In der Reihe “Alte Sorte des Monats” rücken besondere Nutzpflanzen in den Vordergrund. Diesmal das Waldstaudekorn, ein besonders aromatischer Roggen.
Dieser Artikel wurde am 20. Dezember 2016 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

90 % der weltweiten Nahrungsmittelernte bestehen aus 100 Kulturpflanzen. Dabei sind uns über 4.800 bekannt. Jeden Monat werde ich eine alte Sorte vorstellen. Das Wissen um diese Sorten, wie auch die Pflanzen selbst, gilt es zu teilen und zu vermehren.

Globalisierte Märkte und vereinheitlichte Anforderungen haben regional angepasste Sorten aus unseren Gärten und Feldern verdrängt. Durch den mangelnden Anbau sind Sorten vom Aussterben bedroht, die sich häufig noch vor einigen Jahrzehnten regional einer großen Beliebtheit erfreuten. Die Unterschiede, die die einzelnen Pflanzen aufweisen sind nicht nur geschmacklicher Natur. Form, Farbe, aber auch Anbauzeitpunkte, Ansprüche an den Boden und das Klima, sowie Ertragsmengen sind wesentliche Faktoren, in denen sich Varianten einer Gemüse- oder Getreideart unterscheiden können. Nur durch die erneute Kultivierung und Vermehrung des Saatguts können die weniger effizient erscheinenden Sorten vor dem Aussterben bewahrt werden. Wenn sich gewisse Faktoren ändern, dazu können neue Krankheiten, Schädlinge oder klimatische Faktoren gehören, kann eine der nun vergessenen Sorten viel sinnvoller für den Anbau sein.

Das Waldstaudenkorn (Secale multicaule) aus dem Waldviertel:

Nicht nur Äpfel und Tomaten kommen in allen Formen und Farben vor. Auch bei Getreide gibt es eine überraschende Vielfalt. Bei der Waldstaude handelt es sich um eine alte Varietät des Kulturroggens (Secale cereale). Man erkennt die Waldstaude an ihren kleinen kurzen Körnern. Sie können grau, braun, schwarz aber auch bläulich wirken. Die farbliche Streuung ist sehr breit angelegt und dunkler, als der vornehmlich angebaute Roggen. Die Waldstaude kann bis zu drei Meter hoch werden, der Kulturroggen hingegen nur 1,80 Meter. Am Halm ist das Waldstaudekorn durch sehr lange und zarte Ähren mit vielen kleinen Körnern zu erkennen. Die Erträge fallen gering aus. Durch den kleinen Mehlkörper ist der Vitamin- und Mineralstoffgehalt des Waldstaudekorns deutlich höher, als beim herkömmlichen Roggen.

Die Besonderheiten der Waldstaude:

Für Martin Allram liegt die Besonderheit des Waldstaudekorns primär an seinem feinwürzigen, leicht süßen und intensiven Geschmack. Allram gehört zu einer Gemeinschaft aus Waldviertler Bauern, die ausnahmslos biologisch oder biologisch – dynamisch wirtschaftet und sich für die Rekultivierung alter Sorten einsetzt. Vornehmlich von dieser Gruppe wird das Waldstaudekorn angebaut.

Durch tiefe und feine Wurzeln ist das Waldstaudekorn in der Fruchtfolge eine gerngesehene Vorkultur. Es ist ein guter Bodendecker und trägt zum Bodenschutz und der Bodendiversität aktiv bei. Traditionell wird die perrenierende (mehrjährige) Art als zweijährige Pflanze kultiviert. Neben den Körnern, aus denen herrliches dunkles Brot gebacken wird, findet die Waldstaude als Futterpflanze, insbesondere für Wildtiere, verwendung. Das Stroh kann zum Dachdecken und als Wärmedämmung – dazu mehr im nächsten Artikel – genutzt werden und findet als Seil und für das Flechten von Bienenkörben verwendung.

Sortenspezifische Ansprüche:

Der charakteristische Geschmack des Waldviertler Waldstaudekorns entsteht durch die sauren Granitböden. Bevorzugt wächst sie auf schwach bis mittelhumosen Böden. Tiefe Fröste im Horner Becken des Waldviertels machen der Waldstaude keine Probleme. Roggenarten sind grundsätzlich gut für kältere Klimate geeignet. So wird er bis in die arktischen Gebiete Skandinaviens und am Himalaja auf einer Höhe von bis zu 4.250 Meter angebaut. Historische Anbaugebiete der Waldstaude sind neben dem Waldviertel, die Südmähren und Südböhmen.

Als Roggenart gehört die Waldstaude zu den Fremdbestäubern. Um Einkreuzungen vorzubeugen ist der richtige Anbauzeitraum und ein Sicherheitsabstand zu anderen Roggenfeldern zu beachten. Traditionell wird die Waldstaude um den 24ten Juni herum angebaut, wodurch sie ihren zweiten Namen „Johannisroggen“ erlangt hat.

 

Quellen und weiterer Lesestoff:

Interview mit Martin Allram gehalten am 17.12.2016

http://www.lebendigevielfalt.at/hauptseite.php

http://www.feedipedia.org/node/385

https://www.energieleben.at/terra-madre-das-fest-der-vielfalt/

DAVIDSON, Alan, JAINE, Tom (2006): The Oxford Companion to Food (2 ed.), New York: Oxford University Press

Bilder zur Verfügung gestellt durch den Verein Lebendige Vielfalt, Martin Allram.

Green Gadget Bloggerin VeraDie Freischnauzeköchin ist zum Bloggen über ihre Freude an der Fotografie von Essen gekommen. Seit 2013 gibt es ihre vegetarischen Rezepte online und Tipps zum (nachhaltigen) Leben in Wien. Die in ihrem Studium der Agrarwissenschaften erworbenen Erkenntnisse und ihre Erfahrungen als urbane Gärtnerin teilt sie gerne mit ihrer Leserschaft. Ihr Augenmerk richtet sie hierbei auf zukunftsweisende und umweltfreundliche Lösungen.