Seit 2011 ist Stevia als Süßungsmittel zugelassen. Doch ist es wirklich so gesund, wie es beworben wird?
Dieser Artikel wurde am 24. Juli 2015 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Seit 2011 ist Stevia als Nahrungszusatz von der EU zugelassen und wird seither als biologischer Süßstoff verkauft, der weder den Zähnen noch der Figur schadet, den Blutzuckerspiegel nicht beeinflußt und dessen Süßkraft 300 bis 400 mal stärker ist als die von Zucker. Doch wie natürlich ist der verwendete Süßstoff wirklich?

Ich hinterfrage ja generell zu viel und wenn ich mich dann informiere bin ich meist trotzdem überrascht, wie man Konsumenten heutzutage auf der Nase herumtanzt! Doch mal von Anfang an: Stevia, auch Süß- oder Honigkraut genannt, wird von der indigenen Bevölkerung Südamerikas traditionell für Getränke und ihre Heilkunde verwendet. In Europa musste man das Kraut lange Zeit als “Körperpflegeprodukt” kaufen, da sich getrocknete Pflanzenteile als Nahrungszusatz mit tausenden Komponenten nur schwer normieren lassen. Naturbelassenes Honigkraut enthält außerdem nur ca. 5 Prozent süßende Stoffe und hat einen etwas gewöhnungsbedürftigen Geschmack (leicht bitter und ein bisschen lakritzig). 

Die nun zugelassene und seither als natürlich beworbene Süße aus Stevia ist deshalb bei Weitem nicht das, was sich die Indigenen seit Jahrhunderten in ihren Matetee bröseln. Das Pulver wird nicht allein durch sanftes Aufbrühen der Blättchen in Wasser und Trocknung dieses Tees gewonnen. Vielmehr handelt es sich um ein mit zahlreichen Lösungsmitteln und industrieller Labortechnik erarbeitetes Isolat jener chemischen Substanzen aus der Pflanze, die den süßen Geschmack vermitteln – und als E960 gekennzeichnet wird. Das sind die sogenannten Glykoside, Verbindungen aus Zuckermolekülen und Alkoholen, die eigentlich in Pflanzen generell sehr verbreitet sind (z.B. als Toxine zur Abwehr von Fressfeinden – hier macht wie so oft die Dosis das Gift). Im Fall von Stevia sind die Bedeutendsten Steviosid und Rebaudiosid A. Letzteres kommt unserer Definition von “süß” am nächsten, weil es nicht bitter nachschmeckt. Deshalb wurde der Fokus der Nahrungsmitteltechniker speziell auf diesen einen Stoff gelegt. Ein möglichst hoher Gehalt an Rebaudiosid A sollte in Stevia-Süßstoffen erreicht werden, außerdem musste auch das Volumen des Süßstoffen korrigiert werden, um es als Zuckerersatzstoff anwenden zu können (zum Beispiel in Schokolade oder beim Kuchenbacken). In der Praxis geschieht das oft mit künstlichen, weniger süßen Füllstoffen, wie etwa Maltodextrin oder Erythrol, die dann oft den wesentlichen Bestandteil der Produkte ausmachen. 

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Nachdem die Natürlichkeit von Steviasüßstoffen nicht mehr wirklich gegeben ist, bleibt dem Konsumenten zumindestens der Vorteil der gesundheitlich positiven Effekte. Keine Kalorien und keine schädigende Wirkung auf die Zähne sind ja schon mal was, oder? Die Forschung ist sich allerdings nicht sicher, ob die Produkte auf die Dauer gefährliche Nebenwirkungen haben können. Aus gutem Grund: wann immer ein Stoff aus seinem natürlichen Kontext gelöst und in industriellen Produkten eingesetzt wurde, gab es durchaus schon böse Überraschungen. Selbst Fruchtzucker, der natürlicherweise alle Obstsorten süßt, hat sich in konzentrierter Form als regelrecht gefährlich erwiesen. Er macht weit schneller dick als raffinierter Zucker und könnte sogar krebserregend sein. (Was wieder für Verwirrung beim Konsumenten sorgt, der dann denkt, Obst sei ungesund – das gilt allerdings nur für künstlich hergestellte, konzentrierte Fruktose, also keine Angst, esst nur weiter brav Obst!! ;-))

Was Stevia anbelangt: trotz seiner fernen pflanzlichen Quelle gilt dafür nichts anderes als für alle anderen künstlichen Süßstoffe: es ist eine Chemikalie, über deren langfristige Wirkung auf den Menschen noch nicht alles bekannt ist. Ich bleibe also weiterhin vorwiegend bei Honig als natürlichen, gesunden Süßstoff!

Falls ihr Stevia doch gerne in seiner natürlichen Form ausprobieren möchtet: die Pflanze lässt sich leicht als Küchenkraut ziehen! Man muss nur den eigenartigen Geschmack auch mögen. 

Quellen:
http://www.zeit.de/2008/47/DOS-Stevia/
http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2014-05/stevia-pflanze-zuckerersatz
http://derstandard.at/1326249162789/Suessungsmittel-Stevia-der-grosse-Bluff
https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/ernaehrung-faq-stevia.html
http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin/ernaehrung-ach-wie-suess-13620505.html

Bilder/Fotograf: Ulrike Göbl

ulli goeblUlrike Göbl, MA

Die nebenberufliche Fitness- und Ernährungstrainerin beschäftigt sich schon seit ihrer Jugend mit gesunder Ernährung und alternativen Lebensweisen. 2010 begann die begeisterte Hobbyköchin ihren Foodblog „Fit & Glücklich“. Dort vereint sie ihre Liebe zu gutem Essen und Sport mit dem Versuch, die Balance im Leben zu finden. Seit 2012 vernetzt sie mit einer Kollegin auch noch die Österreichischen Foodblogger auf einer eigenen Plattform.