Regional
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Regional oder bio, oder am besten beides? Lebensmittel aus der Region genießen einen guten Ruf, aber sind sie auch wirklich nachhaltig?
Dieser Artikel wurde am 20. Mai 2022 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Bilder von zufriedenen Kühen, die auf idyllischen Almwiesen stehen und genüsslich an Grashalmen kauen – Werbeprofis erzählen uns rund um Lebensmittel gerne romantische Geschichten. Lebensmittelhändler:innen und Hersteller:innen inszenieren perfekt und rücken den regionalen Ursprung ihrer Produkte gerne in den Vordergrund.

Regional liegt im Trend

Zahlreiche Studien belegen inzwischen, dass der Regional-Trend den Bio-Trend mittlerweile eingeholt hat. Lebensmittel aus der Region genießen das Image hoher Qualität und fairer Produktionsbedingungen für Mensch und Tier. Sie müssen auch nicht quer über den Globus transportiert werden.

In Österreich greifen nahezu 60 Prozent der Befragten regelmäßig zu regionalen Produkten. Ein Drittel der Konsumenten verbindet mit dem Konsum von regionalen Produkten Engagement für den Umweltschutz, wozu auf kürzere Transportwege gezählt werden.

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Photo von Sincerely Media auf Unsplash

Doch sind regionale Lebensmittel wirklich immer so gut?

Schon 2007 hat die Agrarmarkt Austria (AMA) die CO2-Belastung einzelner Lebensmittel berechnet. Die größten Klimasünder waren dabei Weintrauben aus Chile mit 7,5kg CO2 pro Kilogramm Frucht. Äpfel aus Südafrika brachten 263 Gramm aufs Tableau, jene aus der Steiermark nur 22 Gramm.

Eine andere Berechnung aus dieser Studie zeigt allerdings auch, dass mit dem Griff zu regionalen Lebensmitteln insgesamt nur wenig CO2 eingespart werden kann. Würden alle Österreicher die Hälfte ihrer Lebensmittel regional kaufen, würden laut AMA 580.000 Tonnen CO2 eingespart. Das klingt viel, sind aber pro Kopf nur 0,07 Tonnen pro Jahr. Der Durchschnittsausstoß liegt bei elf Tonnen, das heißt die Ersparnis sind nur magere 0,6 Prozent.

Woran liegt die schlechte CO2 Bilanz regionaler Produkte?

Was auch ich früher nicht bedacht habe: regional bedeutet nicht gleichzeitig bio! Das lässt den CO2-Verbrauch in die Höhe schießen. Der Begriff „Bio“ ist offiziell geregelt und die Voraussetzungen für Bioprodukte sind klar kommuniziert. Bei regionalen Produkte ist das anders, hier ist weder definiert noch geschützt. Ob der nette Bauer von nebenan konventionelle Mineraldünger verwendet oder nicht wird selten hinterfragt. Dabei verbraucht alleine die Herstellung dieser Düngemittel so viel Energie, dass Bio-Tomaten aus Sizilien oftmals die bessere CO2-Bilanz aufweisen als jene aus regionaler, konventioneller Landwirtschaft. Doch auch der Anbau in beheizten Gewächshäusern lässt den CO2-Verbrauch drastisch ansteigen.

Wirtschaft vor Umwelt

Trotz dieser bekannten Aspekte wird der regionale Bezug von Lebensmitteln öffentlich gefördert. Vor einigen Jahren hat das Lebensministerium in Kooperation mit AMA beispielsweise die Vermarktungsinitiative „GenussRegion Österreich“ ins Leben gerufen. Um das Label aufs Produkt zu drucken muss der Rohstoff aus der jeweiligen Region stammen und in der Region hochwertig verarbeitet werden. Das zusätzliche Kriterium „biologischer Anbau“ wurde nicht bedacht. Leider gibt es mehrere solcher Beispiele und hier bedarf es eines Umdenkens auf höherer Ebene.

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Photo von Stijn te Strake auf Unsplash

Biolandwirtschaft weltweit stärken

Bei aller Heimatliebe dürfen wir aber auch globaler denken. In Österreich gibt es für Bio-Betriebe immerhin gewisse Anreize und Unterstützungen. In vielen Schwellenländern müssen engagierte Bio-Unternehmer allerdings erst Pionierarbeit leisten. Durch den Kauf von importierten Bio-Produkten, am besten in Kombi mit dem Fairtrade-Siegel, unterstützen wir also den Bio-Anbau im Herkunftsland.

Regionalität alleine ist also im Gegensatz zu Bio kein Nachhaltigkeitskonzept. Allerdings könnte sich die regionale Lebensmittelproduktion gemeinsam mit der biologischen Landwirtschaft als unschlagbares Duo positionieren. Als Entscheidungshilfe beim Einkauf könnt ihr euch also folgende Reihenfolge merken: 1. Bio, 2. Saisonal, 3. Regional.

Übrigens: wer zum regionalen Hofladen extra ein paar Meter mehr in Kauf nimmt und mit seinem fossil betriebenen Auto mehr als 30 Kilometer zurücklegt, wirft eine gute Klimabilanz sowieso über den Haufen.

Quellen:
Studien von A.T. Kearney 2013, 2014; zitiert in Melissa Sarah Ragger, „Regional vor Bio?“

Der Regional-Schmäh“, Karin Bornett