicht alle. Was ist eigentlich das Besondere an den Pilzen? 

Moritz Wildenauer: „Pilze sind einfach wirklich faszinierende Organismen. Mir fallen dazu gleich mehrere Geschichten ein. Ein Architekt hat mir mal erzählt, dass er Seitlinge gegessen hat, die bei ihm in der Garage aus der Wand gewachsen sind. Das muss man sich mal vorstellen! Da ist wahrscheinlich im Beton irgendwo Holz eingebaut, die Wand hat einen kleinen Riss, da kommt so eine Seitlingssprosse daher und zack – wachsen dir essbare Schwammerl aus der Garagenwand (lacht)! Man sieht an solchen Geschichten schon, wie widerstandsfähig Pilze sind. Und sie bieten auch ein beeindruckendes Spektrum an Möglichkeiten. Pilze dienen ja nicht nur als Nahrung, sie sind auch die Basis für Medikamente, wie etwa das Antibiotikum Penicillin. Sie finden Verwendung bei der Produktion von leicht kompostierbaren Kunststoffersatzprodukten und Isoliermaterialien. Dann kommt noch dazu, dass Pilze auch eine wichtige Rolle beim Humusausbau spielen können, weil sie ein super Futter für Würmer sind. Und selbst die alten Pilzstämme kann man dann wiederum einem nachhaltigen Prinzip zuführen: Wir haben oft Anfragen von Käferzüchtern, die möchten genau dieses Weißfäuleholz, um die Käfermaden damit zu ernähren. 

Selbst Pilze zu züchten, ist eine Möglichkeit, sich unabhängig mit Delikatessen selbst zu versorgen. Fotocredit: © Waldviertler Pilzgarten
Selbst Pilze zu züchten, ist eine Möglichkeit, sich unabhängig mit Delikatessen selbst zu versorgen. Fotocredit: © Waldviertler Pilzgarten

Wenn ich jetzt auch gerne Pilze zum selber Ernten daheim hätte und nicht genau weiß, was für mich passt: Wo informiere ich mich dann am besten?

Moritz Wildenauer: „Dann würde ich sagen, allen, denen es so geht, die sollen sich ein Bild von den Möglichkeiten machen und unseren Pilzgarten besuchen. Einfach bei uns melden und einen Termin vereinbaren. Die Besichtigung ist nach Anmeldung in frischer Luft mit viel Distanz möglich und man kann sich ganz in Ruhe die unterschiedlichen Arten anschauen. Wenn dann wieder Tage der offenen Tür möglich sind und bei ausgeschriebenen Veranstaltungen, kann man auch ohne Anmeldung vorbeikommen. Wir schauen, dass bei unseren Events zumindest zwei, drei Führungen am Tag stattfinden. Man kann sich aber auch mit unseren Büchern schlau machen: ,Pilze selbst anbauen’ und die Neuerscheinung ,Pilzgeflüster’ zeigen, dass der Schwammerlanbau daheim nicht nur das kleine Hobby von ein paar Pilzenthusiasten ist, sondern ein weitreichender Trend. Denn die Bücher wurden mittlerweile in Englisch, Französisch, Niederländisch und Italienisch übersetzt!“

Wenn ich jetzt beschließe, dass ich zum Selbstversorger werden möchte: Geht das mit euren Pilzprodukten? 

Moritz Wildenauer: „Das kommt natürlich darauf an, aber ich möchte schon betonen, dass man einen realistischen Zugang zu dem ganzen braucht. Wenn ich einen kleinen Garten mit einem einzigen Pilzstamm habe, dann darf ich nicht davon ausgehen, dass ich das ganze Jahr über reichlich Pilze habe. Da brauche ich schon eine Fläche von zehn bis 15 Quadratmetern und es braucht eine Zeit lang, dass ich jeden Tag Schwammerl ernten kann. Meine Mutter aber hat beispielsweise 30 Stämme und die ruft ständig an, dass sie zu viele Schwammerl haben. (lacht) Im Sinne der Selbstversorgung finde ich das gerade in Krisenzeiten natürlich großartig. Es ist schon eine Besonderheit, wenn ich auf eine Delikatesse wie den Shiitake zuhause Zugriff habe, wenn ich ihn im Geschäft vielleicht gerade nicht kriege oder auch nirgendwo hingehen möchte.“ 

Weitere Infos dazu gibt es hier:
Waldviertler Pilzgarten
Mistelbach 28
A-3922 Großschönau
Tel.: +43 680 3326101
kontakt@pilzgarten.at
http://www.pilzgarten.at

Fotocredits: © Rupert Pessl, Waldviertler Pilzgarten (3)


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