Dieser Artikel wurde am 18. September 2012 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!Eine oberflächliche Diskussion am Sonntagabend, den 16. September in der ARD mit den immer gleichen Totschlagargumenten, sollte…
Dieser Artikel wurde am 18. September 2012 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Eine oberflächliche Diskussion am Sonntagabend, den 16. September in der ARD mit den immer gleichen Totschlagargumenten, sollte Klarheit darüber bringen, wie gut denn Biolebensmittel sind. In einer Stunde wertvoller Sendezeit wurde die Chance vertan, wirklich aufzuklären, worum es bei dem Thema „Bio“ oder „konventionell“ eigentlich geht. Lebensmittelchemiker Udo Pollmer versucht rüde  Kunstnahrung zu adeln, während Sarah Wiener verzweifelt für naturbelassene Lebensmittel kämpft.

 

Nachhaltigkeit ist das Thema und „Bio“ bedeutet: Leben

 

Ob nun ein Apfel aus konventionellem Anbau oder ein Bio-Apfel gleicher Sorte besser schmeckt sollte den Nachweis erbringen, ob der biologische Anbau überhaupt sinnvoll ist. Eine holländische Wassertomate im Vergleich mit einer Tomate aus der Aufzucht auf dem eigenen Balkon hätte da schon andere Ergebnisse gebracht. Die Bio-Idee wurde aber nicht geboren, um allein den natürlichen Geschmack wieder zu erhalten, sondern um ein nachhaltiges Wirtschaften einzuleiten. Dieses kann nicht auf die Landwirtschaft allein beschränkt bleiben, sondern muss nun einmal das gesamte Wirtschaftssystem mit einbeziehen.

Wie bei der Energiewende, die von Atom- und Erdöleinsatz zu einem neuen Kreislauf in der Nutzung von Energie führen soll, ist immer das gesamte System des Verbrauchs von Ressourcen und der Verteilung der Produkte betroffen. Es geht insgesamt darum, den Ressourcenverbrauch auch in der Landwirtschaft, der Humusschichten und Nährstoffe so zu gestalten, dass diese langfristig erhalten bleiben und nicht verloren gehen.

Konventionelle, also industrielle Landwirtschaft und eine Nahrungsmittelindustrie die nur finanziellen Umsatz zum Ziel haben, verbrauchen und zerstören fruchtbare Böden, vergiften Wasser und Luft und am Ende auch die Menschen. Wie gut am Ende die Produkte schmecken, ist zweitrangig, im Zweifel ist der Unterschied marginal.

 

Die subventionierte Überproduktion verhindert nicht den Hunger in der Welt

 

Das Totschlagargument, man müsse nun mal Lebensmittel mit Gentechnik und viel Chemie anbauen und Tiere so misshandeln, um den Welthunger zu bekämpfen ist absolut absurd, ja unmoralisch. Gerade die gigantische Überproduktion in der industriellen Landwirtschaft ist Schuld an dem Hunger der so genannten dritten Welt. Durch das Überschwemmen dieser Länder mit hoch subventionierten Produkten wurde dort die kleinteilige Landwirtschaft zerstört. Länder, wie Haiti, die einmal Reis exportiert haben, müssen nun diesen importieren. All die ehemaligen Kolonien, deren Böden zudem durch jahrhundertelange Monokulturen ausgelaugt sind, können sich nicht mehr selbst ernähren, weil die Industrienahrung dort konkurrenzlos billig angeboten wird. Wollten wir wirklich die ganze Welt nur von unseren Äckern im Westen ernähren, hätten wir natürlich ein Problem, so aber sind wir Schuld am Hunger in dieser Welt.

Wenn wir uns aber auf den Bedarf in unserer Region beschränken, brauchen wir keine chemische Hilfe, weder auf dem Acker, noch im Stall. Jede Region auf diesem Planeten kann sich selbst ernähren, ja sogar in einem fairen Austausch von saisonalen Produkten den Speiseplan bereichern. Der Weltagrarbericht belegt in jedem Jahr, dass trotz der wachsenden Zahl an Menschen der Bedarf stets in doppelter Menge gedeckt werden kann. Das Problem ist die Verteilung der Produkte und die unsinnige Spezialisierung der Produktion. Falsch ist das global ausufernde Wirtschaftssystem der Industriestaaten, welches nicht Leben, also „Bio“ als Ziel verfolgt, sondern Umsatz. Geld kann man jedoch nicht essen, dieser Nährwert ist wirklich marginal.

http://www.zeit.de/2011/25/Bauern-Armut-Interview-Feyder

http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-01/europa-exportsubventionen-landwirtschaft

 

„Bio“ bedeutet Leben, was soll dann das Gegenteil sein?

 

Wenn ein Gegensatz hergestellt werden soll, dann der zwischen lebendiger Nahrung und toten Produkten? Auch wenn dieser Gegensatz ein journalistisches Konstrukt einer überforderten Redaktion ist, trifft er doch – vielleicht wirklich unbeabsichtigt – den Kern des Problems. Die Agrarchemie greift schon lange in das Leben ein, sowohl mit „Anti-biotika“, also das Leben zerstörenden Substanzen, als auch mit alles Leben vernichtenden Mitteln auf dem Feld. Zuletzt greift der Mensch in das Bauprogramm des Lebens, in die Gene ein und gestaltet dieses nach seinem Wunsch. Das Ziel dabei ist leider nicht das Wohlergehen der Menschen, kein sozialer, humaner Gedanke, sondern der asoziale Wunsch, auf diesem Feld der Wirtschaft allein den finanziellen Profit zu steigern. 

Die Idee Rudolf Steiners war nicht allein den Geschmack der Tomaten zu verbessern, sondern ein völlig anderes System des Lebens wieder einzuführen. So unterscheiden sich auch die wirklichen „Bio“-Produkte der Demeter-Landwirte elementar von „Bio-Linien“ der Discounter. Die Verwirrung bei den Verbrauchern ist gewollt. Halbherzig formulierte Richtlinien der europäischen Kommission erlauben die Nutzung des „Euro-Bio-Siegels“ auf wirklich nicht nachhaltig erzeugten Produkten.

Der ahnungslose Verbraucher bezahlt jedoch nun gerne einen höheren Preis für die leider nicht bessere Qualität und eröffnet dem Handel und dem Produzenten eine neue Quelle für noch mehr Profit.

 

Solange das gesamte System nicht geändert wird, bleibt „Bio“ eine bloße Idee

 

Längst können die wirklich ökologisch wirtschaftenden Produzenten die Nachfrage nicht mehr allein befriedigen, der Bedarf nach „nichtindustrieller“ Nahrung ist einfach zu groß. Der „Markt“ antwortet natürlich sofort, liefert „Bio“-Produkte mit zweifelhafter Herkunft. Wo Geld zu verdienen ist, ist die Kreativität groß und kriminelle Energie schnell geweckt. So diskreditiert natürlich der missbrauchte Begriff die gesamte Idee. Ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem – in dem „Bio“, also Leben – ein Luxusgut ist muss grundlegend verändert werden. Die Werte, die hier vertreten werden, gegen den Rest der Welt, können nicht wirklich moralisch sein.

Die industrielle Wirtschaft missbraucht die Mitwelt insgesamt, macht Leben zu einem Faktor wirtschaftlicher Kalkulation. Dabei werden, ohne das „Wertesystem“ auch christlicher Parteien zu verletzen, Menschen skrupellos ausgebeutet, sowohl als „humankapital“ in der produzierenden Industrie, als auch als „Nahrungsmittelverwerter“, als ahnungsloser Konsument. Gleichzeitig werden Lebensräume radikal zerstört, sogar das Klima sorglos verändert. Diese Hybris, die offenbar als erstrebenswertes Ziel in die freiheitliche Ethik gehört, ist der wirkliche Gegensatz zu „Bio“, zum Leben. Sarah Wieners Ansätze, dieses Problem deutlich zu machen, wurden an diesem Abend leider rüde unterbrochen oder durch die viel zu kurze Zeit für einen ernsthaften Diskurs abgewürgt. Am Ende blieb ratloses Schweigen.

Das Forum auf Herrn Jauchs Webseite zeigt allerdings, dass der „Bürger“  inzwischen doch in der Lage ist, selbst Herrn Pollmers rüde Taktik zu durchschauen. Dieser wachsende Unmut macht Hoffnung.

http://www.ndr.de/apps/php/forum/showthread.php?t=70885